Alternative Wohnformen

Wie wollen wir wohnen?

Wohnungsgesuch an einem Baum in München.
Wohnungsgesuch an einem Baum in München. © imago
Von Frederik Rother, Mike Herbstreuth, Azadê Peşmen · 13.04.2016
Die Großstädte sind überlaufen, die Gesellschaft altert, die Menschen möchten ihre individuellen Wohnträume erfüllen. Doch wie wollen wir angesichts der Wohnungsmarktsituation und des demografischen Wandels künftig wohnen? Unsere Autoren stellen alternative Wohnkonzepte vor.

Auf Wohnungssuche in Köln

Von Frederik Rother
Vermietet wird eine Ein-Zimmer-Wohnung in der Kölner Innenstadt. 25 Quadratmeter, Bad, Balkon und Kochnische inklusive. Für 444 Euro im Monat, warm.
"Die ist klein, ist süß und das würde jetzt erstmal für mich reichen."
Medina Bakir ist eine von gut zehn Interessenten, die sich das Apartment anschauen. Die Wohnung ist nichts besonderes, eher zweckmäßig und schlicht. Medina würde sich trotzdem freuen, sie zu bekommen.
"Ja natürlich, was für eine Frage. Mir würde eine Mega-Last von der Seele fallen. Ich suche ja wirklich schon sehr lange, sind schon fast drei Jahre, echt. Wäre schon happy."
Es sind vorwiegend junge Menschen gekommen, die sich an diesem Donnerstagabend unter Aufsicht eines Maklers in der kleinen Wohnung umschauen.
Medina Bakir ist 24 Jahre alt und arbeitet als selbständige Promoterin. Eine quirlige, junge Frau mit lockigen Haaren, die schon seit einigen Jahren in Köln lebt, aber noch nie eine Bleibe für einen längeren Zeitraumgefunden hat.
Meistens seien die Kosten und die Lage der Wohnungen das Problem, erzählt sie.

Wohnung soll eierlegende Wollmilchsau sein

Köln, Stadtansicht - das römisch germanische Museum, das Museum Ludwig und der Kölner Dom
Köln, Stadtansicht - die Wohnungen im Innenstadtbereich werden immer teuerer.© picture alliance / dpa
Hat Köln ein Wohnungsproblem?
"Das ist auf jeden Fall so. Insgesamt fehlen Wohnungen, das ist klar."
… sagt der Makler.
"Neben der hohen Nachfrage und dem geringen Angebot, darf man aber eine Situation nicht vergessen: die Leute sind heute auch extrem verwöhnt."
Altbau, Balkon, Südseite und billig - das sei die von vielen gewollte "eierlegende Wollmilchsau", erzählt der Makler. Er glaubt: Wer intensiv sucht, findet auch heute immer noch etwas.
Dennoch: Der Run auf Groß- und Unistädte führt zu Wohnungsnot und steigenden Immobilienpreisen. Experten schätzen, dass in Deutschland in den kommenden Jahren knapp zwei Millionen neue Wohnungen gebaut werden müssen, um die Lage zu verbessern.
Für Medina Bakir wird das zu spät kommen. Sie setzt auf eine andere Strategie, erzählt sie auf dem Balkon.
"Ich habe meine Ansprüche total runtergesetzt, deswegen das wäre für mich Luxus hier in der Stadt zu wohnen. Dann noch so preiswert, das ist ein Traum."
Medina Bakir konkurriert allerdings mit 100 weiteren Mitbewerbern um die Wohnung, erzählt der Makler. Dementsprechend schnell wird sie auch vergeben werden:
"Ich denke Samstag wird die weg sein."
Nach einer guten Viertelstunde ist die Besichtigung vorbei. Die Interessenten verlassen das Apartment. Medina Bakir ist eine der letzten, die geht. Sie würde gerne hier einziehen. Zu viel Hoffnung macht sie sich aber nicht - dafür ist sie längst viel zu routiniert auf Wohnungssuche.
"Und was machst du, wenn das nicht klappen sollte? Weitersuchen, das was ich die letzten drei Jahre auch gemacht habe. Am Ball bleiben …"

