Andreas Spechtl: "Thinking About Tomorrow, And How To Build It"

Der Sound von Teheran

Andreas Spechtl, Sänger von "Ja, Panik" - jetzt auch Solokünstler. Hat im Sommer 2015 sein erstes Solo-Album "Sleep" veröffentlicht.
Andreas Spechtl, Sänger von "Ja, Panik", nahm sein neues Solo-Album in Teheran auf. © dpa / Gabriele Summen
Andreas Spechtl im Gespräch mit Oliver Schwesig · 06.11.2017
Zwei Monate lebte Andreas Spechtl in Teheran und nahm dort sein neues Soloalbum auf. Die meisten Aufnahmen entstanden nicht im Tonstudio, sondern in den Wohnzimmern befreundeter Musiker – und auf Taxifahrten.
Schon der Konsum westlicher Musik kann in Teheran bestraft werden. Warum also reist ein Musiker ausgerechnet nach Teheran, um dort ein Album aufzunehmen? Andreas Spechtl ging es vor allem um einen Perspektivwechsel:
"Schon seit einem Jahr hatte ich die Idee, in einem der Länder, in denen sich die europäische Angst konzentriert zu fahren und dort auch länger zu leben (…) und im besten Fall etwas von dem Leben dort mitzubekommen."
Vor Ort lernte Andreas Spechtl die Unterground-Szene Teherans kennen: Musiker, die von der Regierung in die Illegalität gedrängt werden und deren Konzerte oftmals nur unter strenger Geheimhaltung stattfinden können.
Es sei interessant gewesen zu sehen, wie die Menschen, "die sich nicht mit diesem Regime abgeben, quasi unter der Oberfläche existieren und trotzdem ihr Leben führen", sagt Spechtl. "Es gibt eine wahnsinnig lebendige Szene."

Musik-Szene im Untergrund

Diese Szene sei durch einen starken Zusammenhalt geprägt – und das unabhängig von den musikalischen Sparten. Auf Prechtls neuen Album macht sich der orientalische Einfluss der Teheraner Musikszene deutlich bemerkbar. Bei gemeinsamen Sessions in den Wohnzimmern der Musiker habe er immer wieder orientalische Instrumente entdeckt.
Einzelne Sounds der Instrumente nahm Spechtl mit einem Recorder auf und arrangierte diese dann für sein Album neu. Dass so ein sehr instrumentelles Album mit nur wenigen Songtexten entstand, hat aber auch noch andere Gründe:
"Ich glaube, da kommt verschiedenes zusammen: Erstens, dass ich in gewisser Weise für eine große Zeit, in der ich dort war, (…) mit Sprachlosigkeit umgehen musste", sagt er. Dennoch sei es ein sehr poetisches Album geworden. "Für mich gibt es durchaus eine lyrische Ebene, die sich aber vielleicht nicht in einer gewissen Sprache widerspiegelt."
Neben orientalischen Instrumente tauchen auch Straßenaufnahmen, sogar Gesprächsfetzen in den Songs von Andreas Spechtl auf. Doch die politische Situation vor Ort zwang Spechtl auf Aufnahmen im öffentlichen Raum weitestgehend zu verzichten.
"Es gibt zwei Sachen, die sehr wichtig waren: Das eine waren private Räume, die anders und wichtiger sind als bei uns. Das funktioniert fast in einem foucaultschen Sinne wie so eine Heterotypie, wie kleine Enklaven, die in der Stadt eingepflanzt sind, und wo es quasi andere Gesetze gibt. Die Trennung von Privatem und Öffentlichen ist wahnsinnig krass. Und ich hab versucht, sehr viel in Wohnungen aufzunehmen."

Soundaufnahmen im Taxi

Auch im Taxi seien Aufnahmen entstanden:
"In einer Stadt wie Teheran verbringt man ganz viel Zeit in dem Taxi", sagt er. "Und da habe ich sehr viel aufgenommen. Sachen von draußen und einmal ein kleines Gespräch mit dem Taxifahrer."
Ein echter Vertrauensbeweis. Denn aufgrund der politischen Situation sei es nicht so einfach, im öffentlichen Raum mit einem Aufnahmegerät unterwegs zu sein, erzählt Spechtl. "Da sollte man irgendwie vorsichtig sein."
(mw)
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