Amerikanische Handelskammer zeigt sich optimistisch

20.01.2009
Der Präsident der amerikanischen Handelskammer in Deutschland, Fred Irwin, rechnet bereits Mitte 2010 mit einem Ende der Wirtschaftskrise in den USA. Irwin sagte, es handele sich um eine globale Ausnahmesituation und eine Übergangszeit. "Es kann in den USA sehr viel schneller gehen als in vielen anderen Ländern, deshalb teile ich den Optimismus mit vielen meiner Landsleute", sagte Irwin.
Gabi Wuttke: Noch 10 Stunden und 10 Minuten, dann wird Barack Obama der 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein. Als er seine Kandidatur bekannt gab, war die Welt in Sachen Finanz- und Wirtschaftskrise noch ziemlich ahnungslos. Nun sind allein im Jahr 2008 2,6 Millionen Amerikaner arbeitslos, und in diesem Jahr könnte eine weitere Million Jobs verloren gehen, so die bösesten Prognosen.

Fred Irwin ist der Präsident der amerikanischen Handelskammer in Berlin und jetzt am Telefon. Einen guten Morgen!

Fred Irwin: Guten Morgen!

Wuttke: 775 Milliarden Dollar für Steuersenkungen, Investitionen und Direkthilfen für die Bürger. Das alles will Präsident Obama ins Land pumpen. Ist das Ihrer Ansicht nach der richtige Kurs, oder gibt es keine Alternative?

Irwin: Die amerikanische Handelskammer war seit 106 Jahren immer gegen einen Einfluss des Staates. Wir sind aber in einer Ausnahmesituation, nicht nur in den USA. Es ist eine globale Ausnahmesituation. Deshalb begrüßen wir, dass der Staat in einem so hohen Maße eingreift - nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland. Ich hoffe und ich glaube, das ist die Hoffnung von jedem Bürger, egal in welchem Land, dass diese Krise in einer absehbaren Zeit, sicherlich 2010, vorbei sein wird.

Wuttke: Sie schließen sich damit der Hoffnung von über 70 Prozent der Amerikaner in den USA an, die, wenn man einer Umfrage glauben will, glauben, dass Barack Obama die Volkswirtschaft der USA wieder auf Kurs bringen wird. Warum 2010?

Irwin: Die Probleme sind so tiefgreifend. Es ist nicht nur in einer Industrie, wie zum Beispiel die Bankenindustrie Anfang 2008. Es ist in der Automobilindustrie, in der Elektroindustrie, alle Automobilzulieferanten. Alle haben Probleme. Hinzu kommt: Präsident Obama möchte auch die Gesundheitsreform machen, er möchte die Probleme Irak und Afghanistan etwas ändern. Das heißt, es ist wie eine chinesische Speisekarte. Es gibt so viele Themen auf der Speisekarte, und er muss Prioritäten setzen.

Wuttke: Gesundheitspolitik ist ja schon keine Priorität mehr.

Irwin: Ja, Sie haben vollkommen Recht. Das sollte ganz oben in seiner Prioritätsliste sein, aber natürlich braucht er Geld, und die Schulden der letzten amerikanischen Regierung sind so massiv. Präsident Obamas Flexibilität ist etwas gering.

Wuttke: Trotzdem eine Frage. Wie kommen Sie auf 2010? Innerhalb von zwei Jahren, das ist so gesehen eine sehr kühne Prognose.

Irwin: Ein großer Vorteil in den USA ist der amerikanische Optimismus und die amerikanische Flexibilität. Wie Sie wissen, sind die Amerikaner nicht so sehr für den Status quo. Die möchten immer nach vorne schauen, anstatt zurück zu schauen. Viele Leute, nicht nur in der neuen Regierung, arbeiten an massiven Änderungen. Deshalb sage ich 2010. Einige Leute, Optimisten sagen, Ende 2009 wird es besser sein, aber ich glaube Mitte 2010.

Wuttke: Sie sagen, Sie sind ein sehr optimistischer Mensch und die Amerikaner seien es, aber Barack Obama hat versucht, diesen Optimismus zu bremsen, indem er jetzt schon gesagt hat, es wird dazu kommen, dass er Fehler macht, es wird Rückschläge geben, es wird Fehlstarts geben und Enttäuschung. Herr Irwin, wagen Sie es, sich den ständig wachsenden Schuldenberg der USA überhaupt vorzustellen, wenn dieses ganze Programm scheitert - und es ist ja noch nicht mal sicher, ob nicht vielleicht auch in die Finanzinstitute noch mal Geld gepumpt werden muss?

Irwin: Seit 1776 hat die amerikanische Regierung immer Schulden, natürlich nicht in diesem Maße, aber sie hat immer Schulden. Und bedauerlicherweise, aber das ist die Tatsache, haben die amerikanische Regierung und das amerikanische Volk immer mit Schulden gelebt. Im Privatbereich ist das natürlich verheerend. In der Politik ist das nicht so verheerend. Aber diese massiven Schulden, 600 Billionen sind dazugekommen, das ist natürlich massiv.

Wuttke: Massiv ist ja noch ein geringer Ausdruck. Es läuft darauf hinaus, dass die USA nicht mal im amerikanischen Bürgerkrieg, nicht mal in der Weltwirtschaftskrise so dagestanden haben. Wie soll sie es verkraften?

Irwin: Wenn die Wirtschaft wieder anspringt, dann bekommen wir erstens mehr steuerliche Einnahmen. Das fließt sehr schnell in den USA. Wir haben ein Beispiel bei Präsident Clinton gesehen. Innerhalb von drei Jahren hat Präsident Clinton in seiner Amtszeit mit Bob Lubin und Larry Summers den Schuldenberg in den USA drastisch reduziert. Und Präsident Bush, als er hineinkam, hatte ein Null-Defizit. Das war ein Vorteil seiner Regierung. Es kann in den USA wesentlich schneller gehen als in vielen anderen Ländern. Deshalb teile ich meinen Optimismus mit vielen meiner Landsleute.

Wuttke: Sie haben am Anfang unseres Gesprächs gesagt, die amerikanische Handelskammer hat immer dafür plädiert, frei agieren zu können. Glauben Sie, dass es jemals wieder dazu kommen wird?

Irwin: Natürlich, natürlich! Wir sind in einer Ausnahmesituation, in einer Übergangssituation. Das dauert zwei Jahre. Aber wenn das vorbei ist, dann gehen wir eigentlich zurück zu weniger Staat in den USA und auch hier in Deutschland. Aber im Moment ist der Staat die einzige Möglichkeit, die uns von diesen Problemen lösen kann.

Wuttke: Barack Obama und die finanz- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen. In der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur. Ein sehr optimistischer Fred Irwin, der Präsident der amerikanischen Handelskammer in Deutschland. Herr Irwin, vielen Dank für dieses Gespräch. Und wo verbringen Sie heute Abend um 18 Uhr die Zeit?

Irwin: Natürlich vor meinem Fernseher, weil was wir von Präsident Obama hören, ich glaube, ist eine der besten Reden aller Zeiten. Und er plädiert sicherlich für einen Neubeginn nicht nur in den USA, sondern einen globalen Neubeginn. Das wird eine sehr positive Rede, aber auch optimistische Rede sein.

Wuttke: Von daher sind sie beide auf einer Linie. Vielen Dank und schönen Tag!

Irwin: Schönen Tag.

Das Interview mit Fred Irwin können Sie bis zum 20. Juni 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio