Aus den Feuilletons

Auf Twitter heißt sie "@_A_K_K_"

Annegret Kramp-Karrenbauer
Annegret Kramp-Karrenbauer © picture alliance/dpa
Von Hans von Trotha · 10.12.2018
Annegret Kramp-Karrenbauer ist als neue CDU-Chefin auch in internationalen Medien präsent. Nicht immer gelingt da die Aussprache: Während sich englischsprachige Journalisten gerne mit Ännegreat begnügen, scheitern die japanischen an den vielen Rs.
Historische Ereignisse kann man auf ganz unterschiedliche Weise begehen.
Russland etwa feiert den hundertsten Geburtstag "des russischen Großschriftstellers Alexander Solschenizyn", wie Kerstin Holm ihn in der FAZ nennt. Sie berichtet auch von Anfeindungen, etwa von "der Seite 'antisolzhenitsyn' in den russischen sozialen Netzwerken", wo Solschenizyn "abwechselnd als Freund der sowjetischen Nomenklatura, der amerikanischen Geheimdienste oder der mit Hitler kollaborierenden Wlassow-Armee geschmäht" werde.
Historische Ereignisse neigen eben dazu, ganz schön komplex zu sein.

Ein Zungenbrecher an der CDU-Spitze

So auch jenes, an das Martin Schneider in der Süddeutschen erinnert:
"Als Annegret Kramp im Jahr 1984 den Bergbauingenieur Helmut Karrenbauer heiratete, konnte niemand ahnen, dass aus dieser Eheschließung einmal ein Thema von globaler Bedeutung resultieren würde. Neben der damals ziemlich progressiven Abmachung, dass derjenige Ehepartner den ganzen Tag arbeiten soll, der mehr verdient … erzeugte die Hochzeit auch einen Namen, der ein bisschen komplizierter auszusprechen ist als zum Beispiel Angela Merkel – erst recht für ausländische Journalisten. Wobei", so Schneider, "die englischsprachigen Kollegen gern Ännegreat sagen und japanische Sprecher den Kampf gegen die fünf Rs imMoment noch verlieren. … Ein weiteres Problem", so Schneider weiter, ist "die Länge des Namens". Bei Twitter, weiß die Süddeutsche, "heißt sie @_A_K_K_. Der Profil-Name @AnnegretKrampKarrenbauer hätte in den Anfangszeiten des Kurznachrichtendienstes einfach zu viele der 140 Zeichen verbraucht."

Menschen gegen Twitter-Automaten

A propos Twitter. Meike Laaff erfasst in der taz ein "Twitter-Grusel": "Social Bots sollen für jeden vierten Tweet zum UN-Migrationspakt verantwortlich sein." - Doch findet Laaff: "Dass ein Mensch auf Basis eines unbekannten Twitter-Accounts seine Meinung umkrempelt oder bildet", sei "Ausdruck viel tiefgreifenderer Probleme als der der Existenz von Twitter-Automaten."
Dabei breiten sich Software-Skills immer weiter aus, auch im realen Leben. In der Süddeutschen erklärt etwa Jan Füchtjohann die Proteste in Frankreich als "agile Revolution". "Der englische Begriff 'agile'", erklärt er, stammt "aus der Softwareentwicklung und beschreibt eine neue Art der Zusammenarbeit: Statt Produkte ausgiebig zu planen, … entwickelt man lieber schnell … einen extrem simplen Prototypen. Dieses noch unausgereifte Produkt wird direkt auf die Nutzer im Netz losgelassen. … Der Vorteil: radikal verkürzte Innovationszyklen. Der Nachteil: Die Ingenieure richten ihre Produkt-Pipeline quasi direkt auf die Welt, machen sie zum Experimentierfeld und ihre User zu Versuchskaninchen. Und wie das so ist bei Experimenten: Es geht auch mal was schief."

Merkel aus der Kurve getragen

Das musste auch Angela Merkel schon erfahren, für die es kurzzeitig sogar so aussah, als gelänge ihr doch kein richtig guter Abgang. Bei der Wahl des CDU-Fraktionsvorsitzenden etwa hat es sie aus der Kurve getragen. Und sie? Fährt einfach langsam weiter, bleibt irgendwo stehen und parkt so, dass man nur die unversehrte Seite sieht.
Dazu passt ein Internet-Trailer, auf den Bernd Graff in der Süddeutschen hinweist: "Ein Gänsehautvergnügen in 47 Sekunden", wie er schreibt, "noch dazu in körnigem Schwarz-Weiß – Drama pur. … Langsam", lesen wir, "öffnet sich die Blende auf eine ältliche Großstadtszene der Vorkriegszeit, ein eingeblendeter Schriftzug: ’Die Tochter eines Pastors und eines Lehrers' – Schwarz – 'Die Familie ging nach Ostdeutschland'– Schwarz – Bild eines massiven Holzklotzes, Schrift: 'Schon als Kind liebte sie Physik' – Schwarz – flirrende Moleküle, Schrift: 'Sie wurde Forscherin', Einblendung: Bilder vom Fall der Berliner Mauer, Schrift: 'Als Freiwillige trat sie damals einer Partei bei' – Schwarz – 'Der Rest ist Geschichte'. Dann: Treibende Drums."
Na ja, und wie gesagt: Der Rest ist Geschichte.
Es ist übrigens nicht der Trailer zu einem Film, sondern zu einer Rede, die Merkel im Mai in Harvard halten wird. "Allein", warnt Bernd Graff, "wer schon einmal eine (solche) Commencement Speech gehört hat, etwa die von Steve Jobs, 2005 in Stanford, der weiß, dass solche Reden oft stärker sind als alles, was der Trailer versprechen. Die Latte", findet Graff, "liegt da äußerst hoch."
Und so endet diese Feuilleton-Presseschau ausnahmsweise mit dem was man im Radio "Atmo" nennt: mit Spannung erzeugenden "treibenden Drums".
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