Annette Schlünz über Udo Zimmermann

"Immer brodelnd und immer mit neuen Ideen"

08:14 Minuten
Der Komponist Udo Zimmermann 2013.
Udo Zimmermann litt seit Jahren an einer seltenen neurodegenerativen Erkrankung, die ihm das Komponieren immer mehr erschwerte. © picture alliance / ZB | Arno Burgi
Moderation: Susanne Burkhardt · 22.10.2021
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Udo Zimmermann komponierte Opern, war Intendant in Leipzig und Berlin, ein Förderer des Nachwuchses und Vermittler. Nun ist er mit 78 Jahren gestorben. Die ehemalige Schülerin und Komponistin Annette Schlünz erinnert an einen Mann voller Tatendrang.
"Udo Zimmermann war in erster Linie natürlich ein kreativer Mensch, ein Komponist", sagt Annette Schlünz. "Ich erinnere mich an die Stunden bei ihm im Unterricht, als damals gerade 'Die weiße Rose' in der zweiten Fassung entstand: Er sprang zum Klavier und sang und gestikulierte, und diese Musik war immer ganz präsent." Die Komponistin war in den 80er-Jahren seine Schülerin und später auch seine wissenschaftliche Mitarbeiterin am Dresdner Zentrum für zeitgenössische Musik.
Nun ist Udo Zimmermann nach langer Krankheit im Alter von 78 Jahren in seiner Heimatstadt Dresden gestorben. Sein Leben war in ganz unterschiedlichen Funktionen ganz der Musik gewidmet: als Sänger, Intendant, Dramaturg, Dirigent, Musikmanager, Festivalgründer und Komponist. Ihm verdanken wir Opern wie "Die Weiße Rose" oder "Levins Mühle".
Zimmermann gehörte zu den wichtigsten zeitgenössischen Komponisten Europas. Es ist relativ selten, dass ein Komponist auch als Intendant Karriere macht. Bei ihm war es so: Zimmermann war Intendant der Leipziger Oper und später auch der Deutschen Oper in Berlin.

Förderer des Nachwuchses

Er hat zeit seines Lebens auch den Nachwuchs gefördert, beispielsweise am Dresdner Zentrum für zeitgenössische Musik, wie Schlünz berichtet: "Da war er auch der Manager und der Macher – und er war immer offen für Experimentelles. Das war einfach wunderbar, ihn so zu erleben: immer brodelnd und immer mit neuen Ideen kommend."
Seinen Musikstil zu beschreiben, fällt Schlünz schwer: Auf der einen Seite seien seine Kompositionen sehr theatralisch und klangsensibel gewesen, auf der anderen Seite habe man ihm vorgeworfen, er biedere sich fast schon dem Publikum an. "Aber", sagt Schlünz, "er war das, also ich hatte immer das Gespür, das ist seins. Er muss einfach diesen Klang so herausschleudern. Seine Musik war sehr klangreich, klangvoll." Dazu habe er sich aus allen Töpfen bedient, auch der Musik der schrägen Klänge.

Udo Zimmermann nahm sich immer Zeit

Als Annette Schlünz seine Schülerin war, existierte die DDR noch. Bei ihm zu studieren ermöglichte ihr, wie sie sagt, "einfach viel von außen reinzubekommen und zu hören, zu lesen, und Komponisten, Komponistinnen aus dem Ausland sozusagen in seinem Wohnzimmer kennenzulernen". Zimmermann habe trotz seines kritischen Geists, den Schlünz ihm attestiert, in der DDR nicht nur seine Kunst machen, sondern auch die anderer fördern können und dem jungen Schöpfertum einen Platz gegeben – "und das ist ihm einfach sehr hoch anzurechnen".

"Die Kunst antwortet ja nicht, sie stiftet keine Revolutionen, das kann sie nicht", sagte Udo Zimmermann einmal [AUDIO]. Und weiter: "Sie kann sehr viele Fragen stellen. Und wenn wir diese verstehen, dann sind es Fragen für uns selbst, Fragen zu unserer existenziellen Bedingtheit." In Zimmermanns Werk haben gesellschaftliche Fragen immer eine Rolle gespielt, wie unser Musikredakteur Rainer Pöllmann erklärt: "Diese existenzielle Bedingtheit, von der er spricht, war eine Grundhaltung des Komponisten, des Künstlers Udo Zimmermann."

Porträt des Komponisten Udo Zimmermann.
© imago / momentphoto / Robert Michael
Annette Schlünz erinnert sich an die erste Begegnung mit ihm:
"Ich bin damals 1983 zu meiner ersten Kompositionsstunde mit dem Fahrrad gefahren, nicht wissend, dass es den Berg hochgeht, und mein Fahrrad ging kaputt. Ich kam zu ihm rein, und er telefonierte – wie so oft – stundenlang, rauchte Pfeife. So begann meine erste Stunde. Und dann fand ich das einfach unglaublich schön, bei ihm in Ruhe zu sitzen und über Musik zu reden. Er reparierte mir danach mein Fahrrad und band es mit einem Bindfaden zusammen. Das war so unser allererster, sehr persönlicher Kontakt. Und so ist es geblieben. Er war oft auf Reisen, oft nicht da, aber wenn er da war, dann nahm er sich die Zeit für den Unterricht – und das bleibt mir einfach in sehr, sehr guter Erinnerung."
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