Alternative Antriebssysteme

Henne-Ei-Problem behindert den Fortschritt

Ein Mann hält am 18.04.2012 den Zapfhahn einer Wasserstoff-Tanksäule an ein Auto auf einer Tankstelle in Berlin.
An einigen Tankstellen lässt sich auch schon Wasserstoff tanken, wie hier in Berlin. © dpa / Hannibal Hanschke
Thomas von Unwerth im Gespräch mit Nana Brink  · 16.08.2016
In München haben Care-Sharing-Nutzer nun die Wahl zwischen verschiedenen Antriebssystemen. Der Experte Thomas von Unwerth sieht auf der Langstrecke die neuen Brennstoffzellenautos gegenüber den batteriebetriebenen Autos ganz klar im Vorteil.
Ähnlich wie bei den bereits etablierten Carsharing Anbietern von BMW (Drive Now) und Mercedes (Car2go), handelt es sich nun auch bei dem neuen Angebot von Linde (Bee Zero) um Fahrzeuge, die in München auf ganz normalen Parkplätzen zur Verfügung stehen. Es geht um ein Pilotprojekt mit 50 Geländelimousinen von Hyundai, die mit einer Brennstoffzelle ausgestattet sind. Das bedeutet, dass jeder Wagen ein Minikraftwerk an Bord hat, bei dem reiner Wasserstoff als Treibstoff eingesetzt wird und aus dem Auspuff nur noch Wasserdampf kommt.

Im Winter gleich warm

"Sie können ihn an einer gewöhnlichen Tankstelle, die für Wasserstoff ausgerüstet ist, nachtanken", sagt Thomas von Unwerth, Professor für alternative Fahrzeugantriebe an der Technischen Universität Chemnitz im Deutschlandradio Kultur. "Das geht im übrigen auch in sehr geringen Nachladezeiten", sagte er. In wenigen Minuten sei der Tank wieder voll. Der Experte lobt einen Vorteil der Brennstoffzelle: "Wir haben auch im Winter, wenn es kalt ist, direkt Wärme im Fahrzeug zur Verfügung, die sie bei der Batterie sonst auf elektrischem Wege erzeugen müssten."

Hohe Kosten und mangelnde Infrastruktur

Als Probleme nennt von Unwerth die bislang hohen Kosten für alternative Antriebssysteme und die mangelnde Infrastruktur. "Die letzten zehn Jahre haben wir immer wieder über dieses Henne-Ei-Problem diskutiert, dass natürlich die Automobilhersteller erst dann im großen Stil Fahrzeuge produzieren können und wollen, wenn eine Infrastruktur vorhanden ist." Diese Infrastruktur könne aber nur entstehen, wenn entsprechende Fahrzeuge auf dem Markt seien. Er hoffe, dass diese Probleme über Förderprogramme der Bundesregierung überwunden werden könnten. Der Experte zeigt sich überzeugt, dass sich die Carsharing-Kunden von den Vorteilen überzeugen ließen. "Wenn es dann auf die Langstrecke geht, dann werden sicherlich die Brennstoffzellen-Fahrzeuge die Nase vorne haben."

Das Interview im Wortlaut:

