Angriffe auf die Presse

Journalisten werden zunehmend Opfer von Polizeigewalt

07:00 Minuten
Eine Person mit Helm, Schutzbrille und Kamera dokumentiert in New York eine Demonstration gegen Polizeigewalt
Nach Angaben der Organisation „US Press Freedom Tracker“ hat die Gewalt gegen Journalisten in den letzten Jahren in den USA zugenommen. © imago images/ZUMA Wir/Dan Herrick
Von Thomas Reintjes · 06.06.2020
Audio herunterladen
In Minneapolis beschießt die Polizei ein TV-Team, ein CNN-Moderator wird während einer Livesendung abgeführt. Seit Jahren sind in den USA auch Journalisten von Polizeigewalt bedroht. Mit den aktuellen Protesten ist die Pressefreiheit noch mehr bedroht.
Stefan Simons, freier Korrespondent der Deutschen Welle, zurzeit in Minneapolis:
"Wir haben aufgebaut für einen Liveshot und ich bin zu einem Lieutenant der Nationalgarde gegangen, der mit zwei Humvees da die Straße abgesperrt hatte und hab den höflich gefragt, ob wir da aufbauen können. Der hat dann gesagt, kein Problem, macht mal. Und dann hat der zehn Minuten später seine Jungs in den Humvee gesteckt und dann sind die abgefahren.

Zunahme von Presseeinschränkungen

Das hat dann entblößt eine Polizeikette, 150, 200 Meter die Straße runter. Die hatten uns schon vorhergesehen, die Polizei. Und dann tut's einen, ja nicht einen Schlag, aber wenn's so – zisch – am Ohr vorbei saust. Da hat nicht viel gefehlt. Das war reine Willkür, reine Einschüchterungsmaßnahme."
Am nächsten Abend gerät Simons wieder mit der Polizei aneinander, die ihm erst mit Tränengas, dann mit Verhaftung droht. Dass so etwas landesweit passiert ist, nicht nur in einer Stadt, dass es nicht nur ein Polizist war, sondern Polizisten im ganzen Land, findet Kirstin McCudden bemerkenswert.
Sie ist Redakteurin des US Press Freedom Trackers, wo sie seit 2017 Einschränkungen der Pressefreiheit in den USA dokumentiert. Zuvor hat sie 100 bis 150 Fälle pro Jahr verzeichnet. Aber allein in den vergangenen drei Tagen seien es mehr als 200 gewesen, sagte sie am Mittwoch.

Polizisten betrachten Handeln als gerechtfertigt

Polizisten nehmen den Protest persönlich und betrachten deshalb ihr Handeln als gerechtfertigt, glaubt Emily Mooney, Justizexpertin beim Think Tank "R Street". Polizisten sehen sich nicht als Derek Chauvin oder die drei anderen Polizisten, die an dem Tod von George Floyd beteiligt waren.

Dies könne zu einem noch aggressiverem Umgang mit Journalisten führen, befürchtet Emily Money. Aus Sicht der Polizisten würden sie alle von den Medien über einen Kamm geschoren, wegen der Taten von einigen wenigen. Dass es ein systemisches Problem gibt, sehen sie nicht, glaubt Emily Mooney, die sich selbst als konservativ bezeichnet.

"Die Polizei wurde militarisiert"

Carlos Martinez de la Serna vom Committee to Protect Journalists, einer Organisation, die sich weltweit für Journalisten einsetzt, ist darüber besorgt, in den USA Vorfälle zu sehen, die er eher in Venezuela oder Nicaragua erwarten würde. Eine Ursache: Die Aufrüstung der Polizei.
"Über die vergangenen Jahre wurde die Polizei militarisiert. Das führt zu einer gewalttätigeren Herangehensweise bei Demonstrationen, und das beeinflusst anscheinend auch, wie Journalisten behandelt werden, die von Protesten berichten."
Gleichzeitig habe die Regierung Journalismus kriminalisiert und die Pressefreiheit untergraben.
Wirklich schrecklich findet Emily Mooney, wie staatliche Akteure die Pressefreiheit missachten, eines der Fundamente der Demokratie. Kirstin McCudden sieht die USA am Scheideweg.
"Wenn die Proteste vorbei sind und wir auf diesen Moment zurückblicken, wird sich entscheiden, ob wir hinsichtlich der Pressefreiheit sagen, das ging zu weit, ob es zu einem Wandel kommt und die Pressefreiheit hochgehalten wird oder ob es normalisiert wird. Das wird sich zu diesem Zeitpunkt entscheiden."
Mehr zum Thema