Als Spitzenkoch in der Dorfwirtschaft

Von Detlef Grumbach · 21.03.2006
Kochen ist "in" - und viele Spitzenköche haben mittlerweile Sendezeiten auf zahlreichen Fernsehkanälen. Im wirklichen Leben trifft man sie in Hamburg, München, Berlin oder anderen "Metropolen der Gourmets". Frank Erhardt aus dem badischen Legelshurst hat es über Baden-Baden und München bis nach Hamburg gebracht – in die Küche des Starkochs Josef Viehhauser. Aber das alles nur, um anschließend wieder zurückzukehren: ins "Gasthaus Blume", wo er groß geworden ist.
Frank Erhardt: "Kochen kann man nicht erlernen. Entweder man kann’s oder man kann’s nicht. Geht noch gibt’s nicht! Entweder es ist gut oder schlecht. Schlecht in Anführungsstrichen. Aber so einen Mittelweg gibt es nicht."

Frank Erhardt ist Perfektionist. Kochen ist für ihn Beruf, Leidenschaft, und so etwas wie eine Kunst.

Frank Erhardt: "Man sieht immer, wenn die Leute zum Essen kommen, es macht ihnen Spaß, schön zu essen. Und es macht mir jetzt Spaß, so etwas rüber zu bringen an die Leute. Und man ist auch stolz darauf, so etwas zu können."

Aufgewachsen ist der 37-Jährige in Legelshurst, einem 2000-Seelen-Dorf zwischen Offenburg und Straßburg. Hier hat er, nach ausgiebigen Lehr- und Wanderjahren, vor sieben Jahren von seinen Eltern das "Gasthaus Blume" übernommen. Groß, stämmig, breitbeinig steht der brünette Mann da, in Kochjacke und Schürze, strahlt Kraft und Ruhe aus.

Frank Erhardt: "Und wenn man dann den Fernseher anmacht, sieht man Leute wieder, die man kennt: von der Gastronomie als Gäste, wie auch als Köche, die sich ja auch im Fernsehen präsentieren. Das ist schon schön. Das macht schon Spaß."

Frank Erhardt macht sich gerade und stützt die Arme in die Hüften. Er genießt seinen Beruf. Und er zelebriert ihn auch. Als er sich nach einer Metzgerlehre entschlossen hatte, auch noch richtig Koch zu lernen, hat er jede Chance ge-nutzt - zusammen mit seiner Frau Sandra - dunkles, lockiges Haar -, die parallel eine Hotelausbildung gemacht hat und heute für die Gaststube zuständig ist. Über Baden-Baden kamen die beiden nach München ins Hilton.

Dort hatte man sich einen Stern und 17 Punkte erkocht. Die Steigerung war dann das legendäre, "Le Canard" in Hamburg mit 18 Punkten. Dort lernte Frank Erhardt bei Josef Viehhauser - damals der Star der Branche und noch immer ein guter Name.

Frank Erhardt: "Die ersten zwei Monate waren für uns die Hölle."

Kochen lernen auf diesem Niveau ist Knochenarbeit:

Frank Erhardt: "Da konntest du machen was du wolltest, es war nie Recht."

Saucen, Beilagen, Desserts. Die Hierarchie ist streng. Kreativität - das hat Zeit. Nur einer hat das Sagen - und der bestimmt, was auf den Teller kommt.

Frank Erhardt: "Am Anfang habe ich das mal gut machen wollen und habe schön Gemüse tourniert, und dann hat er das gesehen und gesagt, so einen Eintopf möchte er nicht. Und nach zwei Jahren 'Le Canard' habe ich zu Hause angefangen und das war richtig schwierig am Anfang."

Im Nachhinein war es seine schönste Zeit im "Le Canard". Hamburg ist die "Metropole der Gourmets", so schreibt es das Hamburger Abendblatt. Hier wird bei Johannes B. Kerner gekocht, hier veranstaltet Tim Mälzer Koch-Shows im Congress-Center. Frank und Sandra Erhardt haben hier gute Freunde. Sie wäre gerne noch etwas in der Hansestadt geblieben, aber ...

Sandra Erhardt: "Mein Ziel vielleicht nicht, aber es war immer schon sein Ziel, hierher zu kommen und das zu übernehmen. Und da war für mich klar, dass ich da einfach mitziehen muss."

Frank Erhardt: "Klar, kamst nach Hause, wurde eine Riesenhoffnung geschrieben, aber wenn du etwas geändert hattest, dann haben die Leute Probleme gehabt. Ich mein, der kommt da von der Stadt aufs Dorf und meint, er muss da große Dinge machen."

Mit dem Können hat Frank Erhardt auch höhere Ansprüche mitgebracht. Neue Stühle, neue Tischtücher - und 300.000 Euro hat er allein in eine neue Küche investiert. Die Eltern haben nur noch gestaunt.

Frank Erhardt: "Ja, das sind andere Welten. Das braucht man nicht. Das muss man nicht. Aber so im Großen und Ganzen haben sie es schon akzeptiert. Manchmal sind sie erst rausgegangen und haben wahrscheinlich gegen einen Stuhl getreten oder gegen die Wand, aber das habe ich so nicht mitbekommen."

Frank Erhardt: "Bei mir gibt es nicht viel auf den Teller, also von der Menge her schon, aber eine Gemüseart, eine Beilage und ein Produkt. Nehmen wir an, Rinderfilet oder Rehrücken mit Wachholdersauce, Spätzle und Rosenkohl zum Beispiel."

Dort, wo es seid gut 250 Jahren gute Hausmannskost gab, zieht jetzt die Haute Cuisine ein? Ja und nein. Frank Erhardt ist in der Region verwurzelt, er schöpft aus ihren Ressourcen. Auf dem Speiseplan stehen ein wunderbares Rinderfilet mit Meerrettichkruste, aber auch deftige Blutwurst-Rösties, Pilzgerichte oder - nur auf Vorbestellung - badischer Saumagen. Die Eltern helfen im Hintergrund, am Stammtisch wird oft nur ein Bier getrunken oder Karten gespielt, aber das muss auch sein, sagt er. Denn am Sonntagmit-tag kommen die Männer dann mit ihren Familien zum Essen.

Bodenständig und edel - das ist das Ziel. Und die Gäste aus der Umgebung, aber auch Europa-Abgeordnete aus dem nahen Straßburg oder der Erzbischof aus Freiburg lassen es sich bei ihm schmecken. Moden? So etwas macht er nicht. Oder anders: Er wartet, bis die deutsche Küche wie-der in Mode kommt. Wild am Tisch tranchiert. Da lebt er auf. Oder einen Kapaun.

Frank Erhardt:: "Wenn man den am Tisch tranchieren kann, ist das schon eine schöne Sache. Das bringt etwas her, die Leute schauen. Oh, das ist etwas Tolles.
Es heißt ja immer, Köche und Friseure sind alles Künstler."