Anschlag in Atlanta

Asiatische Frauen werden hypersexualisiert

09:14 Minuten
Leicht verschwommenes Bild einer Asiatin, welches hauptsächlich ihr Auge im Profil zeigt.
Ost- und südostasiatische Frauen sind mit verschiedenen Stereotypen konfrontiert, doch die Verbindung zum Rassismus werde oft nicht hergestellt, kritisiert Nhi Le. (Symbolbild) © Unsplash / Larm Rmah
Nhi Le im Gespräch mit Max Oppel · 18.03.2021
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Sechs der acht Opfer des Anschlags auf Massagesalons in Atlanta kommen aus der asiatisch-amerikanischem Community. Der Verdächtige selbst spricht von "Sexsucht" als Motiv. Die Journalistin Nhi Le sieht hier enge Verbindungen zwischen Sexismus und Rassismus.
Nach dem Anschlag von Atlanta auf Massagesalons mit acht Toten am Dienstag ist das Motiv des mutmaßlichen Attentäters immer noch unklar. Sicher ist aber: Der 21-jährige weiße Verdächtige hatte es auf Frauen abgesehen. Und: Sechs der Opfer haben einen asiatisch-amerikanischen Hintergrund. Der Anschlag wird in der Community als ein Hassverbrechen gegenüber asiatisch aussehenden Menschen gelesen.
Auch die Journalistin Nhi Le meint, dass das Verbrechen im Zusammenhang mit Rassismus und Sexismus analysiert werden muss. Der Täter selbst hat bei ersten Vernehmungen angegeben, an einer Sexsucht zu leiden - und keine rassistischen Beweggründe genannt. Er habe die Massagesalons als eine "Versuchung" gesehen, die er habe ausmerzen wollen.

Klischee der eiskalten Verführerin

"Da steckt schon sehr viel Hass drin", sagt Nhi Le. Dahinter steht der Gedanke, asiatische Frauen seien eine Versuchung. "Das ist ein Stereotyp, mit dem sich viele ost- und südostasiatische Frauen konfrontiert sehen, sie werden objektifiziert, hypersexualisiert und als sexuell verfügbar gesehen."
Das zeige sich auch in Filmen, im Theater oder der Oper. "Da gibt es das Klischee der verwegenen Drachenlady, wie zum Beispiel in ‚Ally McBeal‘ oder ‚Kill Bill‘; dass die Frauen als eiskalt und sehr verführerisch dargestellt werden."
Ein anderes Bild spiele ebenfalls eine große Rolle. "Das der verfügbaren, unterwürfigen oder sogar sexhungrigen Lotusblüte wie zum Beispiel in 'Madame Butterfly', 'Austin Powers' oder auch 'Full Metal Jacket'. Einige Szenen daraus haben für asiatische Frauen sehr viel Schaden angerichtet."
Massagesalons würden oft als Bordelle wahrgenommen. "Man sieht auch hier in Deutschland oftmals, dass zum Beispiel bei deutschen Thai-Massagesalons groß an der Tür steht: ‚Keine Erotik‘. Das heißt also, dass die Leute, die dort arbeiten, mit diesen Klischees konfrontiert sind."
Ein wichtiger Aspekt fehlt Nhi Le in der Wahrnehmung des Atlanta-Attentats. "Viele der Frauen sollen in den Massagesalons nicht nur gearbeitet, sondern auch gelebt haben. Es handelt sich da auch um extrem arme Frauen."

Stigmatisierung als "Virusschleuder"

Die Zahl der Anfeindungen gegenüber Menschen, die als asiatisch wahrgenommen werden, ist seit Beginn der Coronapandemie stark gestiegen, nicht nur in den USA, sondern auch hierzulande. Nhi Le, die in den USA gelebt hat, überrascht das nicht: "Ich würde auf keinen Fall sagen, dass das etwas spezifisch US-Amerikanisches ist, im Gegenteil." Denn dort wisse man zumindest um das Rassismusproblem. "Anders als hier in Deutschland, wo man immer erst noch beweisen soll, dass es das Problem gibt."
Die Coronapandemie habe ein kolonialhistorisches Narrativ offengelegt: "Da wurde die Gleichung aufgemacht: Asiaten sind so dreckig und unzivilisiert, dass sie es geschafft haben, so einen Virus zu kreieren. So wurden dann auch Asiatinnen und Asiaten als Virusschleuder stigmatisiert."
Es gebe jedoch ein weiteres Klischee, das dazu führe, dass die Verbindung zum Rassismus im Zusammenhang mit asiatischen Menschen oft nicht hergestellt werde. "Und zwar das der Vorzeigeminderheit: Ihr seid doch so gut integriert, schön, dass ihr so still seid, so fleißig arbeitet. Das wird natürlich auch benutzt, um uns gegen andere marginalisierte Gruppen auszuspielen."
In Deutschland gebe es inzwischen jedoch Zusammenschlüsse wie ichbinkeinvirus.org oder die Organisation Korientation, um diese Diskriminierungen sichtbar zu machen. "Ich glaube, die Stimmen sind da, jetzt müssen sie auch gehört werden." Die Verantwortung läge hier bei der Mehrheitsgesellschaft.
(dpa/cwu)
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