"Anselm Kiefer in China"

Streit um Anselm-Kiefer-Ausstellung in Peking

Ein Bild des Malers Anselm Kiefer in Bonn
2012 zeigte die Bundeskunsthalle Bonn Werke von Anselm Kiefer aus dem Privatbesitz von Hans Grothe. © imago stock&people
Von Kathrin Hondl und Susanne Kaufmann  · 22.11.2016
Deutsche Kunst ist in China gefragt. Besonders geschätzt wird Anselm Kiefer. Doch die Ausstellung "Anselm Kiefer in China" im CAFA Art Museum in Peking findet gegen den Willen des Künstlers statt. Kuratorin Beate Reifenscheid vom Ludwig Museum in Koblenz steht in der Kritik.
"Ich habe alles richtig gemacht. Alle Protagonisten, die an diesem Projekt beteiligt waren, haben alles richtig gemacht. Natürlich macht es Sinn, mit einem Künstler zusammenzuarbeiten, wenn sich das ergibt, aber das heißt ja nicht zwangsläufig, dass man nie eine Ausstellung machen darf, wenn ein Künstler dazu nicht sein Placet gegeben hat."
Beate Reifenscheid verteidigt sich. Sie habe "ein wunderbares Projekt für China realisiert", sagt sie. Anselm Kiefer bei seiner ersten großen Ausstellung in China nicht einzubeziehen, sei ihr gutes Recht als Kuratorin. Außerdem habe sie den Kontakt zum Künstler durchaus gesucht.
"Ich habe mit mehreren Personen über mehrere Monate hinweg immer wieder Kontakt gehabt. Ich werde jetzt die Namen nicht sagen, weil das im Zweifelsfalle wieder entsprechende Gegenreaktionen heraufbeschwört. Ich denke, es sollte reichen, dass ich sage, dass ich es getan habe. Mein Wort gilt sicherlich genauso viel wie das von Herrn Kiefer."

Niemand weiß etwas von Kontaktversuchen

Über wen Beate Reifenscheid versuchte, Kontakt zu Anselm Kiefer zu bekommen, ist also nicht bekannt. An den naheliegenden Adressen allerdings – dem Atelier von Anselm Kiefer und bei seinem Pariser Galeristen Thaddaeus Ropac – weiß niemand etwas von Kontaktversuchen der Koblenzer Museumsdirektorin. Er habe über private Kunstsammler von dem Ausstellungsprojekt in China erfahren, sagt Thaddaeus Ropac.
"Daraufhin haben wir versucht, wiederholt Kontakt zu ihr aufzunehmen, und sie hat sich jeder Kontaktaufnahme wirklich verweigert. Sie hat weder meine Telefonate angenommen, hat auch das Atelier nicht kontaktiert, also wenn sie heute sagt, sie hätte das getan, dann fragen wir uns schon sehr, an wen sie sich da gewandt hat. Also weder im Atelier noch hier in der Galerie haben wir eine Kontaktaufnahme gehabt. Im Gegenteil: Meine wiederholten und dutzenden Versuche, mit ihr zu sprechen, haben einfach nicht gefruchtet. Also im Gegenteil: Sie war öfters im Museum anwesend, hat aber ganz bewusst das Telefonat abgelehnt."
Eine Aufnahme vom 15.10.2012
Der deutsche Maler und Bildhauer Anselm Kiefer© AFP / JOEL SAGET
Nicht nur das Verhalten der Kuratorin, auch die Firma, die die Ausstellung für das Pekinger Museum organisiert hat, gibt Rätsel auf: die "Bell Art GmbH", ein Unternehmen mit chinesischem Geschäftsführer und Sitz in Hamburg; gegründet, so heißt es auf der Firmen-Webseite, von "Wilderich Graf von Schall-Riaucour mit dem Ziel, Künstler aus China nach Europa zu bringen und bekannt zu machen".
Unter anderem betreibt die "Bell Art GmbH" ein Zollfreilager in Peking, verfolgt also auch kommerzielle Interessen. Beate Reifenscheid wird auf der Homepage als "Hauptkuratorin" angeführt. Was weiß sie von den Aktivitäten des Unternehmens?
"Können Sie mich gerne fragen, aber da habe ich ehrlich gesagt wirklich gar keine Ahnung von. Ich bin als Kuratorin da, als Museumsfrau. Und alles andere interessiert mich erst einmal nicht, weil ich weiß, ich arbeite nicht für ein Verkaufsprodukt. Diese Ausstellung steht in einem der besten chinesischen Museen, die es gibt, und da gibt es ja gar keinen Zweifel dran."

"Die Auswahl der Werke geht an der Wichtigkeit des Oeuvres vorbei"

Fraglich ist allerdings, ob die Ausstellung, die ja als große Retrospektive angekündigt war und nun größtenteils mit Werken aus einer Privatsammlung bestückt ist, ob diese Ausstellung dem Renommee des Museums in Peking gerecht wird.
Thaddaeus Ropac: "Was uns am meisten dabei beunruhigt, ist einfach auch die Auswahl der Werke, die, wie wir jetzt mehr und mehr herausfinden, völlig an der Wichtigkeit des Oeuvres vorbeigeht, die überhaupt in keiner Weise den Querschnitt des Künstlers zeigen."
Schade für das Kunstpublikum in China, wo das Interesse an Anselm Kiefer enorm ist. Es habe mehrere Anfragen für Ausstellungen gegeben, sagt Ropac, der deshalb auch schon mit Kiefer in China war. Auch Fan Di’an, den Präsidenten des CAFA Museums, schätze er sehr.
"Anselm Kiefer hätte sich gefreut. Fan Di’an ist ein seriöser Kurator. Ein Opfer in dieser Sache ist das Museum in China. Die wurden da ständig falsch informiert von dieser Bell Art GmbH und auch von der Direktorin des Ludwig Museums in Koblenz. Denen wurde vorgespiegelt, dass Anselm Kiefer da voll eingebunden ist, dass er zur Eröffnung wahrscheinlich anreisen wird, so hieß es in dieser ersten Aussendung des Museums.
Und nachdem alle Verträge unterschrieben waren und sie nicht mehr aus der Sache herauskommen konnten, wurde denen natürlich der Protest des Künstlers übermittelt, weil wir erst zu einem späten Zeitpunkt überhaupt von der Realisierung dieser Ausstellung erfahren haben."
Das CAFA Art Museum in der Zentralen Kunstakademie (Central Academy of Fine Arts CAFA) in Peking, China.
Das CAFA Art Museum in der Zentralen Kunstakademie (Central Academy of Fine Arts CAFA) in Peking, China.© picture alliance / dpa / An Yongqing

Künstler fühlt sich behandelt wie ein lebender Toter

Und so sieht sie also aus – die bisherige Bilanz der Ausstellung "Anselm Kiefer in China": Ein betrogenes Museum. Ein lebender Künstler, der sich behandelt fühlt "wie ein Toter". Und eine Kuratorin, die meint, sie habe "alles richtig" gemacht.
Am 1. Januar 2017 soll Beate Reifenscheid Präsidentin von ICOM Deutschland werden, der deutschen Sektion des Internationalen Museumsrats. Unter den Vorstandsmitgliedern gibt es nun Befürchtungen, der Ruf des Museumsrats könne beschädigt werden. Vermutlich zu Recht.
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