Anschlag auf Charlie Hebdo

Medien sind Zielscheiben in brüchigen Gesellschaften

Eine Ausgabe der französischen Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" im Regal eines Zeitschriftenhändlers in Frankfurt/Main
Eine Ausgabe der französischen Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" im Regal eines Zeitschriftenhändlers in Frankfurt/Main © dpa / picture alliance / Frank Rumpenhorst
Von Stephan Detjen, Hauptstadtstudio · 08.01.2015
Medienfeindlichkeit macht sich breit - das verdeutlicht nicht nur der Anschlag auf Charlie Hebdo in Paris. Die Pegida-Demonstranten schüren hierzulande Hass auf die vermeintliche "Lügenpresse". Wie die Medien am besten darauf reagieren, kommentiert Stephan Detjen.
Der Anschlag auf Charlie Hebdo wird sich auch für Deutschland noch mehr, als das am Tag danach wahrnehmbar ist, als ein Wortsinne einschneidendes Ereignis erweisen. Auch hier werden Brüche in der Gesellschaft sichtbar. Sie klaffen nicht so weit auseinander wie in Frankreich. Das Parteiensystem, die Bindungskraft von insgesamt stabilen Parteien der Mitte sind weniger angefochten.
Populistische Extremisten haben sich noch lange nicht so schlagkräftig organisiert wie der Front National der Le Pens. Die Abkopplung jugendlicher, vorwiegend muslimischer Migranten in verelendeten Vorstätten von Zugängen zu Arbeitsmarkt, Bildung und politischer Teilhabe ist Frankreich dramatischer als in Deutschland. Doch all diese Probleme sind auch in der deutschen Gesellschaft angelegt und in vielen der einvernehmlich klingenden Bekundungen der Abscheu über den Anschlag in Paris sind die feinen Risse erkennbar, die sich in den Debatten, die jetzt kommen werden, schnell als Sollbruchstellen in der deutschen Gesellschaft erweisen können.
Entfremdung von traditionellen, journalistisch arbeitenden Medien
Die politischen und sozialen Spaltungen, die in diesen Tagen deutlich werden, betreffen auch die Medien. Dass sich der Anschlag in Paris gegen eine Zeitung richtete, ist das Symptom einer Medienfeindlichkeit, die sich nicht allein gegen scharfzüngige Polemiker und respektlose Karikaturisten richtet. Die weltweite Solidarisierung mit den ermordeten Zeichnern und Redakteuren von Charlie Hebdo täuscht leicht darüber hinweg, dass es eine viel tiefer gehende Entfremdung von traditionellen, journalistisch arbeitenden Medien gibt, die breite Bevölkerungsteile bis in die Politik hinein betrifft.
Auch diese Beobachtung gilt für Frankreich ebenso wie für Deutschland. Das Schlagwort von der "Lügenpresse", das bei den Pegida-Aufmärschen in Dresden die Runde machte, ist dabei nur die Spitze einer immer aggressiver werdenden Medienkritik. Sie ist in Hörer- und Leserbriefen ablesbar, die Zeitungen ebenso wie die Programme des Deutschlandradios erhalten. Darin drückt sich ein Verlust von Vertrauen in die von Journalisten beschriebene Wirklichkeit aus, der beunruhigen muss. Denn die Welt entsteht nur durch ihre Wahrnehmung, die vorwiegend durch Medien vermittelt wird.
In kommenden Zeiten haben Medien besondere Bedeutung
Medien konstituieren die Welt. Deswegen eignen sie sich als Zielscheiben für all jene Populisten, ideologischen Fanatiker und radikalisierten Desperados, die mit der Welt, die sie umgibt, gebrochen haben. Der gestern und heute oft wiederholte Satz, der Angriff von Paris richte sich "gegen uns alle", wir allen seien Charlie Hebdo, erhält dadurch seine tiefere Dimension. Zugleich ergibt sich daraus die besondere Bedeutung von journalistischen Medien in den kommenden Zeiten. Sie sind zu Objekten der Aggression geworden. Zugleich können nur die Medien die Differenziertheit, Dialogfähigkeit und Wahrnehmungsschärfe der politischen Diskurse gewährleisten, die nach dem Anschlag von Paris auch in Deutschland geführt werden müssen.
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