Salzburger Festspiele

Künstlichkeit und Kunstfiguren

Eine Bühnenszene aus "Don Juan kommt aus dem Krieg" bei den Salzburger Festspielen.
Eine Bühnenszene aus "Don Juan kommt aus dem Krieg" bei den Salzburger Festspielen. © picture alliance / dpa / Barbara Gindl
Von Hartmut Krug · 17.08.2014
Die Darsteller zappeln und auch die Zuschauer werden unruhig: Andreas Kriegenburgs Inszenierung von "Don Juan kommt aus dem Krieg" bei den Salzburger Festspielen bietet ein Theater der oberflächlichen Einfälle.
Ödön von Horváths 1936 entstandenes schwieriges Stück "Don Juan kommt aus dem Krieg" zeigt einen traumatisiert aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrenden ehemaligen Weiberheld auf der Suche nach einem neuen Lebenssinn, der sein einstiges Weiberheld-Dasein nicht wieder aufnehmen will und meint, sich in der Liebe zu einer Frau zu finden, die er einst betrogen und verlassen hat und nun sucht.
Dass die Frauen sich ihm weiterhin aufdrängen, obwohl er sich nicht bemüht, nimmt er einfach so hin. Zugleich sieht er in jeder Frau, die ihm begegnet, etwas von dieser einstigen Liebe - bis er schließlich erfährt, dass diese Frau längst gestorben ist.
Das späte Stück von Horváth wird eher selten gespielt. Zuletzt versuchte sich Luc Bondy im vergangenen Winter mit Samuel Finzi in der Titelrolle mit mäßigem Erfolg am Berliner Ensemble daran. Er nahm die langen Erklärungen aus Horváths Vorspruch zum Stücktext sehr ernst und versuchte, unter dessen Denk- und Theaterfiguren Menschen in Entwicklung zu entdecken. Andreas Kriegenburg belässt es dagegen in Salzburg bei Künstlichkeit und Kunstfiguren.
Ein müder und antriebsloser Don Juan
Der Abend beginnt damit, dass neun Frauen ganz in Schwarz in langer Reihe an der Rampe stehen und den weißen Vorhang vor der riesigen Bühne auf der Perner-Insel in Hallein in ihre Hände nehmen. Während sie vom Soldatenleben singen, stellen sie sich mit ihm (im Trommelrhythmus eines Soldaten mit Gasmaske) zu immer neuen Bewegungsarrangements auf.
Dann verteilen sie sich auf der Bühne, klettern auf Holzleitern und bedienen sich aus einem Himmel voller Zettel. Es sind wohl Soldatenbriefe, und was sie aus ihnen vorlesen, vereint sich zu einem unverständlichen Chor der Wörter. Dabei rennt der Soldat, jetzt mit Gewehr und hinter sich eine kleine Gaswolke herziehend, um die Spielfläche. Bei Kriegslärm wirft er sich zu Boden, bis er, seines Kriegsgeräts entledigt, zwischen einige der neun weißgeschminkten Darstellerinnen tritt, die alle 35 Frauen des Stücks spielen.
Nun erst beginnt die erste Szene von Horváth, in der er auf Soubretten eines Fronttheaters trifft. Max Simonischeck als ein müder und eher antriebsloser Don Juan, über offenem Hemd die Hosenträger zu Uniformhose und Stiefeln, bewegt sich, oder besser, steht sich als Don Juan durch die 110 bunten Minuten von Andreas Kriegenburgs Inszenierung, die bestimmt ist von effektvollen Beeindruckungsbildern. Doch unter ihnen werden nicht nur die Sprache und Stille von Horváths Stück, sondern auch deren Hauptfigur völlig begraben. Denn Simonischecks Don Juan hat gegen Kriegenburgs weißgeschminkte, kraftvolle Frauenschar von Kunstfiguren keine Chance. Auch nicht gegen den kunsthandwerklichen Einfallsreichtum seines Regisseurs, der seinen entwicklungslosen Don Juan wie einen Traumwandler vor den Frauen stehen lässt, die sich ihm unter musikalischer Grundierung mit vollem gestisch-mimischen Körpereinsatz an den Hals werfen.
Bewegte Reihe schwarzer Hühner
Da wird getanzt, gezappelt und überdreht kabarettistisch ausgestellt. Wenn Don Juan endlich einmal reagiert, weil ihn eine Frau mit ihrer Liebe allzu sehr bedrängt, dann fängt Simonischeck gleich so heftig wie hilflos an zu brüllen.
Andreas Kriegenburg bietet ein Theater der eher veräußerlichenden Einfälle. Während bei Horváth "Weiber... Schlange vor einem leeren Lebensmittelgeschäft" stehen, sieht man bei Kriegenburg die Frauen als eine bewegte Reihe schwarzer Hühner.
Die junge Tochter einer Zimmerwirtin von Don Juan tanzt unentwegt mit gerafften Röcken und zeigt ihre Beine, weil sie Tänzerin werden will, und auch die ältere, politisch engagierte, ist ein Klischee. Sie trägt eine Brille, marschiert auf der Stelle, bekommt ein Arbeiterlied eingespielt und eine rote Fahne vorgeschwenkt, fällt aber vor Don Juan auf den Rücken - während die Szene in der Opernloge bei einer "Don-Juan-Aufführung von Mozart zu einer Playback-Parodie mit Witzfiguren überdreht wird.
Schön immerhin, wenn auch recht plakativ, wie dann die lesbische Frau gezeigt wird, die sich bei Horváth in Don Juan verliebt. Eine Seite ihres Kostüms besteht aus einem weißen Kleid überm Stöckelschuh, die andere aus einem Jackett überm Männerschuh. Wenn die Frau redet, dreht sie sich dauernd und kommt in Identitätsschwierigkeiten.
Überflüssige kabarettistische Effekte
Was im Einzelfall unterhaltsam sein könnte, verdrängt leider insgesamt jeden deutlichen Versuch einer Antwort auf die Frage, was der Kriegsheimkehrer wirklich versucht, um wieder irgendwo anzukommen Die zappelnde Expressivität im Spiel der weißgeschminkten Frauen und die ausgestellte Fülle von oft inhaltlich überflüssigen kabarettistischen Effekten ermüden.
Selbst wenn sich Don Juan am Grab der von ihm einst verlassenen und als Idealbild wieder gesuchten Frau im Schnee niederlässt, nutzt das der Regisseur zu einem großen Effekt: Die Darstellerinnen wuchten Eisblöcke auf die Bühne und zerhacken sie rund um den ausgezogen zusammengekrümmten Mann, der sich zum Sterben hingelegt hat.
Genaueres aber haben wir bis dahin weder über ihn noch über die vielen Frauen erfahren. Weder von Horváth in seinem Vorwort noch von Kriegenburg in seiner Inszenierung. Das während der Aufführung merklich unruhig werdende Publikum spendierte dennoch, wenn auch ohne Euphorie, freundlich Beifall.
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