Klein, kleiner, am kleinsten - Leben im "tiny house"

Von Mike Herbstreuth
Regen prasselt auf den asphaltierten Hof einer Schreinerei am Stadtrand von Staufen im Breisgau. Am Rand des Hofs befindet sich ein schmaler Grünstreifen, vielleicht drei Meter breit. Hier steht Hanspeter Brunners Tiny House.
Brunner: "Also Grundfläche sind acht Quadratmeter. Oben hat's noch ein Schlafloft, das dürfte so sechs Quadratmeter sein. Aber auch nur Grundfläche, es ist ja ein schräges Dach."
Von außen sieht sein Tiny House schon bezugsfertig aus. Wie eine kleine Holzhütte mit jeder Menge Fenster steht es da – durch die Fenster wirken die 8 Quadratmeter etwas größer. Kleine Treppenstufen führen hinauf zum Eingang, denn Brunner hat sein Tiny House passgenau auf einen Anhänger gebaut. Das drei Tonnen schwere Holzhäuschen ist verkehrstauglich. TÜV-geprüft. Und innen?
Gerade mal vier große Schritte braucht man, dann hat man das baldige Zuhause des 64-jährigen ehemaligen Religionslehrers und Kunsttischlers durchquert.
Brunner: "Also hier haben wir zwei auf zwei Meter den Wohnraum sozusagen. Hier ist ein bisschen Stauraum, da können Kleider rein, dann wird es ab hier eine Kombüsenküche geben, hier kommt die Warmwasserbereitung über Gas hinein, hier ist das Badezimmer. So, hier ist die Dusche, 70 auf 70 Zentimeter Hier kommt die Komposttoilette hin. Oben ist der Schlafraum. Gut, das ist es im großen und ganzen schon gewesen!"
Es passt nicht viel in ein Tiny House. Das Holz und die Enge machen den Wohnraum gemütlich, man kann es sich gut vorstellen, hier ein bisschen Zeit zu verbringen. Aber dauerhaft hier leben?
Brunner: "Es gibt Leute, die haben mich hier besucht, die haben gesagt: Um Gottes Willen, da würde ich wahnsinnig werden. Und es gibt Leute, die haben gesagt: Wahnsinn, das wär genau mein Ding."
Über zwei Jahre baut er jetzt schon an seinem Haus. Es wäre auch in einem Jahr zu schaffen, aber Brunner hat sich Zeit gelassen. Er wollte alles alleine machen, musste Lehrgeld bezahlen, seine Pläne immer wieder ändern und anpassen. Ein Frischwassertank soll noch kommen und irgendwann mal eine Photovoltaik-Anlage, um in Kombination mit Batterien und LED-Lampen komplett unabhängig von Netzstrom zu sein. Aber das muss aus finanziellen Gründen noch ein bisschen warten. Brunner kommt aber auch gut ohne solchen "Luxus" zurecht. Er will endlich einziehen in sein Haus, das er mit eigenen Händen gebaut hat. Das war sowieso schon immer sein Kindheitstraum. Auch sein erstes, großes Haus für die Familie hat er damals in Eigenleistung mitgebaut. Seitdem ist viel Zeit vergangen. Brunner lebt jetzt allein. Und will sein Leben vereinfachen, Dinge loswerden.
Brunner: "Mir fällt das immer mehr auf, nicht nur bei mir, auch bei Bekanntschaft, Verwandtschaft und anderen Menschen: Wie viel Krempel die um sich versammeln! Und wie die langsam in diesem Krempel ersticken. Und ich habe mir gesagt: Ich habe keine Lust, den Rest meines Lebens meinen Krempel zu verwalten. Dazu ist mir die Zeit zu schade."
Zu einem simpleren Leben ohne Ballast gehören aber auch Entbehrungen. Und die sind hart, auch für einen Krempel-Gegner wie Brunner.
Brunner: "Ich hab mich lange gewundert: Warum fällt mir das so schwer? Und dann hab ich gelesen: Ja, das hängt damit zusammen, dass man mit manchen Gegenständen ein Selbstbild verbindet. Wenn man jetzt Mal- und Zeichensachen aufbewahrt bis zum St.-Nimmerleins-Tag dann denkt man: Ja, ich werd ja mal wieder künstlerisch tätige Menschen sein. Und wenn man sich irgendwann davon löst, dann muss man auch von dieser Perspektive Abschied nehmen. Nicht nur von den Malsachen."

