Amerikanische Raucher und französische Künstler

Rezensiert von Hans-Ulrich Pönack · 30.08.2006
Die amerikanische Komödie "Thank you for smoking" zeigt auf amüsante Weise die Absurditäten eines gesellschaftlichen Konflikts: Der Lobbyist der Tabakindustrie Nick Naylor (Aaron Eckhart) soll öffentlich Sympathien fürs Rauchen gewinnen. Die junge Jessica (Cécile de France) arbeitet in "Ein perfekter Platz" mitten im Pariser Künstler-Milieu als Kellnerin.
"Thank you for smoking"

USA 2006, Regie: Jason Reitman , Darsteller: Aaron Eckhart, Maria Bello, William H. Macy, Robert Duvall, Katie Holmes u.a., FSK: ab 12 Jahre

Jason Reitman ist der Sohn des Regisseurs Ivan Reitman, der mit komödiantischen wie phantasievoll- spannenden Genre-Filmen wie "Ghostbusters", "Staatsanwälte küsst man nicht", "Twins - Zwillinge" und "Dave" klasse Unterhaltung und großes Kino schuf, Erfolge feierte.

Der am 19. Oktober 1977 in Montreal geborene Jason arbeitete zunächst als Radio-Moderator, Kurz- und Werbefilmer und adaptierte für seinen Erstling den Roman "Danke, dass Sie hier rauchen!" von Christopher Buckley von 1994.Es ist eine Satire. Und dabei fällt auf, dass die in den letzten Jahren auf der Leinwand rar geworden sind. Gelungene, überzeugende gesellschaftsrelevante "Pikser-Späße" wie "The Player" von Robert Altman (1992) oder "To Die For" von Gus Van Sant (1995) bilden inzwischen die Ausnahme.

Umso erfreulicher ist es, hier wieder einmal einen sowohl blitzgescheiten als auch sehr unterhaltsamen neuen amerikanischen Film annoncieren zu können. Aktuelles Thema ist natürlich das Rauchen, beziehungsweise das Nichtrauchen. Jeweilige Befürworter wie Gegner duellieren sich gegenwärtig, sowohl in der Politik wie auch innerhalb der Gesellschaft, Bürger-Parteien.

Dabei schlägt sich Jason Reitman auf keine Seite. Vielmehr zielt er auf die Absurditäten eines gesellschaftlichen Konflikts, der derzeit weltweit mit harten verbalen Bandagen und vielen falschen Tönen geführt wird.

Dabei steht im Mittelpunkt der nicht unsympathische, selbstbewusste Lobbyist Nick Naylor ("Ich vertrete eine Organisation, die 1200 Menschen am Tag tötet"). Der geschiedene Vater eines aufgeweckten Sohnes bemüht sich erfolgreich, öffentlich Sympathiepunkte für die gescholtene Tabakindustrie einzuheimsen. Er baut in einer Talk-Show einen an Lungenkrebs erkrankten 15-jährigen Jungen pflichtbewusst wieder auf ("Es ist in unserem Interesse, dass dieser Junge am Leben bleibt und weiterraucht") und steht deshalb für die militanten Nichtraucher auf einer Feind-Stufe mit Babyrobbenmördern und Landminenerfindern.

Er selbst hingegen versteht sich als Verfechter der von der Verfassung garantierten persönlichen Freiheiten. Und das Verrückte hier ist: Auf herrlich durchtriebene, pointierte, teerschwarze Weise finden seine Ansichten auch bei uns im Kinosaal einige Zustimmung. In Zeiten politischer Überkorrektheit gelingt es dem Newcomer Jason Reitman tatsächlich, eine ebenso respektlose wie vortrefflich komische Satire lebendig zu halten und dabei ununterbrochen köstlich zu unterhalten.

Alle bekommen ihre cleveren hintergründigen Schmunzel-Hiebe ab, mit anderen Worten: Dieser Film funktioniert einfach blendend. Ironisches Leckerli mit viel Running-Gag-Potenzial: Die augenzwinkernde Entspanntheit von Nick bedeutet die Ab-und-Zu-Begegnung mit "Gleichgesinnten":

Wenn er seine "M.O.D."-Clique trifft. Zu den selbsternannten "Merchants of Death" (Händlern des Todes) gehören neben dem Tabaklobbyisten eine Sprecherin der Alkoholindustrie (Maria Bello) sowie ein Vertreter der Waffenhersteller (David Koechner). Beim Mittagessen vergleicht das muntere Trio gerne die von ihren Produkten verursachten jährlichen Todesfälle. Wobei natürlich derjenige gewinnt, der die meisten Leichen verbuchen kann. Tom-Cruise-Liebchen Katie Holmes spielt übrigens auch kurz als ehrgeizige, skrupellose Jung-Journalistin mit, fällt aber nicht besonders auf oder ab.

Darstellerischer Glanzpunkt aber ist Aaron Eckhart als Nick Naylor. Der gutaussehende Sunnyboy, bislang aufgefallen als Biker in "Erin Brockovich" oder als Reneé -Zellweger-Partner in "Nurse Betty", spielt angenehm aufgedreht und spielerisch lustvoll seinen Antihelden-Helden.

