Alltagsrassismus

Warum Schauspieler das Theater Gera-Altenburg verlassen

Szene aus "Die Schutzlosen. Les Zéros-Morts" am Theater Altenburg.
Probe am Theater Altenburg: Szene aus "Die Schutzlosen" © dpa / picture alliance/ Martin Schutt
Von Henry Bernhard · 04.01.2017
Ausländische Schauspieler und Musiker an deutschen Theatern sind heutzutage der Normalfall. So auch am Theater Gera-Altenburg in Thüringen. Vier von ihnen wollen nun allerdings weg. Die Ausländerfeindlichkeit in der Region hat sie völlig entnervt.
"Amahl und die nächtlichen Besucher" ist eine Kammeroper für die Weihnachtszeit, über eine gestreßte alleinerziehende Mutter, ihren Sohn und die Heiligen Drei Könige. Am Klavier im Theater Altenburg sitzen ein Japaner und eine Pianistin mit spanischen und japanischen Wurzeln, einer der Könige, Melchior, ist Chinese, Balthasar hat dänische und amerikanische Eltern. Alltag an deutschen Bühnen. Dennoch wollen mit dem Auslaufen der Spielzeit vier Schauspieler und Sänger ihren Vertrag mit dem Theater Gera-Altenburg nicht verlängern, weil sie sich in der Öffentlichkeit der Stadt als Ausländer angefeindet sehen. Unter ihnen ist die griechische Schauspielerin Katerina Papandreou:
"Also, um ganz ehrlich zu sein, die Situation hat sich sehr geändert im Vergleich zu vor zwei Jahren. Ich kann nicht sagen, dass ich jeden Tag Angst habe, wenn ich auf der Straße bin, aber ich fühle mich ganz oft unwohl, oder ich sehe Leute, die mich angucken, unfreundlich, weil sie meine Aussprache hören oder weil sie merken, dass von meiner Haut her oder meinem Haar her, dass ich keine Deutsche bin."
Dabei hat sie einen deutlichen Vergleich zur Situation in Altenburg vor drei Jahren:
"Das war gar nicht so. Vor drei Jahren waren zum ersten Mal hier für ein Projekt; ich war hier für drei Monate, ich konnte kein Deutsch. Und überall, wo ich gesagt habe, ich bin Griechin, alle Leute waren sehr froh, sehr freundlich. Jetzt ist es leider nicht so. Und man merkt das sozusagen jeden Tag irgendwie, mit komischen Blicken oder, 'Was macht die hier jetzt?' Aber es ist immer an der Grenze zur Höflichkeit, man kann nicht sagen, jemand hat mich angesprochen oder so, aber man merkt das. Man fühlt sich als Ausländer nicht mehr so wohl. Zu Hause kann ich das nicht nennen."

Das Arbeiten fällt in dem vergifteten Klima schwer

Sie werde weder angegriffen noch bedroht, aber das Arbeiten falle ihr in diesem Klima zunehmend schwer:
"Also, ich kann nicht sagen, dass ich gehe, weil ich Angst habe, aber ich finde die Stadt momentan sehr 'zu', wenn man das sagen kann. Und ich finde, dass sie so zu oder geschlossen ist, weil die Leute auch so eine Haltung haben. Es könnte viel offener hier sein, aber es ist nicht so. Und dann sage ich mir: Es ist genug jetzt. Also, man verliert auch die Inspiration irgendwie."
Deshalb will sie die Arbeit, die ihr Spaß macht, aufgeben und damit auch die soziale Sicherheit, und die Stadt, die ihr eigentlich gefällt, verlassen:
"Am Anfang bin ich traurig, wenn so etwas passiert, dann werde ich wütend und sauer, und dann bin ich auch unfreundlich. Und das ist ein Kreis, das hat kein Ende, das ist schade. Und ich denke mir ganz oft: Wenn ich so ein Problem habe, wo ich weiß bin, wie ist es, wenn jemand schwarz ist?"
Die Schauspieler Bernhard Stengele (l) und Manuel Kressin während der Fotoprobe für das Theaterstück "Kruso" im Theater Gera in Gera (Tühringen) auf der Bühne.
Die Schauspieler Bernhard Stengele (l) und Manuel Kressin während der Fotoprobe für das Theaterstück "Kruso" im Theater Gera in Gera (Tühringen) auf der Bühne. © dpa / Sebastian Kahnert
Die Antwort darauf gibt Bernhard Stengele, Schauspieldirektor am Theater Gera-Altenburg, stellvertretend für einen Schauspieler, der Altenburg ebenfalls verlassen wird:
"Wir hatten Ouelgo Téné, einen Kollegen aus Burkina-Faso, auch eingeladen für dieses Gespräch, und er hat gestern erst zugesagt, und dann hat er mich abends noch mal angerufen und hat gesagt, das geht nicht. Seine Anwesenheit hier hat sich so verändert, am Anfang war das wirklich schön für ihn, und er ist so verletzt! Er fühlt sich nur noch im Theater wohl, er mag nicht mehr alleine auf die Straße gehen, weil er immer und immer und immer mit schlechten Kommentaren und so weiter. Er war auch schon zwei Mal in einer bedrohlichen Situation, es ist nichts passiert, aber er möchte hier nicht mehr leben. Das Lebensgefühl hier, wenn er sich nur noch auf der Arbeit wohl fühlt, dann können wir ihn nicht halten - mit was denn? Wir können dich nicht jedes Mal hierher geleiten, du kannst in keine Kneipe gehen, das ist kein Leben mehr."

Der Schauspieldirektor ist von der Politik enttäuscht

Stengele sieht eine klare Verbindung zwischen dem wachsenden Rechtspopulismus in der Stadt und der ausländerfeindlichen Stimmung. Dabei genüge schon eine kleine Minderheit, um die zu erzeugen:
"Ich bin wirklich wahrhaft erbost darüber: Es wird jetzt immer davon geredet, dass man die Sorgen der Leute ernst nehmen soll. Aber keiner sagt, 'He, worüber regt ihr euch auf? In Altenburg, es gibt gar keine Ausländer hier!' Das ist eine vollkommen irrationale Angst, und die wird auch von Offiziellen auf eine Art und Weise ernst genommen, als ob es wirklich ein Problem gäbe! Also das ist der eigentliche Witz: Der Ouelgo mit seiner schwarzen Hautfarbe wird ja deshalb hier immer angesprochen, weil er fast der Einzige ist, der hier lebt! Und dass da nicht eine selbstverständliche, lockere Haltung auch von der Administration eingenommen wird, das enttäuscht mich maßlos!"
Die Landrätin zeigte sich erschüttert, der Oberbürgermeister distanziert sich von Fremdenfeindlichkeit und erklärt, dies sei ja ein deutschlandweites Phänomen, der Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff warnt:
"Ich halte das für ein ganz gefährliches Signal, ich halte das auch für die Internationalität unserer Theater und Orchester für ein ganz schlechtes Zeichen."
Und lädt die vier Schauspieler zum Gespräch. Allein, deren Entscheidung steht fest: Sie werden Altenburg verlassen.
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