Das Haus zum Mitnehmen

Ein Haus steht auf Geldscheinen. Symbolbild für Haus und seine Kosten 
Kleines Spielzeughaus - ein "tiny house" ist wesentlich günstiger als ein großes.© dpa /Revierfoto
Wer sich von diesen Dingen trennt, kann im Gegenzug dafür Freiheit und Unabhängigkeit gewinnen. Und vor allem Geld sparen. Die Hype um die Tiny Houses nahm in den USA nicht zufällig 2007 Fahrt auf – als das Land von der Finanzkrise gebeutelt war und viele Menschen ihre Wohnungen und Häuser verloren haben.
Brunner: "Ich hab jetzt so 20.000 Euro reingesteckt an Material. Das ist nicht wenig Geld, und umgerechnet auf die Quadratmeter ist das natürlich irre hoch. Aber die Gesamtsumme ist so, dass die normalerweise jemand stemmen kann, ohne sich zu ruinieren. Und wenn es klappt mit einem Platz und der Lebensweise, dann hat man mehr Lebensqualität."
Wenn es denn klappt mit einem Platz. Denn in einem Tiny House auf einem Grundstück zu wohnen, ist in Deutschland nicht einfach. Es gelten die gleichen Genehmigungspflichten wie für normale Häuser. Landesbaurecht, Baugenehmigungen, Bebauungspläne, Anträge - das schreckt viele ab. Deshalb nutzen die meisten Tiny House-Besitzer die Variante von Brunner: Auf einem Anhänger zählt das Tiny House als Ladegut. Erlaubt der Eigentümer eines Grundstücks dann das Abstellen des Tiny Houses, bewegt man sich in einer rechtlichen Grauzone. Frankreich sei bei diesem Thema schon weiter, erzählt Brunner. Dort mache es ein neues Gesetz mittlerweile einfacher, dauerhaft legal in Tiny Houses zu wohnen.
Brunner: "Ich kann nur hoffen, dass Deutschland nicht nur die Kreisverkehre von Frankreich übernimmt, sondern auch noch vielleicht die Haltung gegenüber Tiny Houses."
Dann, ist er sich sicher, werden Tiny Houses bald auch in Deutschland keine Besonderheiten mehr sein.

