Ann-Christine Woehrl: "Witches in Exile"

Moderne Hexenverfolgung

11:18 Minuten
Eine schwarze Frau vor einem dunklen Hintergrund, sie sieht sehr dünn und erschöpft aus. Ihre bunte Bluse ist zu groß. Ein Bild aus dem Fotobuch "Witches in Exile" von Ann-Christine Woehrl. Kehrer Verlag, 2021.
Verfolgung und Ausschluss aus der Gemeinschaft: In Ghana glauben noch 80 Prozent der Bevölkerung an Hexen © Kehrer Verlag / Ann-Christine Woehrl
Ann-Christine Woehrl im Gespräch mit Andrea Gerk · 10.08.2021
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Bei Hexenverfolgung denken viele an das Mittelalter. Doch dieser Glaube hält sich in vielen Teilen der Welt noch immer und hat gerade für Frauen schwere Konsequenzen. Ein neuer Fotoband dokumentiert Schicksale aus Ghana.
Jedes Jahr am 10. August erinnert der internationale Tag des Hexenwahns daran, dass in früheren Jahrhunderten zahllose Menschen gefoltert und auf Scheiterhaufen verbrannt wurden. Doch auch heute werden Frauen und auch Männer als Hexen oder Zauberer verfolgt, vor allem in Lateinamerika, Südostasien oder in Afrika.

Vor schwarzem Hintergrund

In Ghana hat die Fotografin Ann-Christine Woehrl über einen langen Zeitraum Frauen besucht und porträtiert, die aus ihren Gemeinschaften verstoßen worden sind und sich in sogenannte Hexendörfer zurückgezogen haben. Dabei ist das Buch "Witches in Exile" entstanden, das einen ganz besonderen Porträtstil hat: Alle Frauen wurden vor einem schwarzen Hintergrund fotografiert, auf dem ihre bunte Kleidung besonders intensiv leuchtet.
Die Idee dahinter sei, einerseits das kollektive Stigma einer Gesellschaft abzubilden, die die Frauen ausgeschieden hat, andererseits ihnen ihre Identität und Individualität stückchenweise zurückzugeben. Doch auch die Lebenssituation in den "Hexendörfern" habe eine große Rolle gespielt, so Woehrl:
"Die intensiven Farben sind dem geschuldet, dass ich oft auch erst abends kurz vor Sonnenuntergang fotografieren konnte, wenn sie von ihrer Feldarbeit zurückkamen. So entstand diese ganz natürliche Licht, das diese Intensität erst schaffen konnte."

Künstlerischer Aktivismus

Jedes Porträt wird dabei von einem kurzen Text begleitet, auf dem der Name der Frauen steht und weshalb sie aus ihren Dörfern verstoßen wurden. Das zeigt auch, wie wenig es bedarf, um jemanden als Hexe zu brandmarken. Oft reiche ein Traum ohne Belege, um jemanden zu denunzieren. Die Gründe sind meist, dass man sich so seiner Frau entledigen wolle.
Doch es sei schwierig, dieses Phänomen zu unterbinden, so Wöhrl. Denn der Glaube sei tief in der Kultur verankert. 80 Prozent der ghanaischen Bevölkerung glaube an Hexen. Gleichzeitig sei vielen Städtern trotzdem nicht bewusst, dass dieser Glaube bis heute gerade auf dem Land im nördlichen Teil Ghanas zu aktiver Verfolgung von Menschen führe. Deshalb sieht Woehrl das Buch auch als künstlerischen Aktivismus, um auf das Problem aufmerksam zu machen.
(hte)

Ann-Christine Woehrl: "Witches in Exile"
Texte: Anja Pinter-Rawe, Maakor Quarmyne, Rania Odaymat, Ann-Christine Woehrl und Brigitte Woischnik
Kehrer Verlag, Heidelberg 2021
104 Seiten, 45 Euro

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