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Untersuchungsausschuss
"Zeugen haben die Version Edathys bestätigt"

Im Fall Edathy stünde Aussage gegen Aussage, sagte die Ausschussvorsitzende Eva Högl im DLF. Nachdem sich Michael Hartmann (SPD) auf das Auskunftsverweigerungsrecht berufen habe und Sebastian Edathy (SPD) Hartmann weiter belaste, müsse die Berliner Staatsanwaltschaft die Vernehmungsprotokolle auf uneidliche Falschaussagen prüfen.

Eva Högl im Gespräch mit Sandra Schulz | 06.02.2015
    Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl.
    Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl (imago/Reiner Zensen)
    Die Vorsitzende des Aussschusses bestätigte jedoch, dass eine Reihe von Zeugen die Version Edathys bestätigt habe, dass Hartmann ihm im Vorfeld der Untersuchungen einen Tipp gegeben haben soll. Trotz der Aussageverweigerung Hartmanns, werde der Untersuchungsausschuss jetzt mit seinem "Programm weitermachen", sagte sie. Dazu gehöre, weitere Zeugen zu laden.
    Oppermann wird vor Ausschuss geladen
    Dazu gehöre auch Thomas Oppermann (SPD), dem vom Edathy-Anwalt vorgeworfen wird, mehrere Genossen in den Fall eingeweiht zu haben. Oppermann hingegen hatte bisher erklärt, dass es nur einen ganz engen Kreis gegeben habe, der von dem Fall gewusst habe. Edathys Anwalt sprach von "wahnsinnig vielen Leuten". Oppermann hätte die Informationen gestreut.
    Högl: SPD-Parteispitze nicht informiert
    Högl unterstrich, dass es "niemand gibt, der bestätigt, dass irgendjemand die Informationen gestreut habe". Sie ergänzte, dass auch Edathy selbst Personen informiert habe. So könne möglicherweise der Eindruck entstanden sein, dass viele Menschen über den Fall informiert waren. Auf die Frage, ob die Parteispitze gewarnt worden sei, sagte sie: "Dafür haben wir keine Belege." Ob gegen Thomas Oppermann ein Verfahren wegen Strafvereitelung in Frage komme, müsse die Staatsanwaltschaft prüfen.
    Der Vorwurf der Grünen-Abgeordneten Irene Mihalic, sie würde den Eindruck erwecken, Dinge unter den Tisch zu kehren, und müsse vom Vorsitz des Untersuchungsausschusses zurücktreten, wies Högl zurück.
    Sebastian Edathy hatte im Februar 2014 sein Bundestagsmandat niedergelegt, nachdem bekanntgeworden war, dass gegen ihn wegen des Erwerbs von Kinderpornografie ermittelt wurde. Auch der damalige Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich trat im Zuge der Affäre am 14.02.2014 von seinem Amt zurück, nachdem öffentlich wurde, dass er den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel noch als Innenminister über laufende Ermittlungen in dem Fall informiert hatte. Zwei Staatsanwaltschaften prüften die Einleitung von Ermittlungen wegen Verrats von Dienstgeheimnissen gegen Friedrich.

    Lesen Sie hier das vollständige Interview mit Eva Högl:
    Sandra Schulz: Wer hat den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy gewarnt vor möglichen Ermittlungen wegen des Besitzes kinderpornografischen Materials? Wer wusste davon und wie tief ist die SPD-Spitze verstrickt? Um diese Fragen dreht sich die weitere politische Aufarbeitung des Falles Edathy. Sebastian Edathy will die Informationen vom SPD-Abgeordneten Michael Hartmann haben, was der aber bestreitet. Zuletzt hatte es einen Zwischenerfolg für Edathy gegeben. Wichtige Zeugen im Untersuchungsausschuss hatten seine Version gestützt. Darum sollte gestern sein Kontrahent Michael Hartmann noch einmal befragt werden. Der hat aber die Aussage verweigert.
    Vor einer guten Stunde habe ich darüber mit der Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses gesprochen, mit der SPD-Abgeordneten Eva Högl, und als erstes habe ich sie gefragt, wen Hartmann mit seinem Schweigen schützt.
    Eva Högl: Michael Hartmann hat sich gestern für uns alle überraschend auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Das war für uns im Untersuchungsausschuss natürlich ärgerlich, aber das müssen wir akzeptieren und damit bleiben seine bisherigen Aussagen bestehen. Wir haben dann die Situation, dass es Aussage gegen Aussage ist, und deswegen habe ich gestern dem Untersuchungsausschuss folgendes vorgeschlagen:
    Wir haben die Vernehmungen der Zeugen Sebastian Edathy, Michael Hartmann und werden das auch machen bei den Zeugen, die wir am 29. Januar gehört haben, abgeschlossen. Dann können wir diese Protokolle nämlich endgültig erstellen und wir werden diese Protokolle der Aussagen der Staatsanwaltschaft Berlin übermitteln mit der Bitte zu prüfen, ob sie Anhaltspunkte hat für uneidliche Falschaussage im Untersuchungsausschuss. Ich weiß nicht, ob wir die Wahrheit rausbekommen, aber wir versuchen es.