Cohousing: Zusammen ist man weniger allein

Von Azadê Peşmen
Die großräumige Küche sieht aus wie neu: bordeauxrote Wände, weiße Schränke, eine riesige Arbeitsplatte aus hellem Holz und große Fenster, die den Blick auf die Spree öffnen. Die Wohnküche bietet viel Platz und wirkt eher loftartig, Hausbesetzer-Charme sucht man hier vergeblich. Auch wenn das Wohnprojekt zumindest von der Größe her in diese Richtig geht. 21 Bewohner kommen hier regelmäßig zum Kochen zusammen und pflegen einen Ansatz der unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Alles kann, nichts muss. Während die einen noch fleißig Zucchini schneiden, sitzen andere bereits am Tisch und essen. Die Meinungen über das Gericht sind gespalten.
Am Tisch sitzt auch Michael LaFond, Architekt und Bewohner der Spree-WG, ein Cohousing-Projekt. Cohousing, erklärt er, steht dafür das Miteinander zu stärken und sich gegenseitig unterstützen, statt nebeneinander her zu leben.
LaFond: "Wir haben relativ viel Gemeinschaft, oder haben diese Möglichkeit Gemeinschaft zu leben, d.h. zum Beispiel wie hier heute Abend kochen und essen zusammen oder Parties zu organisieren, verschiedenes und vielleicht ganz wichtig, im Durchschnitt haben wir kleinere Privaträume und dafür die Gemeinschaftsräume, also hier Gemeinschaftsküche und oben Wohnzimmer, für die WG."
Die Privatwohnungen sind im oberen Geschoss über der Gemeinschaftsküche und bestehen jeweils aus einem Schlafzimmer, einem kleinen Wohnzimmer und einem Bad. Die Wohnküche im dritten Stock teilen sich die Bewohner. Das Gebäude hat die Cohousing-WG selbst geplant. Im Essbereich liegen große, weiße Pappmachébälle am Boden - Überbleibsel vom letzten gemeinsamen Lampenworkshop. Die Bewohner kommen oft zusammen, kommentiert LaFond. Junge und alte Menschen, mit und ohne Kinder, Singles und Paare. Dass sich Familienkonstellationen im Laufe eines Lebens ändern ist Teil der Konzeption des Hauses.
LaFond: "Die Kinder, Teenagers gehen irgendwohin, die werden ausziehen dann haben wir freie Zimmer. Die große Hoffnung mit der WG oder mit der Genossenschaft hier insgesamt ist, das wir mit der Zeit und mit den Änderungen hier bleiben, d.h. wir könnten uns verkleinern und vergrößern, langfristig gesehen, also nicht von heute auf morgen. Ein Paar ändert sich und jemand bleibt allein. Das ist auch die Idee der Genossenschaft, die Architektur ist relativ flexibel, Innenwände sind relativ leicht."
Wenn sich ein Paar trennt oder Nachwuchs erwartet, lässt sich nicht nur der Grundriss der Wohnung ohne großen Aufwand ändern. Weil die Spree-WG genossenschaftlich organisiert ist, ist es auch einfacher innerhalb der Gemeinschaft die Wohnung zu wechseln. Das Genossenschaftliche Modell hat die Spree WG aber auch deshalb gewählt, weil sie demokratisch diskutieren und entscheiden möchten, über alle Fragen, die die WG und das Zusammenleben betreffen. Michael LaFond ist ein Befürworter dieses Modells, weil es das Gegenteil von einem profitorientierten Wohnungsbauunternehmen ist. Der Architekt erkennt einen ganz wesentlichen Unterschied zum herkömmlichen Immobilienmarkt:
LaFond: "Es gibt Blasen, es stürzt ab, Leute können kaufen und im Prinzip an Wert verlieren, mit der Genossenschaft ist es eben stabiler gedacht, also wohnpolitisch gesehen, heißt es, wir wollen Wohnungsmarkt stabilisierend wirken."
Der Hauptauftrag einer Wohnungsbaugenossenschaft ist es also, Wohnraum zu fairen Preisen zu schaffen. Steigende Mietpreise, Gentrifizierung und die Immobilienkrise haben dazu geführt, dass das Genossenschaftsmodell wieder attraktiv wird. Menschen, wie in dem Cohousing-Projekt, schließen sich zusammen und gründen eine Genossenschaft, um gemeinsam Wohnraum zu verwalten. Alexander Gedaschko, Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW erklärt die wieder auflebende Beliebtheit:
Gedaschko: "Ich glaube, dass Genossenschaftswesen hat spätestens seit der Weltwirtschaftskrise seit 2007 und in den Jahren danach eine Renaissance gehabt, von der man gar nicht erwartet hätte, dass es sie so geben könnte, wieder. Die Insolvenzfestigkeit ist stärker als bei jeder anderen Rechtsform und insofern ist der Gedanke, nachdem unglaublich viel wirtschaftlich kaputt gegangen ist, bei vielen, dass das die richtige Form sein könnte, in der man sich erprobt."

