Angela Richter: "Darknet"

Die schlechtesten Kalauer über das Internet

Die Illustration spielt mit Verschlüsselung, Adressen des Tor-Netzwerks ("Darknet") und Spam-Mails. Der Hintergrund ist der Quellcode einer Email.
Verschlüsselung im Darknet © picture-alliance / dpa / Maximilian Schönherr
Von Stefan Keim · 29.04.2016
Die dunklen, unkontrollierbaren Seiten des Internets sind das Thema von Angela Richters Bühnenstück am Schauspiel Köln: "Silk Road" ist zwar gut recherchiert – doch leider die meiste Zeit schrecklich albern.
Kritische Theaterabende über Chancen und Risiken des Internets sind die Spezialität der Regisseurin Angela Richter. Nach dem multimedialen Projekt "Supernerds" hat sie sich nun am Schauspiel Köln mit dem Darknet beschäftigt, den unkontrollierbaren Seiten des Internets. Der Titel "Silk Road" spielt auf die Seidenstraße an, den historischen Handelsweg zwischen Asien und Europa. Heute laufen die Geschäfte über das Darknet.
Erst waren sie zwei Hunde. Dann gehen sie aufrecht und stellen sich als FBI-Experten für Cyberkriminalität vor. Beide heißen Uwe. Sie scheinen einen Wettbewerb auszutragen, wer die schlechtesten Wortwitze über die Onlinewelt reißen kann. Sie suchen Mäuse und Webeseiten in diesem interkontinentalen Netz. Mit miesen Comedy-Nummern beginnt das Stück "Silk Road". Ein Ausflug auf die tote Seite des Darknet. Es geht auch so weiter.

Die Regisseurin schreckt vor keiner Albernheit zurück

Die Schauspieler präsentieren eine Menge Informationen, was sich unkontrollierbar in den dunklen Sphären des Internets tut. Drogenhandel, Kinderpornographie, es gibt sogar Angebote von Profikillern. Aber die Fakten rauschen vorbei, weil alles verwitzelt wird mit imitierten Dialekten und seltsamen Kostümen. Angela Richter schreckt vor keiner Albernheit zurück. Als hätte sie ein Publikum aus schwer erziehbaren Zuschauern vor sich, die mit Blödelei bei Laune gehalten werden müssten.

Grausame Bilder

Dann kommt doch noch eine packende Szene. Die Schauspielerin Judith Rosmair sitzt in einer Tasche. Eine Maske verunstaltet ihr Gesicht, sie trägt eine blonde Perücke. Sie spielt Lolita, eine kindliche Sexsklavin. Mit leichter Stimme erzählt sie, wie sie als Achtjährige aus dem Waisenhaus verschleppt und verstümmelt wurde, damit sie im Darknet verkauft werden kann. Halb blind und ohne Zähne, damit sie ihren Besitzer beim Blowjob nicht beißen kann. Heftige Bilder spielen sich im Kopf ab, auch wenn ein Schauspieler erklärt, das sei Fiktion. Aber sogar diese Perversion scheint möglich, Kinderpornographie gibt es schließlich.

Videobotschaft von Edward Snowden

Das Darknet hat aber auch eine andere Seite. Journalisten und Aktivisten nutzen es, auch Oppositionelle in Diktaturen. Enthüllungen wie die Panama Papers wären ohne das Darknet kaum möglich gewesen. Angela Richter hat sich in Moskau mit dem Whistleblower Edward Snowden getroffen und lässt ihn via Toneinspielung das Darknet erklären. Allerdings auf Englisch ohne Übersetzung und nicht immer leicht zu verstehen. Auf einem Zettel im Programmheft können die Besucher Snowdens Äußerungen nachlesen.
Die Bühnenbildnerin Katrin Brack hat eine großartige Lichtkunst-Installation aus roten Glühbirnen entworfen. Aber inhaltlich schwankt die Aufführung zwischen platter Comedy, strukturlosem Gefasel, Informationsfülle und wenigen starken Momenten. Angela Richter kann starke Themen setzen und recherchieren. Als Theatermacherin allerdings wirkt sie hilflos und konfus.
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