Anetta Kahane

Unbeirrbares Engagement gegen rechten Hass

Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, kämpft gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus
Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, kämpft gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. © dpa / picture alliance / Horst Galuschka
Moderation: Klaus Pokatzky · 06.06.2016
Anetta Kahane ist eine starke Frau, kämpferisch, streitbar und unbeirrbar. Seit vielen Jahren engagiert sie sich mit leidenschaftlichem Kampfgeist gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Wir fragen sie: Was tun gegen den wachsenden Rechtsnationalismus?
Kahane meint, dieser Satz sei die Geburtslüge der DDR gewesen: "Hier leben keine Nazis, sie sind alle im Westen."
Da die Tochter jüdischer Intellektueller ihre Kindheit in Indien und Brasilien verlebte, hat sie von Anfang an ein feines Gefühl für die fremdenfeindliche Alltagskultur in der DDR. Sehr zum Ärger ihrer Eltern stellt sie 1986 einen Ausreiseantrag:
"Das war, glaube ich, der ausschlaggebende Punkt dann zu sagen 'So und jetzt ist Schluss, jetzt stelle ich einen Ausreiseantrag', dass die DDR sozusagen genuin unfähig war, mit dem Problem Rechtsextremismus fertig zu werden. Dass nicht nur der Rassismus ein Teil dieser Gesellschaft war, sondern dass sie überhaupt nicht in der Lage war, mit den Neonazis umzugehen. (…) Das war ein Systemfehler deshalb, weil das Gegenteil von Faschismus eben nicht Antifaschismus ist, sondern das Gegenteil von Faschismus ist eine vielfältige, demokratische, lebendige Gesellschaft - anders kriegt man so was nicht weg. Das kriegt man nur weg, wenn man offen diskutieren kann und sich auseinandersetzen kann und deswegen ging das nicht."
Nach der politischen Wende in der DDR übernimmt sie als erste und zugleich letzte Funktionsträgerin das Amt der Ausländerbeauftragten des Magistrats von Ost-Berlin. Als Ende der 90er Jahre die Fremdenfeindlichkeit und der Rechtsextremismus in Ostdeutschland weiter eskalieren, gründet sie zusammen mit anderen die Amadeu Antonio Stiftung, deren Vorsitzende sie bis zum heutigen Tag ist:
"Na ja, eigentlich was ich will, ist, dass sich die Kultur, die demokratische Kultur in dem Land verbessert - in Deutschland sowohl im Osten als auch im Westen. Und wir haben sie damals gegründet, weil es keine richtigen Instrumente gab, um mit dem Rechtsextremismus im Osten fertig zu werden, und da waren zu wenig engagierte Leute unterwegs, oder wenn es sie gab, dann waren die sehr isoliert oder ängstlich. Und deswegen haben wir die Stiftung gegründet, um die ein bisschen zu unterstützen, und jetzt ist die Stiftung schon so eine Art Projekt und Denkfabrik für wichtige Themen, die demokratische Kultur entwickeln sollen, zum Bespiel auch im Internet."
Seit fast 20 Jahren versteht sich die Stiftung als eine Art Denkfabrik zur Verbesserung der demokratischen Kultur.

Offensiver Umgang mit Tätigkeit als IM der Stasi

2002 erfährt eine breite Öffentlichkeit, dass Anetta Kahane von 1974 bis 1982 als Inoffizielle Mitarbeiterin der Stasi gearbeitet hat. Dieser Umstand treibe ihr nicht nur bis heute die Schamesröte ins Gesicht; rechte Gruppierungen nutzen ihre IM-Verpflichtung auch, um sie bis zum heutigen Tag anzugreifen. Kahane blieb nur die Flucht nach vorn: 2004 berichtete sie in ihrem autobiografischen Buch "Ich sehe was, was du nicht siehst - Meine deutschen Geschichten" ausführlich auch über ihre Stasi-Tätigkeit. Zudem beauftragte sie den Politikwissenschaftler Helmut Müller-Enbergs ein Gutachten über Art und Folgen ihrer IM-Zeit zu erstellen:
"Aber wir haben geguckt ganz genau zum Beispiel auch Leute, die ich genannt habe, deren Anwesenheit ich genannt habe, ob die dadurch irgendwelchen Schaden hatten. Das waren meistens Leute, die ohnehin im Visier der Stasi waren, also ich weiß nicht, die Brasch-Brüder beispielsweise, die waren bei der Party, habe ich denen auch gesagt, und das waren damals schon die großen Feinde Nummer eins, und dann habe ich gesagt, die waren auch da. (…) Aber haben sie deswegen noch mehr Schaden erlebt, als sie es ohnehin hatten? Das kann ich mit nein antworten. Auch andere Leute, die irgendwie auftauchten in den Akten, Namen die auftauchten. Wir haben alles gescheckt, wir haben versucht, zu finden ob daraus irgendwelche Vorgänge gemacht wurden von der Stasi, die irgendwelche operativen Vorgänge daraus gemacht haben. Wir haben einfach nichts gefunden."
Das Gutachten kann jeder Interessierte auf der Homepage der Amadeu Antonio Stiftung einsehen. Dieser offene Umgang mit ihrer Vergangenheit findet Kahane angemessen, an Rücktritt von ihrem Amt als Vorsitzende denkt sie nicht.
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