Soziale Durchmischung ist wichtig

Blick auf die Fassade eines Mehrfamilienhauses mit bunten Fensterrahmen.
Wie wollen wir wohnen. Bunt ist eine Antwort.© Deutschlandradio / Daniela Kurz
Bei vielen Genossenschaften geht es nicht nur darum, sich zu erproben, sondern auch über einen langen Zeitraum zu bestehen. Alexander Gedaschko berichtet von einem 150-jährigen Jubiläum einer Wohnbaugenossenschaft in Stuttgart. Wer einmal drin ist, hat ein lebenslanges Nutzungs- und Wohnrecht. Das funktioniert auch deshalb, weil die Mieter nicht einfach so gekündigt werden können, denn die Bewohner besitzen alle Anteile der Genossenschaft. Das heißt aber nicht, dass jede Genossenschaft automatisch mit einem gemeinschaftlichen Leben verbunden ist. Aber ganz ohne Gemeinschaft würde es nicht funktionieren. Das hat Vor-und Nachteile, findet Alexander Gedaschko.
Gedaschko: "Die positive Seite ist, dass man die Dinge gemeinsam macht, aber das bedeutet man muss dann auch zu den Entscheidungen stehen, die getroffen werden, auch wenn man nicht damit einverstanden ist, das ist wie bei jedem demokratischen Gremium der Fall und Demokratie bedeutet hier egal ob ich viele Anteile der Genossenschaft habe oder nur einen, one man one vote."
Dank der genossenschaftlichen Organisationsform können sich auch Menschen beteiligen, die über weniger finanzielle Ressourcen verfügen. Häufig ist die soziale Durchmischung in Genossenschaften größer. Darauf, so Alexander Gedaschko, wird bei der Auswahl der Mieter geachtet. Klingt nach einer guten Antwort auf die steigenden Mieten in Großstädten. Um da aber wirklich etwas zu bewegen, sei das Angebot an Genossenschaftswohnungen immer noch viel zu gering, meint Architekt Michael LaFond.
LaFond: "Die Genossenschaftswohnungen sind nicht in der Lage den Wohnungsmarkt zu bewegen."

Frankfurter Küche forever

Von Mike Herbstreuth
Jäkel: "Wir haben den Urzustand wieder hergestellt, so wie er 1928 bei der Übergabe an die Mieter war."
1,87 Meter breit. 3,44 Meter lang. Die Maße der Ur-Einbauküche der Architektin Margarete Schütte-Lihotzky:
Schütte-Lihotzky: "Kleine Küchen sparen Schritte, sparen Griffe, und sparen Grundfläche. Und für die gesparte Grundfläche kann ich dann eine ganz raffinierte Einrichtung mitliefern."
Töpfe und Geschirr platzsparend in Schränken mit Schiebetüren. Herd und Spüle zentral, Lebensmittel in Aluminiumschütten in Greifweite.
Jäkel: "Man hat zum Beispiel rechts neben sich den Herd stehen, links davon sind die Schütten angebracht. Man kann mit der einen Hand den Topf umrühren, während man mit der anderen Hand Reis rausholt. Man kann praktisch beidhändig kochen und so Arbeitszeit verkürzen."

Was von der Frankfurter Küche geblieben ist

Frau steht mit Ofenhandschuhen an den Händen vor einem Backofen und schaut hinein.
Frau steht mit Ofenhandschuhen an den Händen vor einem Backofen: in einer Frankfurter Küche ist alles leicht erreichbar.© imago stock & people
Alles problemlos abwaschbar. Alles leicht zu erreichen.
Jäkel: "Man wollte ein zeitsparendes und entlastendes Modell schaffen für die Hausfrau, die vielfach angefangen hat in der Stadt zu arbeiten, einfach nicht mehr viele Gedanken machen muss und kurze Wege einhält. Sie ist praktisch mit einer Stoppuhr durch die Küche gelaufen und hat sich angeschaut: Was mache ich wie und welche Handgriffe tätige ich, bis ich Reis oder Kartoffeln gekocht hab? Und wie spüle ich ab? In diesem Sinne hat sie dann die Küche konzipiert."
"Es hat sich einfach durchgesetzt weil, es hat einfach dem Zeitgeist damals entsprochen oder ist zu dem geworden. Und deswegen orientieren sich die neuen Küchen da dran."
Zum Beispiel die Küchen in den 50er Jahren. Und was ist von der Frankfurter Küche bis heute geblieben?
Jäkel: "Diese Aufteilung: Arbeitsplatte und darunter dann Schränke. Oder auch diese Art von Hängeschrank, die wir mit den Schiebetüren haben."
"Ich finde einfach, die Zeit zeigt hier, dass sich das Prinzip bewährt hat."
Seit mittlerweile 90 Jahren.

