Freitag, 19. April 2024

Archiv

Vor 350 Jahren in Paris: die erste Kunstausstellung der Welt
Die Geburt der Kunstkritik aus dem Geist des Absolutismus

Im Frankreich Ludwig des XIV. wurden auch die Bildenden Künste in den Dienst des absolutistischen Monarchen gestellt. Mit Kunstausstellungen diktierte die Königliche Akademie für Malerei und Bildhauerei feste Regeln für den offiziellen höfischen Geschmack. Am 9. April 1667 fand die erste dieser Schauen statt. Daraus entwickelten sich im 19. Jahrhundert die einflussreichen Pariser Salons.

Von Björn Stüben | 09.04.2017
    Ein Gobelin von König Ludwig XIV., auf dem Bedienstete zu sehen sind, die sich um die Silbermöbel in Schloss Versailles kümmern.
    Ein Gobelin von König Ludwig XIV. der junger Monarch war darauf bedacht , sein Interesse an der Kunst zu dokumentieren (dpa / picture alliance / Maxppp Dider Saulnier)
    Nach dem Tod Kardinal Mazarins, der für den minderjährigen Ludwig XIV. die Regierungsgeschäfte geführt hatte, trat der junge Monarch im März 1661 vor seine Berater und verkündete:"Messieurs, ich habe Sie hier zusammenkommen lassen, um Ihnen mitzuteilen, dass ich von nun an mein Land allein zu regieren beabsichtige."
    Tatkräftig unterstützt wurde er von Jean-Baptiste Colbert, Staatsminister für Bauwesen und Finanzen, aber auch für Kunst und Wissenschaften. Bereits 1648 war nach italienischem Vorbild die Académie royale de peinture et de sculpture, die königliche Akademie für Malerei und Bildhauerei in Paris gegründet worden. Zu herausragender Bedeutung gelangte sie jedoch erst unter Colbert. Am 9. April 1667 veranstaltete die Akademie ihre erste öffentliche Kunstausstellung, zu der Höflinge und der Hochadel eingeladen waren. Christian Michel, Professor für Kunstgeschichte in Lausanne:
    " Die Ausstellung fand im Hof des Palais Brion statt. Heute steht hier der Bau der Comédie Française. Ein Zeitgenosse hat uns überliefert, dass wohl mehrere hundert Besucher die von den Akademiemitgliedern ausgestellten Werke begutachtet hätten. Bilder begabter Maler wurden gezeigt, um an ihnen den Kunstgeschmack zu schulen. Vor allem aber sollte die Schau wohl verdeutlichen, dass der junge Ludwig XIV. auch an Kunst interessiert war."
    Auch wenn über diese erste Ausstellung der Akademie wenig bekannt ist, so gilt zumindest als sicher, dass Colbert persönlich anwesend war. Er empfahl, regelmäßige Schauen auszurichten und ließ somit erkennen, welche Bedeutung er der französischen Kunstproduktion künftig beimaß.
    Dazu Christian Michel: Natürlich sollte diese Kunstpolitik auch den jungen Monarchen feiern, aber die eigentliche Intention war eine andere. Frankreich wollte unter Beweis stellen, dass es sich im Bereich der Bildenden Künste auf Augenhöhe mit den Nachbarmonarchien in Europa sah"
    Zur Förderung einheimischer Produkte des Kunstgewerbes hatte Colbert bereits staatliche Manufakturbetriebe eingerichtet, zu denen die noch heute existierende Gobelin-Manufaktur gehört. Nun galt es, auch die französische Malerei aus den Niederungen der "mechanischen" in den Rang der "freien" Künste emporzuheben.
    Ein Selbstporträt Gustave Courbets mit dem Titel "Le Fou de peur"
    Er wurde früh zum namhaften Kritiker des Kunstdiktats der Akademie : Gustave Courbet, hier im Selbstporträt "Le Fou de peur" (Nasjonalmuseet for kunst, arkitektur og design, Oslo)

    "Vor der Gründung der Akademie", so Christian Michel, "bestimmte die Malergilde die Kunstproduktion. Ausstellungen fanden nicht statt. Vielmehr ging es nur darum, dem Berufsstand einen Rahmen zu geben, die Preise für die Werke festzulegen und die Konkurrenz zu kontrollieren. Colbert initiierte Diskussionen innerhalb der Akademie, bei denen allgemein gültige Regeln aufgestellt werden sollten wie Malerei auszusehen habe ."
    Diese Diskussionen und Vorträge, bei denen Meisterwerke der königlichen Sammlungen analytisch auf Stil, Komposition und Farbgebung hin betrachtet wurden, sind als conférences in die Geschichte der Kunsttheorie eingegangen. Im Vorwort zu den erstmals 1668 publizierten "Konferenzen" umreißt der Kunsttheoretiker André Félibien das Ideal der von der Akademie propagierten Malerei: "Man muss Historien und Fabeln behandeln, man muss die großen Taten wie die Geschichtsschreiber darstellen. Einen großen Maler nennt man, wer gut in vergleichbaren Unternehmungen handelt. In ihnen bestehen Kraft, Adel und Größe dieser Kunst."
    Der Begriff der Pariser Salons war geboren
    Das Ideal der Historienmalerei sollte noch lange die akademische Kunst bestimmen. Wollte ein Maler seinen Lebensunterhalt mit seiner Kunst bestreiten, dann hatte er sich nach diesen Vorgaben zu richten. Seit 1737 fanden die Akademie-Ausstellungen regelmäßig im Salon Carré des Louvre statt. Der Begriff der Pariser Salons, der im 19. Jahrhundert zum Mittelpunkt des Kunstbetriebes werden sollte, war damit geboren. Nach der Französischen Revolution wurde die königliche Akademie in Académie des beaux-arts umbenannt und an ihren Salons konnten fortan auch Nicht-Mitglieder teilnehmen. Die Kritik am Kunstdiktat der Akademie wurde aber allmählich lauter, so mahnte etwa der Maler Gustave Courbet 1860 an: "Ich halte die Künstler eines bestimmten Jahrhunderts für völlig außerstande, die Dinge eines vergangenen Jahrhunderts zu schildern, mit anderen Worten, die Vergangenheit zu malen. Die Historienmalerei ist zeitgenössisch."
    Das Monopol der Akademie, feste Kriterien für einen offiziellen Kunstgeschmack zu etablieren, war zwar bald gebrochen. Dennoch kann die erste öffentliche Kunstausstellung, die die königliche Akademie in Paris veranstaltete, als die Geburtsstunde der heutigen Kunstkritik gelten.