Timing, Sprache, Bewegung, Gedanken und Stimmung überzeugen: Ein wunderbarer Akteur. Wie überhaupt das Ensemble gut zusammengesetzt ist und schwung- wie stimmungsvoll loslegt: William H. Macy ("Fargo"; "The Cooler - Alles auf Liebe") will seine Karriere als Senator mit einer Kampagne für Totenköpfe auf Zigarettenschachteln ankurbeln. Im Kino, einst bekanntlich nur so bevölkert von glamourösen Kettenrauchern, qualmen nur noch "Psychopathen oder Europäer". Rob Lowe ("St. Elmos Fire") mimt eine aalglatten Hollywood-Agenten, der für prächtige%e durchaus opportunistisch gierig bereit ist, einen lukrativen Deal zwischen Hollywood und der Tabakindustrie einzufädeln; während "Oscar"-Preisträger Robert Duvall ("Open Range - Weites Land") glänzend cool einen ebenso alten wie verdorbenen Tobacco-Patriarchen vorführt.

Also: Die liebe, alte, verlogene PR-Branche oder Wie bringe ich am besten "Heiße Luft" an die Frau und den Mann oder Klasse-Kino für Kopf und Bauch! Ein wirklich vollends gelungener, begeisternder neuer Film.

"Ein perfekter Platz"

Frankreich 2005, Regie: Danièle Thompson, Darsteller: Cécile de France, Valérie Lemercier, Albert Dupontel, Sydney Pollack u.a., ohne Altersbeschränkung

Daniéle Thomson ist die Tochter eines berühmten französischen Film-Vaters, Gérard Oury, der auch bei uns mit seinen Louis-de-Funes- Scherzen wie "Scharfe Sachen für Monsieur" (1964), "Die dummen Streiche der Reichen (1971) oder "Die Abenteuer des Rabbi Jacob" (1973) ein Millionen-Publikum fand.

Der dritte Film seiner Tochter (der erste blieb bei uns unbekannt; Nr.2 hieß "Jet Lag - Oder wo die Liebe hinfliegt" mit Jean Reno und Juliette Binoche) erzählt auf angenehm sanfte, sympathische Art und Weise von einem kleinen Mikrokosmos in und an einer Prachtstraße von Paris: Der Avenue Montaigne (im 8. Arrondissement).

Hier gibt es innerhalb eines Radius von wenigen hundert Metern teure Edelboutiquen, das noble Hotel Plaza Athenée, ein ehrwürdiges Aktionshaus, ein beliebtes Theater ("Comédie des Champs Elysées") sowie einen der bedeutendsten Konzertsäle Frankreichs. Den "heimlichen Mittelpunkt" jedoch bildet eine Bar des Theaters auf der anderen Straßenseite.

Dort landet eines schönes Abends die aufgeweckte blonde Provinz-Pflanze Jessica, die das Credo ihrer Großmutter hierhin geführt hat: "Ich habe mein ganzes Leben lang den Luxus geliebt", hat ihr die alte Dame lebensweise mitgegeben, "und da ich mir den Luxus nicht leisten konnte, beschloss ich, bei ihm zu arbeiten".

Jessica wird zu einer Art "Moderatorin" verschiedenster Personen: Schauspieler, Kunstsammler, Pianisten, Regisseure, einen mürrischen Akademiker, eine patente Theater-Concierge. Neurotiker, Spinner, Geschäftemacher, Bilanzierer, Melancholiker..., der ganze charmante Reigen eben. Auf den Spuren der Glücks- wie Liebessucher, der Lebensträume(r), der Bewältigung von Lebenskrisen.

Sympathisch altmodisches Figuren- und Welttheater, mit lächelndem Atem, mit optischer Eleganz, einigem französischem Esprit, einer wunderbaren Musikalität sowie einer Prima-Ensemble-Atmosphäre. Mit viel Gefühl und Amüsement zusammengepuzzelt, erinnernd an die "hauchenden", sensiblen Klassiker eines Claude Sautet ("Die Dinge des Lebens; "Vincent, Francois, Paul und die Anderen"). Mit Cécile de France ("L´Auberge Espagnole - Barcelona für ein Jahr"), dem 69-jährigen Grandseigneur Claude Brasseur ("Eine einfache Geschichte"), "Oscar"-Preisträger Sydney Pollack (als Regisseur: "Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss"; "Tootsie"; "Jenseits von Afrika"; als Schauspieler: ""Eyes Wide Shut" von Stanley Kubrick) als verhuschter amerikanischer Impressario und der großen, alten Dame der französischen Bühne, des französischen Kinos Suzanne Flon (. "Die Brautjungfer"), die kurz nach den Dreharbeiten, am 15. Juni 2005, im Alter von 87 Jahren verstarb.

Eine schöne, melancholisch stimmungsvolle Menschen-Komödie, die in Frankreich im Vorjahr über zwei Millionen Franzosen verzauberte.