Wohnen im Atelier: Das Bett im Büro

Von Azadê Peşmen
Dîlan: "Ja, das meinte ich mit dem Reudo-Bad, aber die Dusche funktioniert!"
Drei abgetrennte Kabinen, eine Toilette, zwei Duschen, pastellfarbene, orangefarbene Kacheln. Das heruntergekommene Bad im ersten Stock ist für mehrere Menschen gedacht. Früher nutzten es die Arbeiter der Fabrik, die in dem alten Backsteingebäude im Norden Deutschlands untergebracht war. Heute duschen sich hier immer noch Arbeiter aber andere als früher.
Dîlan zum Beispiel: freie Journalistin und Künstlerin, frickelt hier nicht nur an ihren Songs, sie wohnt hier auch. In ihrem Schlafzimmer sieht man an einigen Stellen noch die Überreste eines weiteren Gemeinschaftsbads der ehemaligen Fabrik. Über dem Bett sind drei Armaturen an der Wand, durch die Raufasertapete lassen sich die Umrisse der Badezimmerkacheln erkennen. Ungewöhnlich, aber genau das Richtige für die 24-jährige.
Dîlan: "Also mir war schon klar, dass ich nicht irgendwo hinziehen möchte, wo der Wohnraum sehr klein ist und es nur ums Wohnen geht. Ich wollte schon irgendwo hinziehen, wo ich weiß, ich kann da auch arbeiten, ich kann da auch laut sein mit meiner Kunst, mit meinen Projekten …"
Der Übergang zwischen Arbeiten und Wohnen sind bei Dîlan fließend - Genau wie der zwischen Atelier und Küche. Keine Tür trennt die beiden Räume. Zeit, für eine Kaffeepause.
Mara, ebenfalls freiberuflich, ist erst vor wenigen Wochen hier eingezogen. Auch sie ist in dem Atelier zuhause. Vorher hat sie in einer kleineren Wohngemeinschaft gewohnt, von zu Hause aus zu arbeiten hat dort aber nicht so gut funktioniert.
Mara: "Und ich hab aber gemerkt, dass so der Drive von Monat zu Monat abgenommen hat, dass man dann irgendwann nicht mehr aus der Jogginghose rausgekommen ist und so, ich arbeite eben auch fast nur digital ich finds hier tatsächlich besser, weil es eher so eine Art Ateliergemeinschaft ist und irgendwie so ein kreativerer Vibe ist."

Atelier ist nicht als Wohnung deklarierbar

Farbtöpfe und Pinsel stehen in einem Atelier.
Farbtöpfe und Pinsel stehen in einem Atelier - zum Wohnen braucht es bloß noch ein Bett und einen Kleiderschrank.© picture alliance / Horst Ossinger - Horst Ossinger
Das Problem an dieser Wohnform ist jedoch: Sie ist nicht legal, denn das Großraumatelier ist im Mietvertrag nicht als Wohnung deklariert, sondern als Gewerbe. Das Mietrecht unterscheidet strikt zwischen Wohnen und Arbeiten Eine Zwischennutzung wie es die Kreativen im ersten Stock der Fabrik bevorzugen, ist nicht vorgesehen.
Absolute Aussagen darüber, wie es ausgehen würde, wenn die Gemeinschaft gegenüber den Vermietern mit offenen Karten spielt, kann man allerdings nicht treffen, meint der auf Mietrecht spezialisierte Rechtsanwalt Heiko Pätzmann:
Pätzmann: "Das kann man leider nicht allgemein einschätzen, es ist gerade im Mietrecht so, dass wir eine sehr Einzelfall-bezogene Rechtsprechung haben, weil eben jeweils auch zu berücksichtigen und zu betrachten ist, wo liegt jetzt im einzelnen Fall die Beeinträchtigung."
Eine der Beeinträchtigungen könnten höhere Betriebskosten sein, die das gesamte Haus trägt. Wer sich nicht nur in den Räumen aufhält, um dort zu arbeiten, verbraucht auch mehr Strom. Beschwerden gab es deshalb bisher noch nicht.
Trotzdem: Risikofrei ist die Atelierwohngemeinschaft für die Bewohner nicht, denn bei gewerblichen Mietverträgen müssen Eigentümer und Vermieter für gewöhnlich keine Kündigungsfrist einhalten. Das heißt, die Bewohner könnten jeden Moment rausgeschmissen werden. Das wissen sie auch.
Mara: "Wir haben ja alle, sagen wir mal, Wohnungen in der Hinterhand, wo wir auch gemeldet sind, legal und ich hab schon im Vorfeld, als ich hier umgezogen bin, mit einigen Freunden, die schon mal drauf vorbereitet, ob ihre Keller leer sind, dass ich gegebenenfalls was reinstellen können würde und tja…also das würde dann wahrscheinlich passieren."

