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Beziehungen USA-Kuba
Ein historischer Moment mit unklarem Ausblick

Mehr als 50 Jahre sind seit der kubanischen Revolution vergangen, mehr als 50 Jahre wurde die sozialistische Insel von den USA boykottiert. Doch seit Ende vergangenen Jahres nähern sich Kuba und die USA an. Jetzt wollen die Präsidenten erstmals miteinander sprechen. Wohin die Beziehungen steuern, ist aber noch nicht klar.

Von Markus Plate | 11.04.2015
    Kubanische Flaggen bei einer Demonstration in Havanna, der Hauptstadt Kubas
    Kubanische Flaggen bei einer Demonstration in Havanna, der Hauptstadt Kubas (dpa / Alejandro Ernesto)
    Als US-Präsident Barack Obama und Kubas Staatschef Raúl Castro nach 50 Jahren Konfrontation am 17. Dezember vergangenen Jahres einen ernsthaften Anlauf zur Normalisierung der Beziehungen ihrer beiden Länder verkündeten, waren die Reaktionen überschwänglich: Ein historischer Moment sei das. Doch über Motive und Auswirkungen gehen die Einschätzungen weit auseinander. Stellvertretend Günther Maihold und Alicia Puyana: Beide sind ausgewiesene Lateinamerika-Experten, beide lehren an nur einen Steinwurf entfernten Instituten in Mexiko-Stadt, er ist Deutscher, sie Kolumbianerin.
    (Günther Maihold) "Es ist sicher ein historischer Schritt, es ist auch ein auf Kuba als solcher wahrgenommener historischer Schritt. Nicht zuletzt ist nach der Kritik die von Fidel Castro öffentlich an seinem Bruder Raul Castro öffentlich formuliert wurde, auch erkennbar, dass dies eine Dimension ist, die durchaus dazu angetan sein könnte, dass Raúl Castro mal in der Geschichtsschreibung über seinen Bruder hinauswachsen könnte als einer, der dann letztlich doch verstanden hat, was die Zeichen der Zeit waren."
    (Alicia Puyana) "Für mich ist die Annäherung vor allem deswegen historisch, weil Obama hat damit eingeräumt hat, dass die Politik der Konfrontation der letzten 50 Jahre komplett gescheitert ist. Es ist vielleicht so wichtig wie das Eingeständnis des militärischen Scheiterns beim Rückzug aus Vietnam. Ein solcher Schritt erfordert sehr viel Courage. Aber natürlich haben Teile der US-Wirtschaft ihren Teil dazu beigetragen. Die Argumentation: Kuba ist ein Markt vor unserer Haustür, vor allem Europa ist uns dort meilenweit voraus, und zumindest im Tourismus sind die Filetstücke schon weg."
    Nun gibt es noch vor Kurzem unvorstellbare Fortschritte: Reiseerleichterungen, Aufhebung einiger Handelsbeschränkungen, bilaterale Gespräche über Flugverbindungen oder Telekommunikation. US-Politiker und Unternehmer reden auf Foren in New York und Havanna über Geschäftsperspektiven. Und auf Kuba sind erste Auswirkungen der Annäherung spürbar. Agustin Plasencia betreibt in der Altstadt von Havanna ein familiäres Tourismusunternehmen. Das Geschäft läuft seit Beginn der Annäherung gut, auch wenn es nach wie vor große Probleme gibt:
    "Der Tourismus hat schon merklich angezogen, nicht nur aus den USA. Aber nach wie vor gibt es viele Probleme. Der Zugang Kubas zu Devisen und Krediten ist begrenzt, was Investitionen sehr erschwert. Das Embargo macht dringend benötigte Einfuhren schwierig und sehr teuer. All das behindert die Geschäfte. Und natürlich gibt es nach wie vor sehr viel Bürokratie auf Kuba auch wenn in den letzten zehn Jahren da einiges getan hat."
    Der Annäherungsprozess, er birgt für Kuba auch Risiken: Schon seit den 90er-Jahren gibt es in Kuba zunehmend dramatische Einkommensunterschiede. Zwischen denjenigen, die Zugang zu Dollars haben, über den Tourismus oder Verwandte im Ausland und denjenigen, die mit der Landeswährung leben müssen, Ärzte, Lehrer, Arbeiter. Wird die Annäherung diese Entwicklung noch verschärfen? Und was bedeutet sie für den Machtanspruch der kommunistischen Partei Kubas?
    "Dieser Prozess wird eine Fülle von Dynamiken auslösen, wo wir heute noch gar nicht wissen, welche Effekte damit verbunden sind. Man kann sich Migrationswellen vorstellen, man kann sich eine Dynamisierung im Bereich des Tourismus vorstellen, der zu einer vollständigen Neuaufstellung der Gesellschaft Kubas führt. Also ich glaube, das hat viel Potenzial in die eine oder die andere Richtung. Und die Illusion, man könne diesen Prozess von oben kontrollieren, der dürfte nur noch eine geringe Zahl der Funktionäre angehören. Raúl Castro hat gesagt, er will bis 2018 regieren. Damit ist das alte Regime am Ende seines Zyklus angekommen."
    Nach Maihold könnte die neue US-Strategie zum von Washington nach wie vor propagierten Regime-Change auf Kuba führen. Alicia Puyana hält hingegen auch eine Stabilisierung der kommunistischen Führungsrolle für wahrscheinlich: "Viele kritisieren das Tempo von Öffnung und Reformen als viel zu langsam. Aber was ist denn die Alternative? Will man einen radikalen Wandel und danach eine gesellschaftliche Implosion wie in Russland? Oder will man politische Stabilität und wirtschaftliches Wachstum wie in China? Ich sehe Kuba eher auf dem chinesischen Weg: Die kommunistische Partei Kubas will Regie über den wirtschaftlichen Wandel führen. Und man will einige soziale Errungenschaften erhalten, die ja durchaus bedeutsam sind."
    Auf dem Amerikagipfel diese Woche in Panama werden Barack Obama und Raúl Castro wohl erstmals an einem Tisch sitzen. Viele hoffen auf weitere Gesten: Wird Kuba von der Liste der terrorunterstützenden Staaten gestrichen? Wann gibt es diplomatische Vertretungen? Alicia Puyana erwartet zunächst eine Normalisierung der inneramerikanischen Beziehungen: "Kuba wird wohl in die Organisation Amerikanischer Staaten aufgenommen, der Ausschluss vor 53 Jahren ist jetzt nicht mehr zu halten. An eine konfrontative Rolle Kubas glaube ich nicht! Seit vielen Jahren ist Kuba auf internationalem Parkett sehr zurückhaltend, weil man auf dem Weg einer Normalisierung der Beziehungen zu den USA vorankommen wollte. Für die Beziehungen der amerikanischen Staaten untereinander könnte das Ende der Blockade-Politik entspannend wirken. Das Verhältnis linksnationalistischer Regierungen wie Venezuela, Bolivien oder Ecuador zu den USA ist seit jeher konfrontativ. Und ein Faktor für diese Konfrontation war immer die Blockade."