Nana Brink: Schon mal über ein Auto mit alternativem Antrieb nachgedacht? Immer mehr Menschen machen das ja gerade in Großstädten, bei mir zum Beispiel um die Ecke hier in Berlin sehe ich jeden Morgen Menschen an der E-Tankstelle. DriveNow, die Carsharing-Tochter von BMW und Sixt hatte eine Flotte von 4500 Autos auch aus der 3er-Serie, erfolgreich ist sie auch in München und da trifft sie seit heute auf Konkurrenz im Carsharing-Sektor. BeeZero heißt der Anbieter und er setzt auf das Auto mit Brennstoffzelle. Das scheint ja manchen immer noch sehr exotisch.
Die Firma startet in München mit nur 50 Autos, alles SUVs von Hyundai und statt Diesel ist Wasserstoff im Tank, der wird von einer Brennstoffzelle in Strom umgewandelt und der treibt dann einen Elektromotor an. Ist das also ein Schub für den alternativen Antrieb? Professor Thomas von Unwerth von der Technischen Universität Chemnitz beschäftigt sich schon seit 20 Jahren mit alternativen Fahrzeugantrieben, schönen guten Morgen!
Thomas von Unwerth: Ja, schönen guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Ich habe es gerade gesagt, in München treffen also zwei alternative Antriebssysteme im Carsharing-Sektor aufeinander. Werden die sich beide durchsetzen?
von Unwerth: Sicherlich haben beide ihre Berechtigung. Die batteriebetriebene Elektromobilität sicherlich weiter für die Kurzstreckenmobilität, aufgrund der dann doch recht geringen Energiedichten, die die heutigen Akkumulatoren zulassen, wird die Brennstoffzelle aber sicherlich für die Langstreckenmobilität eher eine Option sein, weil wir einfach aufs Gewicht bezogen eine viel höhere Energiedichte ähnlich wie bei Benzin und Diesel im Tank haben.
Brink: Also, Sie sagen, es fehlt immer noch an der Batterie zum Beispiel beim E-Auto?
von Unwerth: Ja, die Batterie ist nun ein elektrisch-chemischer Energiespeicher, der den physikalischen Gesetzmäßigkeiten folgend eben eine obere Grenze für die Energiedichte besitzt, die, sage ich mal, auch die besten Ingenieure in Zukunft sicherlich nicht wesentlich nach oben verschieben werden können. Der Wasserstoff als chemischer Energieträger eben ähnlich wie die Flüssigkraftstoffe Benzin und Diesel hat von Hause aus einfach eine viel höhere Energie, die er mitbringt, und damit können wir auch höhere Reichweiten bewerkstelligen.

Der Tank ist schnell wieder voll

Brink: Nun können wir uns ja vorstellen, wie das beim E-Auto funktioniert mit der Batterie, also im Ungefähren. Können Sie uns noch mal erklären, wie das genau mit dem Wasserstoff im Tank funktioniert? Ich habe es schon kurz angedeutet, Brennstoffzelle.
von Unwerth: Ja. Der Wasserstoff wird unter hohem Druck gespeichert, im Stand der Technik sind dort 700 Bar. Sie können ihn an einer gewöhnlichen Tankstelle, die für Wasserstoff ausgerüstet ist, nachtanken, das geht im Übrigen auch in sehr geringen Nachladezeiten, das heißt, in drei, vier, fünf Minuten ist der Tank ähnlich wie bei Benzin und Diesel wieder voll. Dann wird der Wasserstoff einer Brennstoffzelle zugeführt, dem elektrisch-chemischen Energiewandler in dem Sinne, und der Wasserstoff wird dann gemeinsam mit dem Luftsauerstoff in nichts anderes als elektrische Energie und Wärme umgewandelt. Und das ist gleich ein weiterer Vorteil der Brennstoffzelle, Sie haben auch im Winter, wenn es kalt ist, direkt Wärme im Fahrzeug zur Verfügung, die Sie bei der Batterie sonst auf elektrischem Wege erzeugen müssten.
Brink: Wie stelle ich mir dann die Tankstelle vor?
von Unwerth: Die Tankstelle ist eigentlich ähnlich … an einer gewöhnlichen Tankstelle angesiedelt. Dort wird eine weitere Zapfsäule installiert, der Wasserstoff wird zugeliefert über Tanklastwagen oder Pipelines und Sie stecken den Tankrüssel ins Fahrzeug und tanken Ihr Fahrzeug in wenigen Minuten voll.
Brink: Sie schildern das so unglaublich einfach und problemlos. Warum gibt es dann das nicht schon längst?
von Unwerth: Na, wissen Sie, eine der großen Herausforderungen ist sicherlich noch die Kosten. Die Kosten, wir haben in den letzten zehn Jahren eine Kostendegradation gesehen, das heißt, die Systeme sind günstiger geworden, aber wir haben sicherlich noch einiges gerade im Hinblick auf die Produktionsprozesse an technischen Aufgaben vor der Brust, die gelöst werden müssen, um die Technologie zu einigermaßen akzeptablen Kosten produzieren und darstellen zu können. Und jeder, der sich mit der Automobilentwicklung beschäftigt, weiß, dass es von einem Prototypen bis zum Serienfahrzeug dann doch noch ein sehr weiter Weg ist.