Digitale Technik soll Senioren vor Einsamkeit schützen

Von Frederik Rother
Angelika Bacher und ihr Ehemann Eberhard setzen sich an den großen Tisch im Gemeinschaftsraum des Bürgertreffs. Blumen stehen darauf. Ein paar kleinere Sitzgruppen laden zum Verweilen ein, am Schwarzen Brett in der Ecke hängen Veranstaltungstipps für Kirchheim unter Teck.
Die Kleinstadt liegt gut 20 Kilometer südöstlich von Stuttgart und ist Wohnort von Ehepaar Bacher.
Angelika Bacher ist 69 Jahre alt, sie zieht behutsam ein DIN A4-großes Tablet aus der Tasche. Seit gut eineinhalb Jahren arbeitet sie mit dem neuen Gerät, das ihr Leben nachhaltig verändert hat, wie sie sagt.
"Selber bin auch ganz stolz drauf, habe bei null angefangen…und kann das jetzt."
E-Mails schreiben, Skype nutzen, Bilder verschicken und über Whatsapp mit Kindern und Enkeln kommunizieren. Für die Bachers ist das mittlerweile Alltag. Sehr zur Freude der Familie, sagt Eberhard Bacher:
"Die sind natürlich ganz erstaunt, wenn man da auf einmal ein Gesicht sieht, oder den Opa sieht, oder die Oma…"
Dass die Bachers so gut mit modernen Kommunikationswerkzeugen umgehen können, ist dem Projekt SONIA zu verdanken.
SONIA steht für "Soziale Inklusion durch technikgestützte Kommunikationsangebote" und soll Senioren ermöglichen, durch eine Online-Plattform untereinander in Kontakt zu treten und so nachbarschaftliche Gemeinschaften aufzubauen. Zu den Funktionen gehören unter anderem ein Suche-Biete Portal, Veranstaltungshinweise oder Nachrichtendienste wie Whatsapp oder Skype.

