Annäherung an das Reich der Mitte

07.12.2007
Das China-Buch von Basil Pao geht weit über einen klassischen Bildband hinaus. Der Fotograf nimmt seine Lebensgeschichte als Ausgangspunkt - herausgekommen ist ein persönliches und allgemein gültiges Buch über das Riesenreich. Der Bildband ist eine lohnende Einladung, sich China genauer anzusehen.
Eine junge Reiserführerin im kurz geschlitzten Minirock auf der Großen Mauer einige Seiten weiter eine Nonne, die eine Yak-Kuh melkt, Bilder aus dem China des 21. Jahrhunderts.

Das frühkindliche Bild des chinesischen Fotografen Basil Pao, geboren 1953 in Hongkong, von der Volksrepublik China wurde geprägt durch Erzählungen seiner Verwandten und Comics. Dann im Alter von neun Jahren hatte er eine schicksalhafte Begegnung. Sein Onkel, der ein bekannter Volleyballspieler auf dem Festland war und als sehr vermögend und als Frauenheld galt, konnte 1962 am Ende des "großen Sprung nach vorne" zusammen mit 50.000 Landsleuten nach Hongkong ausreisen oder besser gesagt fliehen.

Basil Pao erlebte statt eines Helden einen völlig gebrochenen Mann, der ihm Angst einflösste, die ihn in Zukunft mit dem Gedanken an China begleiten sollte. Nach einer bewegten Pubertät mit Leitbildern aus Europa und den USA durfte er mit 18 Jahren zur Schulausbildung zu seinem Bruder nach England, die nächste Station waren die USA. Basil Pao lebte seinen "American Dream" auf Kosten seiner kulturellen Wurzeln.

Doch 1980 kehrte er seiner Karriere in L. A. den Rücken und ging zurück nach Hongkong. Er begann sich für chinesische Kultur, Geschichte und Wirtschaft zu interessieren und lernte Mandarin. Mit Fotos während des Films "Der letzte Kaiser" von Bertolucci in Peking begann seine Karriere als Fotograf. Doch das Massaker von Tiananmen-Platz 1989 ließ ihn in ohnmächtiger Wut zurück mit dem Versprechen, nie wieder nach China zu gehen. Nicht zuletzt die Aussage des Dalai Lama, "es sei falsch seine Heimat zu leugnen", führte schließlich dazu, dass sich Basil Pao noch einmal seinen chinesischen Wurzeln stellte, indem er China quer durch alle Provinzen für ein Jahr bereiste und fotografierte.

Das Ergebnis liegt jetzt in dem Bildband China - unterwegs in allen Provinzen vor. Doch das Buch geht weit über einen klassischen Bildband hinaus. Nicht nur, dass der Fotograf seine Lebensgeschichte zum Ausgangspunkt des Buches nimmt, um damit dem Betrachter seinen Standpunkt klar zu machen, sondern in den Texten zu den Bildern beschreibt er sowohl seine Reise als auch immer wieder Erinnerungen aus seinem Leben.

Basil Pao hat durch seine eigene Distanz zu China einen ähnlichen Blickwinkel wie seine Leser. Trotzdem ist seine Annäherung an diese Land spürbar. Neben den persönlichen Erzählungen und den wunderbaren Fotos zeichnet sich der Bildband durch sehr übersichtliche Informationen zu den einzelnen Provinzen aus, die die Gliederung des Buches vorgeben. Die Bilder reichen von Landschaftsaufnahmen über Fotos bekannter Kulturgüter bis hin zur rasanten Entwicklung des modernen heutigen Chinas. Doch am faszinierendsten an diesem Bildband sind die Aufnahmen von Menschen. Seien es Porträts oder Fotos von alltäglichen Tätigkeiten, immer hat der Betrachter das Gefühl, dass die Fotografierten ihm wohlwollend zugewandt sind. Fotos, die den Eindruck des unnahbaren Fremden verstärken und die in vielen Bildbänden über China zu finden sind, fehlen hier völlig.

Ob dies dem ausgezeichneten Auge des Fotografen, dem veränderten sich Zeitgeist in China oder doch der inneren Nähe von Basil Pao zu seinen chinesischen Landsleuten anzurechnen ist, bleibt dahin gestellt. Auf jeden Fall ist dieser Bildband eine lohnende Einladung sich das heutige China genauer anzusehen – das Land, auf das im nächsten Jahr die ganze Welt schauen wird.


Rezensiert von Birgit Koß

Basil Pao: China - unterwegs in allen Provinzen
Übersetzt von Christel Klink
Frederking & Thaler, 384 Seiten mit 380 Farbfotos, 50 Euro