    Aussage steht gegen Aussage
    Schulz: Sebastian Edathy kann sich inzwischen auf zahlreiche Zeugenaussagen stützen, die seine Interpretation stützen. Jetzt schweigt Michael Hartmann. Wieso ist er aus Ihrer Sicht immer noch glaubwürdiger?
    Högl: Es ist so, dass Aussage gegen Aussage steht. Wir haben in der Tat eine Reihe von Zeugen, die die Version von Sebastian Edathy bestätigt haben, die bestätigt haben, dass er einen Informanten gehabt haben muss, Zeugen, die ausgesagt haben, dass Michael Hartmann dieser Informant war. Die Zeugen haben aber auch Teile der Version von Sebastian Edathy nicht bestätigt, zum Beispiel, dass er fortlaufend informiert wurde oder dass die Quelle Ziercke war. Wir werden das genau prüfen, wir werden das gegeneinander legen, und dadurch, dass Michael Hartmann jetzt schweigt, können wir natürlich ihm die Zeugenaussagen leider nicht mehr vorhalten, so wie wir es eigentlich vorgehabt hatten.
    Schulz: Sie haben gestern ja noch gesagt, es gebe drängende Fragen an Michael Hartmann. Jetzt schweigt er. Wie interpretieren Sie das?
    Högl: Man darf aus dem Recht auf Auskunftsverweigerung keine Bestätigung einer bestimmten Aussage ableiten. Das ist uns untersagt. Deswegen steht jetzt seine bisherige Aussage im Raum und die müssen wir natürlich kontrastieren mit den anderen Zeugenaussagen.
    Schulz: Aber Sie waren im Dezember ja auch recht schnell mit Ihrer Festlegung. Wir haben es noch mal rausgesucht, was Sie gesagt haben, als Hartmann und Edathy ausgesagt haben im Dezember.
    O-Ton Eva Högl: „Die Aussagen von Michael Hartmann heute hier vor dem Untersuchungsausschuss haben meine Zweifel an der Darstellung von Sebastian Edathy noch verstärkt. Sebastian Edathy konnte keinerlei Belege dafür liefern, dass seine Darstellung richtig ist."
    Schulz: Diese Belege gibt es ja jetzt. Michael Hartmann schweigt weiter. Haben Sie sich da nicht zu früh festgelegt?
    Högl: Das war im Dezember. Da hatten wir zwei Aussagen, nämlich von Sebastian Edathy und von Michael Hartmann. Wir haben jetzt weitere Zeugenaussagen und ich kann immer nur beurteilen, je nachdem was die Zeugen ausgesagt haben. Ich habe es ja eben gesagt: Jetzt haben wir eine Reihe von Zeugen, die die Version von Edathy bestätigen, und natürlich deutet das dann darauf hin, dass diese Version wahrscheinlicher ist. Deswegen habe ich es ja auch ganz deutlich gesagt, wir haben drängende Fragen an Michael Hartmann, und habe mich da ja auch klar positioniert.
    Schulz: Aber warum hatten Sie sich denn schon festgelegt darauf, dass die Version von Edathy weniger plausibel war?
    Högl: Weil das zum damaligen Zeitpunkt natürlich das Ergebnis der Zeugenvernehmung war. Ich kann ja immer direkt nach dem Untersuchungsausschuss nur kommentieren, was die Zeugen ausgesagt haben. Und ich habe es ja auch anders kommentiert, als wir jetzt die anderen Zeugenaussagen hatten.
    Högl: Bin glaubwürdige Ausschuss-Vorsitzende
    Schulz: Gleichzeitig war es natürlich auch Strategie der SPD-Spitze, Sebastian Edathy als möglichst unglaubwürdig hinzustellen. Eine objektive Ausschussvorsitzende sind Sie aber trotzdem?
    Högl: Selbstverständlich. Die Ausschusssitzungen finden öffentlich statt. Die Bürgerinnen und Bürger und auch die Vertreterinnen und Vertreter der Medien können sich davon ein Bild machen. Und ich habe, glaube ich, durch meine bisherige Arbeit jetzt bewiesen – und das werden die Kolleginnen und Kollegen auch bestätigen -, dass ich den Ausschuss gut führe. Wir machen das gemeinsam im Untersuchungsausschuss, wir haben eine gute Stimmung, wir arbeiten konzentriert und wir sind alle getragen von dem Aufklärungswillen. Und glauben Sie mir bitte: Ich nehme das besonders ernst als Ausschussvorsitzende, weil ich natürlich auch weiß, dass ich unter besonderer Beobachtung stehe.
    Schulz: Da gibt es aber auch ganz andere Stimmen aus dem Ausschuss. Die Grünen-Abgeordnete Mihalic sagt, Sie müssten jetzt aufhören, den Eindruck zu erwecken, alles unter den Teppich zu kehren.
    Högl: Ich habe noch nie, zu keinem einzigen Zeitpunkt den Eindruck erweckt, ich würde irgendwas unter den Tisch kehren.
    Schulz: Das sieht Irene Mihalic anders.