Gegen Vereinsamung im Alter

Eine 80-jährige Frau telefoniert am 12.02.2005 in ihrem Haus in Bochum mit einem Handy.
Eine ältere Frau telefoniert mit einem Handy.© picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst
Das vom Sozialministerium Baden-Württemberg geförderte Projekt will auf diesem Weg mehr soziale Teilhabe ermöglichen und Vereinsamung im Alter vorbeugen.
Ein wichtiges Thema, das auch in Zukunft noch zunehmen wird: Knapp ein Drittel der deutschen Bevölkerung wird in einigen Jahren älter als 60 Jahre sein. Allein aufgrund dieser Tatsache müssen neue Wohnkonzepte entwickelt werden, die den Bedürfnissen nach mehr Autonomie, guter Anbindung und Versorgung gerecht werden.
Im Stuttgarter Süden ist das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation angesiedelt. Hier werden zukünftige Arbeits- und Lebensmodelle erforscht. Wie müssen Altenhilfeeinrichtungen in Zukunft aussehen? Wie werden die Wohnungen von Senioren gestaltet sein? Das sind nur einige Fragen, auf die hier Antworten gesucht werden.
In dem Neubau, der mit seiner futuristischen Einrichtung mehr an ein Start-Up als an eine öffentliche Institution erinnert, sitzt Petra Gaugisch.
Die 49-jährige Wissenschaftlerin mit den dunkelblonden Locken betreut das SONIA-Projekt seit Beginn. Nach knapp zwei Jahren Projektlaufzeit zeigt sie sich zufrieden:
"Das eine was sich verändert, das ist ‘ne größere Technikkompetenz, mit Neuen Medien umzugehen, das andere was sie beschreiben, mehr Miteinander, dass man sich jetzt kennt und Freundschaften entstanden sind."
Die knapp 40 Senioren aus Kirchheim unter Teck sind sich zunächst nur im virtuellen Raum begegnet. Im analogen Leben haben sich viele dann besser kennengelernt: Sie backen jetzt gemeinsam oder unternehmen auch mal etwas zusammen.
SONIA zeigt, wie das Wohnen älterer Menschen zukünftig aussehen könnte, sagt Petra Gaugisch:
"Ich sehe ein ganz starkes Signal darin zu sagen, wir müssen auch in Nachbarschaften denken, wir müssen nicht nur in Wohnungen denken, sondern auch ein Quartier drum rum muss altengerecht sein."
Und dazu gehört nicht nur eine barrierefreie Umgebung mit Sitzbadewanne und Treppenlift sondern auch eine Infrastruktur, die Menschen einlädt sich zu engagieren und auszutauschen.
"Wenn so ‘ne Kultur entsteht, des gegenseitigen Verständnisses, des gegenseitigen Unterstützens, dann hat das was mit dem Erhalt der Selbständigkeit zu tun."
Das bestätigt auch SONIA Probandin Angelika Bacher – die sich durch ihre neuen Kontakte sicherer fühlt in ihrem Zuhause:
"Ich kann mir mal ein Bein brechen, oder kann nicht mehr aus dem Haus, aber dann hab ich trotzdem noch Kontakte zu den Bekannten. Und die können auch mal sagen, komm, ich nehme dir was ab."
Ehepaar Bacher in Kirchheim unter Teck will solange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben und den Alltag ohne fremde Hilfe meistern. Wie vielen Senioren ist ihnen Selbstständigkeit im Alter sehr wichtig.

Zukunftsszenarien scheitern an Finanzierbarkeit

Sozialorientierte Projekte wie SONIA tragen dazu bei, aber auch digitale Technik im allgemeinen: Ambient Assisted Living nennen sich die unterstützenden Technologien, die das Wohnen von Senioren nachhaltig verändern werden.
Petra Gaugisch vom Fraunhofer-Institut: "Das wird kommen. Im Moment ist es so, es gibt sehr, sehr viele Projekte […] und es geht immer darum, wie kann man neue Technologien in der Verknüpfung mit Dienstleistungen, und ich glaube, das ist das wichtige, neue Technologie alleine ist es nicht, sondern es ist immer das in Dienstleistungen zu denken und zu überlegen, wo kann uns Technik dabei helfen."
Notrufsysteme, die selbständig Alarm schlagen, wenn jemand stürzt oder auf dem Boden liegt. Die Steuerung von Heizungen, Herd und Rollläden per Tablet. Auch das Monitoring und Bereitstellen von wichtigen medizinischen Daten ist denkbar.
"Also ich glaube, technisch ist man sehr, sehr weit. Es hapert noch an den Geschäftsmodellen, die dahinter liegen. Also auch die Frage, wer zahlt dann die Dienstleistungen, wie werden die Dienstleistungen abgerechnet, die Pflegekassen sind da bis jetzt auch noch sehr zurückhaltend."
Wie werden Senioren wohnen? Szenarien für die Zukunft gibt es viele. Manche scheitern bislang noch an der Gegenwart. Zuweilen aber auch an den Budgets oder der fehlenden Erfahrung von Handwerkern und Architekten.
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