Angriff der gigantischen Musik-Mutanten

Von Florian Fuchs · 28.06.2013
Zum 200. Geburtstag der beiden Komponisten und im Rahmen der Münchner Opernfestspiele bespielte "La Fura dels Baus" die Innenstadt. Es traten an: Wagner, das Hirn gegen Verdi, das Herz. Dazu gab's Bollywoodtänzer, viel Pyrotechnik und kitischige Klänge.
Jetzt ist auch das geschafft! Lange war einem doch leicht bange vor dem angekündigten Spektakel "Wagner gegen Verdi", das die Bayerische Staatsoper anlässlich ihrer Opernfestspiele den Jubilaren widmen wollte. Würde das Wetter halten? Es hielt. Würde alles ohne Unfall funktionieren? Es funktionierte. Wieder einmal hat die katalanische Theatergruppe La Fura dels Baus zugeschlagen.

Zunächst prozessieren zwei Riesenpuppen mit erheblicher Entourage aus Fura-Personal und immerhin teilweise enthusiasmiertem Publikum von zwei belebten Münchner Plätzen zum Nationaltheater. Verdi trägt einen Zylinder, Wagner wird durch eine barettförmige Kopfbedeckung einigermaßen erkennbar. Diverse lokale Blaskapellen und sogar ein Polizeiorchester begleiten ihren Weg mit einer Mischung aus einschlägigen Zitaten der Meister sowie mittelmäßig modernen, schrägen Klängen. Für beides - Collage wie Neutönerei - war Moritz Eggert zuständig.

Irgendwann erreichen die Komponistenpuppen samt ihren Musikern den Max-Joseph-Platz und dort spielt sich nun ein ganz besonderer Wettstreit ab. Wer ist der Bessere? Für Wagner hat man sich ein Hirnsymbol ausgedacht, Verdis Zeichen ist das Herz. So simpel ist die Sache, das Publikum heftet sich entsprechende Anstecker ans Revers. Währenddessen sorgt La Fura für ein buntes Spektakel mit Bollywoodtänzern, Klettermaxen, einer Menge Pyrotechnik und viel Krawall.

Manches ist witizg, anderes banal und redundant
Parallel spielen die durch Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters verstärkten Musiker erneut eine Melange aus Wagner, Verdi, Eggert. Mal überlappen und verschränken sich die Ebenen recht schön, dann wieder treffen Herz und Hirn ziemlich abrupt aufeinander. Manches ist wirklich witzig, anderes arg banal und redundant. Vor allem Eggerts eigene Komposition wirkt über weite Strecken leider ein wenig unterkomplex. Der Wagnerfan mag sich an Zitatklängen erfreuen, zu denen ein feuriges Ross durch den Münchner Opernhimmel reitet, Kenner der Mythologie erregen sich möglicherweise über die Muse Euterpe, welche sich tatsächlich vom Portal des Nationaltheaters kunstvoll abseilt.

Recht amüsant sind auch Stefan Hunstein und Wolfgang Pregler, die beiden Schauspieler liefern sich als Verdi und Wagner schöne Wortduelle. Doch was ist mit dem Ganzen gewonnen? Oder besser: Wer hat gewonnen? Sicher vor allem Intendant Nikolaus Bachler, das Spielzeitmotto lautet ja Vox Populi. An dieser Stelle sei an den unvergessenen Franz Josef Strauß und sein Diktum Vox Populi, Vox Rindvieh erinnert (dass Strauß den Satz auch nur geklaut hat, geschenkt). Das Publikum jedenfalls labte sich eifrig am Bilderreigen und Musikfeuerwerk. Zum Finale erleben die Puppenprotagonisten dann eine Art Organtransplantation, Herz und Hirn werden zusammen geführt, Eggert kredenzt dafür eine triefende Kitschsoße.

Der Kritiker hatte übrigens durchaus seine Freude an alledem. Er stand etwas abseits auf einer Terrasse, in der Hand ein Glas exzellenten Weißwein. Milde ließ er seinen Blick über die Trümmer europäischer Theaterkunst und ehemaliger Avantgarde schweifen.
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