Hoffen auf Förderprogramme

Brink: Nun hat man sich ja vorgenommen, die Bundesregierung hat sich ja auch vorgenommen, sehr viele E-Autos auf die Straße zu bringen. Das ist ja bislang irgendwie noch nicht passiert, obwohl die Technik ja eigentlich da ist. Kann man das jetzt übertragen auch auf die Brennstoffzelle, dass das … sagen wir mal, die Absicht gut ist, aber die Umsetzung irgendwie, daran hakt es noch?
von Unwerth: Ja, sicherlich. Also, die Umsetzung kann natürlich nur dann im großen Stil erfolgen – gerade für die Brennstoffzellen gilt das –, wenn eine entsprechende Infrastruktur vorhanden ist, also wenn Tankstellen denn da sind. Und ja, die letzten zehn Jahre haben wir immer wieder über dieses Henne-Ei-Problem diskutiert, dass natürlich die Automobilhersteller erst dann im großen Stil Fahrzeuge produzieren können und wollen, wenn eine Infrastruktur da ist. Und die Infrastruktur kann nur entstehen, wenn entsprechende Fahrzeuge im Markt sind.
Also, dieses Henne-Ei-Problem hoffe ich, dass wir das in den nächsten Jahren durch entsprechende Förderprogramme, über das NIP zum Beispiel der Bundesregierung angehen können und damit in Zukunft die Brennstoffzelle immer mehr und mehr im Markt sehen werden.
Brink: Jetzt kommen wir noch mal zurück auf das Beispiel in München, wo die beiden Carsharing-Typen ja miteinander konkurrieren. Also auf der einen Seite DriveNow, also das E-Auto, auf der anderen Seite jetzt diese neue Firma BeeZero, die mit der Brennstoffzelle startet. Wie wird das ausgehen?
von Unwerth: Ich denke, der Kunde wird sich überzeugen lassen, dass er mit dem Brennstoffzellen-Wasserstoff-Fahrzeug größere Reichweiten zurücklegen kann, dass er recht unproblematisch nachtanken kann, ohne, ich sage mal, lange nach einer Ladesäule suchen zu müssen. Weil eine … Es ist zugegebenermaßen eine Tankstelle in München vorhanden, man kann die aber anfahren, in wenigen Minuten tanken und dann ist Platz für das nächste Fahrzeug.
Das heißt, man muss nicht halbe … nicht eine halbe Stunde oder eine Stunde oder einen längeren Zeitraum warten, dass diese Tanksäule wieder frei wird. Ich denke, wenn der Kunde sich mal mit diesem Fahrzeug … diesen Fahrzeugtypen mal least, mietet, das Fahrzeug ausprobiert, wird er feststellen, dass das eine recht problemlose Technologie ist. Und die Hyundais, die dort zur Verfügung gestellt worden sind, die Koreaner sind da wirklich führend im Moment … Ja, wird man also merken, dass diese Fahrzeuge tatsächlich serienreif sind. Man kann die ganz gewöhnlich fahren wie ein Benzin-Fahrzeug.
Brink: Also, sie werden den E-Autos den Rang ablaufen, Ihre Einschätzung?
von Unwerth: Das in den Großstädten vielleicht nicht zwingend. Nun, gerade ist für die Kurzstreckenmobilität, habe ich gerade schon erwähnt, die Batterieelektromobilität sicherlich auch ein ganz wichtiger Faktor. Wenn es dann aber auf die Langstrecke geht, dann werden wir sicherlich die Brennstoffzellenfahrzeuge … werden die Brennstoffzellenfahrzeuge sicherlich die Nase vorn haben, ganz sicher.
Brink: Vielen Dank, Professor Thomas von Unwerth von der Technischen Universität in Chemnitz. Danke für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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