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Ganz ohne Zug
Richtig lüften im Passivhaus

Das Passivhaus ist eigentlich eine feine Sache: keine Heizkosten, kaum Energiekosten, ökologisch rundum korrekt. Es ist so gebaut und isoliert, dass sich Temperatur und Luftaustausch quasi von alleine regeln sollen. Aber wie funktioniert das genau?

Von Anke Petermann | 15.05.2014
    Ein Architekt zeigt, wie an der Außenwand eines Passivhauses in Oldenburg Dämmplatten angebracht werden sollen.
    Ein Architekt zeigt, wie an der Außenwand eines Passivhauses in Oldenburg Dämmplatten angebracht werden sollen. (picture alliance / dpa / Carmen Jaspersen)
    Ein Reihenhaus in einem Frankfurter Passivbauquartier. Hans-Dieter Rook, Hausherr und Architekt, zeigt auf die Außenwand zum Hof. Darin fängt ein fünf Meter hohes, dreifach verglastes Südfenster das Maximale an Licht und Wärme für gleich zwei Geschosse ein. Die Zwischendecke ist dazu nach hinten versetzt.
    "Das ist Kalksandstein-Mauerwerk, dann haben wir das Fenster, das sitzt von außen auf dem Kalksandstein-Mauerwerk drauf, und die Wärmedämmung fängt am Fenster an, das sind 30 Zentimeter Wärmedämmung, und der Rahmen von dem Fenster ist weitestgehend überdämmt und mit dem Mauerwerk verklebt auch noch mal, um die Luftdichtigkeit herzustellen."
    Luftdicht heißt im Passivhaus aber nicht stickig. Oben an der Decke sitzt ein weißes rundes Kunststoffteil. Es sieht aus wie ein Rauchmelder, ist aber Teil des Lüftungssystems.
    "Sie sehen hier über dem Tisch, das ist die Zuluft für diesen Raum. Und Sie sitzen jetzt genau drunter, und Sie haben es noch nicht gemerkt, aber die Anlage läuft."
    Haben sie viele Gäste, können die Rooks die "Partyfunktion" ihrer Lüftungsanlage wählen, dann erhöht sich das ausgetauschte Volumen. Meistens haben die Anlagen drei Stufen, erklärt Oliver Kah vom Passivhaus Institut Darmstadt.
    "Das heißt: Wenn einem im Winter die Luft zu trocken wäre, ist eine ganz einfache Lösung, eine Stufe runterzustellen, und dann stellt sich die Raumluftfeuchte auch höher ein."
    Das Herz des Passivhauses
    Lehmputz und Lehmfarbe empfiehlt die Frankfurter Architektin Stefanie Rook zur Feuchtigkeitsregulation. Auch mit Zimmerpflanzen und Blumen-Schalen lasse sich die Luft bei Bedarf zusätzlich befeuchten. Rook deutet nach oben an die Decke ihrer offenen Küche:
    "Über der Küchenzeile ist die Abluft."
    Dort wird wie im Bad verbrauchte beziehungsweise feuchte Luft abgesaugt. Man muss also nicht die Fenster öffnen, um zu lüften. Aber man kann. "In Sommernächten lassen wir sie immer offen", sagt die Hausherrin. Was die Abluft leisten kann, zeigt sie eine Etage höher. Am Treppenabsatz oben ein riesiger Wandschrank, mit grauem Filz bespannt.
    "Das ist die Lüftungsanlage."
    Stefanie Rook zieht die Schiebetür beiseite, gibt den Blick frei aufs Passivhaus-Herz, ein grauer mannshoher Kasten mit einem verzweigten Rohrsystem oben drauf.
    "Hier kommt die Luft aus Küche und Bad, streicht an der frischen Luft vorbei, gibt ihre Energie ab und geht dann ohne Energie hier hinten wieder raus."
    Filter regelmäßig austauschen
    Die Architektin klopft an den grauen Kasten.
    "Und hier drin ist dieser Wärmetauscher."
    Darin arbeitet die verbrauchte Luft als kostenlose Heizung der zugeführten Frischluft. Die Architektin zieht ein grau verschmutztes Kunststoff-Vlies aus der Anlage:
    "Das ist der Filter, der ist bald fällig, wie Sie sehen. Und hier oben ist noch mal ein Filter, der sieht noch schlimmer aus, weil das natürlich schon der Feinstaub von der Friedberger Landstraße ist. Wenn der rauskommt - der ist richtig schwarz. Die Anlage sagt einem im übrigen Bescheid, also, das muss man nicht selbst im Kalender eintragen. Aber die sind jetzt wirklich bald fällig."
    Dank Filter gelangen die Schmutzpartikel der nahen Hauptverkehrsstraße nicht in die Innenluft des Passivhauses. Der regelmäßige Austausch des Filters sei wichtig, betont Oliver Kah vom Passivhaus Institut:
    "Das ist eigentlich eine relativ einfache Angelegenheit, und meistens können das sogar die Bewohner. Bei Mietwohnungen wird das auch häufig von Wartungsdiensten übernommen, also da beauftragen Wohnungsbaugesellschaften einen Wartungsdienst dafür."
    Eine jährliche Reinigung der Anlage wie bei einer Gastherme empfiehlt Stefanie Rook außerdem. Idealerweise wird die Zuluft fürs Passivhaus im Hof beziehungsweise im Grünen angesaugt, sagt Oliver Kah. Der Planer müsse vor dem Bau überlegen,
    "wo man geeignet die Luft ansaugt. Also nicht an einer stark befahrenen Straße oder einer Parkplatz-Situation. Das wäre schon auch Aufgabe der Planung."
    Neben Feinstaub fängt der Filter auch Pollen ab - wichtig für Allergiker. Bei Rooks ist es an einem kühlen Frühlingstag ganz ohne zusätzliche Heizung behaglich. Sogar auf der großzügigen Fensterbank im Erdgeschoss direkt an der fünf Meter hohen Scheibe kann man angenehm sitzen. Als "passive Heizungen" fungieren die vierköpfige Familie und ihre Gäste - jeder mit 36,5 Grad Körpertemperatur. Dazu die Elektrogeräte. Sollte es mal längere Zeit eiskalt und bedeckt bleiben, dann gibt es zur Not einen Elektroheizstab in der Lüftungsanlage. Und Heizmatten unterm Badezimmer-Estrich.