    Högl: Ja das ist doch logisch. Frau Mihalic ist von den Grünen, die Grünen wollten diesen Untersuchungsausschuss, Frau Mihalic muss das natürlich so sehen. Das ist doch völlig klar. Ich meine, wie langweilig wäre das, wenn Frau Mihalic jetzt sagen würde, die SPD macht alles richtig.
    Oppermann wird als Zeuge gehört
    Schulz: Wie eng wird es denn jetzt für Thomas Oppermann?
    Högl: Wir werden Thomas Oppermann als Zeugen hören. Wir machen jetzt mit unserem Programm weiter und hatten verabredet, dass wir erst möglichst viele Zeugen hören, um dann diese Zeugenaussagen auch Thomas Oppermann und den anderen vorhalten zu können. Deswegen hören wir irgendwann in den nächsten Wochen und Monaten auch Thomas Oppermann und die anderen Zeugen. Das machen wir wie geplant und auch das haben wir im Untersuchungsausschuss so miteinander besprochen.
    Schulz: Oppermann hat erklärt, es habe nur einen ganz engen Kreis gegeben, der die Vorwürfe gegen Sebastian Edathy kenne, Gabriel, Steinmeier und Lambrecht. Jetzt hat es gestern die Aussage gegeben von dem Anwalt von Edathy, es hätten wahnsinnig viele Leute gewusst. Wie passt das zusammen?
    Högl: Wir wissen bisher nicht von wahnsinnig vielen Leuten, aber natürlich hat Sebastian Edathy uns auch weitere Personen genannt, die er darüber informiert hat, die es nicht von anderen hatten, nämlich seine beiden Büroleiter, die früheren, sein persönlicher Freund, eine ehemalige Landtagsabgeordnete, außerdem noch ein Kollege aus dem Deutschen Bundestag, eine weitere Kollegin. Sebastian Edathy hat selbst Personen informiert und so kommt natürlich auch der Eindruck auf, es hätten viele Leute gewusst. Wie viele es genau gewusst haben, weiß ich nicht.
    Keine Beleg für Informationsstreuung
    Schulz: Wenn Oppermann diese Informationen gestreut haben sollte – und so, wie gesagt, war ja gestern die Aussage von Edathys Anwalt -, kommt auf ihn dann auch ein Verfahren wegen Strafvereitelung zu?
    Högl: Zunächst einmal gibt es niemanden, der ernsthaft belegt, dass irgendjemand diese Informationen gestreut hat. Wir wissen bisher nur, dass Sebastian Edathy es weitererzählt hat.
    Zweitens ist es so, dass nicht mal Sebastian Edathy sagt, dass Thomas Oppermann es weitererzählt hat, oder dass er ihn gewarnt hat. Und ob ein Verfahren wegen Strafvereitelung in Betracht kommt, das prüft nicht der Untersuchungsausschuss, sondern die Staatsanwaltschaft nach den jeweiligen Aussagen im Untersuchungsausschuss.
    Schulz: Gehen Sie denn im Moment davon aus, dass es Warnungen gegeben hat aus der SPD-Parteispitze an Edathys Adresse?
    Högl: Dafür, dass es Warnungen aus der Parteispitze gibt, haben wir keinen Beleg und das sagt nicht mal Sebastian Edathy selbst. Sebastian Edathy selbst habe ich alle Namen der Parteispitze abgefragt und er hat jeweils verneint, von diesen Personen gewarnt worden zu sein, sondern er sagt, Michael Hartmann habe ihn gewarnt, und die Quelle von Michael Hartmann sei Jörg Ziercke [Anm. d. Redaktion: Hatte das Amt des Präsidenten des deutschen Bundeskriminalamts inne] gewesen.
    Schulz: Wenn wir jetzt noch mal auf Michael Hartmann kommen? Sie haben gestern ja gesagt, die Frage nach einem Rücktritt stelle sich nicht. Warum eigentlich nicht?
    Högl: Weil wir natürlich diese Frage gestellt bekommen haben vor der Aussage von Michael Hartmann und bevor er erklärt hat, dass er sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht beruft. Und da habe ich gesagt, bevor wir einen Zeugen hören, stellen sich solche Fragen nicht. Erstens! Dann brauche ich ihn ja gar nicht mehr zu hören.
    Schulz: Aber er will ja nicht gehört werden. Er will ja nichts sagen.
    Högl: Ja. Das wusste ich aber zu dem Zeitpunkt nicht, als schon von Mandatsverzicht oder Rücktritt und so weiter die Rede war.
    Schulz: Dann stellt sich die Frage jetzt?
    Högl: Nein, und zwar stellt sie sich deshalb nicht: Das muss Michael Hartmann selbst alles beantworten. Es ist nicht meine Aufgabe als Ausschussvorsitzende, jetzt Ratschläge zu erteilen, sondern aus der Aussage im Untersuchungsausschuss oder Nichtaussage, aus dem Verhalten müssen die Zeugen bitte selbst die jeweiligen Konsequenzen ziehen. Das muss nicht ich machen.
    Schulz: Eva Högl (SPD), Vorsitzende im Edathy-Untersuchungsausschuss und hier heute in den „Informationen am Morgen". Danke Ihnen.
    Högl: Ich danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.