Anitra Eggler

"Ich therapiere Kommunikations-Opfer"

Die Autorin Anitra Eggler
Die Autorin Anitra Eggler © Foto: Andreas Jakwerth
Moderation: Mathias Hanselmann · 14.06.2016
"Mit Facebook aufs Klo und dort den ersten Scheiß posten" - so umschreibt Digitaltherapeutin Anitra Eggler das Verhalten zahlreicher Online-Süchtiger. Im Kampf gegen das Dogma der ständigen Erreichbarkeit setzt sie auf E-Mail-Öffnungszeiten.
Jetzt reist die gelernte Journalistin durch Europa und hält Vorträge für bessere Netz-Nutzung, schreibt Bücher und macht Digitaltherapie, wie sie es nennt.
"Ich therapiere Kommunikationsopfer. Ich versuche, Menschen zu therapieren, bevor sie zum Smartphone-Zombie werden, also zu sozial untoten Menschen, die ihr Handy mit einem lebenswichtigen Körperteil verwechseln oder ihr Berufsleben als E-Mail-Server fristen und sich von E-Mails durchs tägliche Arbeitshamsterrad treiben lassen."
Auf amüsante Art und Weise warnt die 43-Jährige vor der Übernahme des eigenen Lebens durch das Internet und wettert gegen die ewige Einsatzbereitschaft.

Ich habe dich auch lieb, Bussi, Bussi, Bussi

"Man geht mit dem Handy ins Bett, sagt nochmal per Whats App zum hundertsten Mal mit dem siebzigtausendsten Bussi-Smiley 'Gute Nacht, ja, ich habe dich auch lieb, Bussi, Bussi, Bussi', irgendwann fallen ja auch die Augen zu. Man wacht mitten in der Nacht auf, man muss zum Handy greifen, natürlich nur um zu gucken, wieviel Uhr es ist, dabei könnte man rausgucken, um festzustellen, es ist Nacht!
Es geht dann weiter, dann, wenn man gerade nachts darauf guckt, denkt man sich 'Oh, fuck, da ist eine E-Mail, oder eine Whats App heutzutage, oh, das ist Stress', und dann fängt man mitten in der Nacht an, womöglich zu antworten. Macht jeder zweiter Handynutzer. Dann morgens wachst du auf, neues Ritual: Erst checken, dann strecken, und dann erst auf Whats App, dann aufs Klo und dann mit Facebook aufs Klo und dort den ersten Scheiß posten! So beginnt’s."

Feldzug gegen Dominanz der Bildschirme

In einer Lebenszeitstudie las Anitra Eggler, dass man, wenn man 75 Jahre alt wird, davon acht Jahre im Internet verbringt und nur zwei Wochen mit Küssen. Sie fing an, ihr eigenes Netzverhalten zu ändern. Die Autorin des Buches "Mail halten – digitale Selbstverteidigung für Arbeitshelden und Alltagskrieger" beginnt ihren Feldzug gegen die Dominanz der Bildschirme, der ewigen Erreichbarkeit und der zeitfressenden Netzaktivitäten.
"Ich mache nur noch montags, dienstags und mittwochs E-Mails, immer um circa 15 Uhr. Was das Handy betrifft, denke ich, ist es ganz wichtig, dass man da wieder lernt, abzuschalten, dass man nicht ständig erreichbar ist, auch im Privatleben. Ich glaube zum Beispiel so was wie Gruppenchats auf Whats App sind der absolute Killer. Wenn man sich vor so was schützen will, wäre mein Tipp, alles abzuschalten, was dir am Handy sagt, da ist was Neues."
Mehr zum Thema