Annemirl Bauer im Dieselkraftwerk Cottbus

Bissige Kommentare einer Ausgestoßenen

Das Dieselkraftwerk in Cottbus
Das Dieselkraftwerk in Cottbus © picture alliance / dpa
Von Barbara Wiegand · 25.04.2015
Eine sehr persönliche Schau ist die Ausstellung mit Werken von Annemirl Bauer in Cottbus. Sie malte zu DDR Zeiten jenseits der staatlich anerkannten Kunst: Mit Pinsel und Stift formulierte sie eindeutige Botschaften und griff Stimmungen auf.
Groß und übermächtig wirkt die Frau, die einen in der Eingangshalle des Museums empfängt. Groß, aber irgendwie auch gedrungen, wie sie da auf einem Stuhl hockt. Zum Bersten gespannt – und doch auch bedröppelt:
"Das ist diese überdimensionierte Frauenfigur, auf der Rückseite eines Stück Teppichs gemalt. Die sitzt da so mit geballten Fäusten, die Unterarme so ein bißchen in den Unterleib gerammt. Erstmal macht sie so ein bisschen den Eindruck – o Gott, die arme hat Verdauungsstörungen. Sie hat aber ganz tolle, mit nicht unerheblichen Absätzen ausgestattete Schuhe an den Füßen – hätten sie nicht die sich unten am Bildrand befindliche Inschrift 'Verbalaggressive im Anpassungszentrum des 20. Jahrhunderts, würden Sie das Bild nicht so politisch lesen, wie es durch die Inschrift wirkt'", erläutert Ulrike Kremeier, Direktorin des Kunstmuseums Dieselkraftwerk dieses Bild, das viel von dem erfasst, was Annemirl Bauers Kunst ausmacht: Sie ist politisch, dabei aber nie dogmatisch. Sie nimmt die Dinge wie die Menschen mit Humor – und nicht ohne Melancholie.
Ein Brief und ein stiller Protest
Mit ihrer Mutter – der von den Nazis verfemten Malerin Tina Bauer-Pezellen – reiste sie vor dem Mauerbau nach Südfrankreich und brachte von diesem Sehnsuchtsort Erinnerungen mit. Aus Zeitungsartikeln, Fotos und Postkarten entstanden Collagen und Zeichnungen voll fantastischem Witz. Tiefernst wirkt daneben die Skizze einer ummauerten Menschenmenge – eine unverhohlene Kritik am „Antifaschistischen Schutzwall", gegen den sie e sie sich auch 1984 in einer Eingabe an den Präsidenten des Verbands Bildender Künstler, Willig Sitte wandte:
"Zur Zeit der Entstehung der Mauer habe ich ihre Existenz als vorübergehende Schutzmaßnahme aufgefaßt. Dennoch fand sie meine Anerkennung nicht. Nun, in meinem 45. Lebensjahr habe ich die Gewissheit gewonnen, dass die Mauer nicht als Hilfsmaßnahme, sondern als Dauerzustand gedacht ist. Die Eingrenzung eines ganzen Volkes auf Dauer ist Gewaltanwendung und führt zu Isolierung und Entmündigung desselben. Und zu entwürdigenden Maßnahmen."
Diese, hier von Annemirl Bauers Tochter Amrei vorgetragene Eingabe führte dazu, dass sie aus dem Künstlerverband ausgeschlossen wurde. Ins Blickfeld der Stasi war sie schon vorher geraten, weil sie sich für die Belange oppositioneller Freunde einsetzte. Etwa von Bärbel Bohley, die sie in dem Gemälde „Eingeschlossene" bedrückend portraitiert hat. Ein stiller Protest, der an anderer Stelle durchaus drastischer ausfallen konnte – etwa als sie die geplante Einführung des Wehrdienstes auch für Frauen ins Visier nahm.
Nochmals Ulrike Kremeier
"Vor diesem Hintergrund ist eine ganze Reihe von Bildern entstanden, die Wehrweiber zum Beispiel. Das ist eine Schranktür, die auf zwei Seiten bemalt ist. Auf der einen Seite ihre Projektion was mit dem weiblichen Körper passiert, wenn sie zum Militär eingezogen werden. Das werden ganz hässiche männliche Figuren, obendrein gibt es noch eine dreidimensionale Geschichte darin – sie hat die Werkstücke die ihre Tochter zum Abschluss ihrer Schlosserlehre gemacht hat in das Bild rein montiert."
Mal naturalistisch, mal naiv oder karikaturenhaft anmutende Portraits
Tropfende Zapfhähne symbolisieren hier als „Auslaufmodell" die den Wehrweibern gewachsenen männlichen Geschlechtsteile. Weit davon entfernt bloß politische Statements zu illustrieren, betrieb Annemirl Bauer so ein immer wieder spannendes Spiel mit medialen Möglichkeiten und kunsthistorischen Einflüssen. Ihre Kunst ist eine facettenreiche Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Gegebenheiten – und auch Ausdruck persönlicher Befindlichkeiten.
"Wenn man jetzt sagt, das sind feministische Bilder oder das ist ein politisches Thema oder da hat sie Mutter Kind gemalt wie Marienbilder, so Ikonenhaft. Aber alles zusammen ist das immer alles wie ein faden, der alles durchmischt. Es ist nie ein Thema losgelöst, sondern so aus ihren eigenen Befindlichkeiten entstanden. Also Mutter, allein erziehend, ihre gesunden Gedanken mit der Natur – da hat sich alles miteinander verbunden, da war nichts getrennt – , das ist alles aus ihr herausgeflossen".
So gehört in Annemirl Bauers Werk alles zusammen: mal naturalistisch, mal naiv oder karikaturenhaft anmutende Portraits, die dynamisch expressiven Städtebilder, die fantastischen Landschaften. Bissige Kommentare, völlig losgelöste Motive. Etwa das weiße Pferd, das am Ende der Ausstellung zu sehen ist, wie es hoch am Himmel über sanften grünen Hügeln galoppiert – Hügel, die sich beim genaueren Hinsehen als kurvenreicher Körper einer träumenden Frau entpuppen. Ein passendes Bild für den Titel dieser Schau: „Ich möchte kein gefangener Vogel im Käfig sein" – so hat es Annemirl Bauer einst formuliert. Diese Malerin gegen Strukturen, die sich stark gemacht hat für die Freiheit des Reisens, des Denkens, der Kunst - 1989 ist sie mit nur 50 Jahren noch vor dem Fall der Mauer gestorben. Gut 26 Jahre später ist diese Ausstellung jetzt eine sehr sehenswerte Erinnerung – ja für viele sicher auch die Entdeckung einer spannenden Künstlerin.
Mehr zum Thema