Amparo Sánchez: "La niña y el lobo“

Lieder über Jahre der Gewalt

06:09 Minuten
Die Sängerin Amparo Sánchez bei einem Auftritt in Barcelona im Mai 2017.
Zehn Jahre der Gewalt, der Tränen und der Demütigung: Lange hat Amparo Sánchez gelitten, bis sie eines Tages in ein neues Leben floh. © Getty Images / Redferns / Jordi Vidal
Von Carsten Beyer · 18.06.2020
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Die spanische Sängerin Amparo Sánchez schrieb in ihrer Autobiografie über ihre langjährige Liebe zu einem gewalttätigen Mann. In Spanien fand das Buch viel Beachtung. Auf ihrem neuen Album verarbeitet sie die Jahre der Gewalt musikalisch.
Amparo Sánchez ist eine Ikone des Feminismus: Stolz, kraftvoll und selbstbewusst wirkt sie auf der Bühne. Kaum zu glauben, dass diese Frau viele Jahre in freiwilliger Abhängigkeit von einem gewalttätigen Mann gelebt hat. Alejandro, so nennt sie ihn in ihrem Buch, war deutlich älter und Schlagzeuger in ihrer ersten Band.
Mit 14 zog sie seinetwegen von zu Hause aus, mit 15 wurde sie schwanger und mit 18 hat sie ihn geheiratet. Was folgte, waren zehn Jahre der Gewalt, der Tränen und der Demütigung. Lange hat sie gelitten, bis sie eines Tages allen Mut zusammennahm, ein paar Sachen einpackte und mit ihrem Sohn in ein neues Leben floh, weit weg von ihrem Peiniger.
In Barcelona wurde aus Amparo Sánchez ein Rockstar. Viele erfolgreiche Alben hat sie dort aufgenommen, sie ist mit ihrer Band Amparanoia mehrfach um die Welt getourt und hat dabei nicht ein einziges Mal zurückgeblickt – bis zu einer Zufallsbegegnung vor einigen Jahren.

"Wir können uns lösen von der Gewalt"

"Ich hatte nie daran gedacht, meine Geschichte aufzuschreiben", sagt sie. "Ich hatte das alles verdrängt, ich wollte mich nicht mehr identifizieren mit dieser jungen Frau, die so viel durchgemacht hat. Doch dann habe ich mit einer Freundin gesprochen, die in einem Frauenhaus arbeitet. Und da habe ich verstanden, dass es wichtig ist, solche Dinge nicht zu verschweigen. Ich habe dieses Buch geschrieben als Therapie für mich selbst, aber auch als Ermutigung für andere Frauen. Wir sind stärker, als wir glauben. Wir können uns lösen von der Gewalt. So, wie ich damals ein neues Leben gesucht habe für mich und meinen Sohn."
"La niña y el lobo", das autobiografische Tagebuch der Amparo Sánchez erschien 2014 und wurde in Spanien zu einem großen Erfolg. Immer wieder wurde Amparo Sánchez danach gefragt, ob sich ihre Geschichte auch auf ihre Musik ausgewirkt hat. Die Antwort gibt sie jetzt mit dem gleichnamigen Album.

Soundtrack ihres Lebens

Darauf lässt Sánchez jedoch nicht ihre eigenen Texte sprechen, stattdessen hat sie eine Art Soundtrack zusammengestellt - mit Liedern, die ihr bei ihrer Emanzipation geholfen haben.
"Die Lieder stammen von Musikern und Bands, die mich mein ganzes Leben begleitet haben", erzählt sie. "Das geht schon mit dem ersten Stück los – 'Adoro', das hat Chavela Vargas oft gesungen. Da geht es um die bedingungslose Liebe, die am Anfang einer Beziehung steht, auch wenn man vielleicht schon spürt, dass dieser Mensch nicht gut für einen ist. Und am Ende singe ich dann 'Gracias a la Vida' von Violeta Parra – einfach aus Dankbarkeit, dass ich trotz allem, was vorher war, zu dem Mensch geworden bin, der ich heute bin."

Gereifte, lebenskluge Sängerin

Der Sound, mit dem Amparo Sánchez ihre Erinnerungen begleitet, ist ein ungewohnt zarter, reduzierter: nur ihre Stimme und zwei Flamencogitarren. Das ist nicht der fröhliche Mestizo–Rock ihrer langjährigen Band Amparanoia. Das sind auch nicht die afrokubanischen Rhythmen ihrer letzten Soloplatten, die noch von Calexico–Sänger Joey Burns produziert wurden.
Auf "La niña y el lobo" präsentiert sich Amparo Sánchez als gereifte, lebenskluge Sängerin. Eine Frau, die viel durchgemacht hat und der man gut zuhören sollte.
"Ich habe eine Botschaft nicht nur für die Frauen, sondern auch für die Männer, denn im Grunde sitzen wir alle im selben Boot", sagt sie. "Deshalb habe ich diese Geschichte damals aufgeschrieben, die von Unterdrückung handelt, aber auch von der Befreiung. Wir alle müssen Druck ausüben auf unsere jeweiligen Regierungen, dass Frauen stärker respektiert werden und einen besseren Schutz genießen. Die Gewalt gegen Frauen muss aufhören, das ist ein Kampf, der die ganze Welt etwas angeht."
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