Alles neu

Von Po Keung Cheung · 11.10.2010
Der Softwaregigant Microsoft konnte bislang auf dem Markt für Smartphones wenig punkten: zu langsam und zu kompliziert galt das bisherige Betriebssysteme. Die Kunden liefen scharenweise zur Konkurrenz von Apple und Google über. Mit dem "Windows Phone 7" holt Microsoft jetzt zum Gegenschlag aus.
Lange hat es gedauert. Nach 18 Monaten Entwicklungszeit ist "Windows Phone 7" startbereit. Reichlich spät, denn längst haben die Mitbewerber vorgemacht, wie sich Handys mit großen Displays und vielen Funktionen bedienen lassen können. Da konnte Microsoft mit dem alten System nicht mithalten: zu langsam, zu kompliziert und vor allem, zu filigran die Menüpunkte, um mit dem Finger vernünftig bedient zu werden.

Die Quittung stellten die Nutzer aus: Sie wanderten zu iPhone und dem Google-Betriebssystem Android, Microsofts Anteil am Handymarkt fiel auf einstellige Werte. Unternehmenschef Steve Ballmer zog schließlich die Reißleine und steckte die Ressourcen in die Entwicklung eines komplett neuen Systems. Dazu holte er den damaligen Chef von Microsoft Deutschland, Achim Berg, in die Firmenzentrale in die USA.

"Wir haben eine sehr gewagte, aber auch sehr richtige Entscheidung getroffen. Wir haben vor 18 Monaten entschieden, die komplette Basis zu tauschen. Also wir sind auf eine ganz moderne Plattform gegangen, haben alles neu entwickelt, um genau jetzt für die Zukunft gerüstet zu sein. Das heißt: Natürlich ist der Smartphone-Markt ein stark umkämpfter Markt und viele Player spielen, natürlich wird es da auch eine Verdrängung geben. Aber umso wichtiger ist, mit der richtigen Plattform dazustehen, mit der richtigen Technologie dazustehen, das haben wir in den letzten Monaten gemacht. Das heißt: Ich denke, dass die Karten jetzt neu gemischt werden und alle Analysen, die gemacht worden sind, werden vielleicht überholt werden, weil ein relativ gutes Betriebssystem kommt."

Der Zug schien für den Software-Monopolisten vergangener Zeit längst abgefahren. Die Fehler, die das Unternehmen im Bereich der Computersysteme machte, schienen sich bei den Handys zu wiederholen. Nun der komplette Neuanfang. "Windows Phone 7" soll es richten – womöglich die letzte Chance Microsofts, hier noch Fuß fassen zu können.

Dem ersten Anschein nach ist dem Softwareriesen das Aufbäumen gelungen, denn die überwiegende Zahl der der Fachjournalisten zeigt sich beeindruckt. Und der Blick auf die Bildschirme der Telefone zeigt, warum: Nichts erinnert mehr an den klobigen, antiquierten Vorgänger. Das neue System präsentiert sich grafisch ansprechend und leicht bedienbar. Auch Andreas Seeger, Redakteur des Online-Mobilfunkmagazins "Areamobile", selbst iPhone-Nutzer, ist überrascht.

"Ich bin sehr beeindruckt. In meinen Augen hat Microsoft hier eines der fortschrittlichsten mobilen Betriebssysteme auf den Markt gestellt. Da kann nicht viel mithalten, da kann höchstens noch iPhone, iOS, mithalten, von Apple und Android von Google."

Doch iPhone und Android haben einen weiten Vorsprung. Deren Marktanteile liegen mit 16 beziehungsweise 18 Prozent deutlich über dem von Microsoft. Auch die Zahl der optionalen Zusatzprogramme, der sogenannten "Apps" beträgt bei den Konkurrenten ein Vielfaches von dem, was für Windowsnutzer verfügbar ist. Hinzu kommt, dass die neuen Telefone wegen der technischen Minimalvorgaben nicht billig sein werden. Trotzdem geht Areamobile-Redakteur Andreas Seeger davon aus, dass Microsoft den Anschluss schaffen wird.

"Ja, sie sind spät, aber wenn man spät kommt und alles richtig macht, dann hat man noch gute Chancen. Und Microsoft hat die Marktmacht und auch die Ressourcen, um in diesem Markt jetzt ganz groß zurückzukommen. Man merkt es auch daran, die Netzbetreiber sind alle mit im Boot, freuen sich über das System, also es wird eine große Verbreitung finden."

Sowohl Vodafone als auch Telekom, O2 und E-Plus sind zum Verkaufsstart mit Geräten dabei, es sind zunächst fünf verschiedene Modelle von den Herstellern HTC, LG und Samsung. HTC-Europachef Florian Seiche glaubt, dass Microsoft zum richtigen Zeitpunkt kommt.

"Die Spielregeln ändern sich jeden Tag und gerade in Europa, wo Symbian so einen starken und dominanten Anteil gehabt hat, sehen wir, dass wer, wenn wer hier mit etwas Frischem, was Neuem kommt, unheimlich schnell Marktanteile gewinnen kann. Und Android hat es vorgemacht, und warum soll so ein neues System wie Windows 7, aus unserer Sicht hat es genauso das Potenzial, unheimlich schnell zu wachsen."

Wachstum wohl zulasten der Konkurrenzsysteme von Nokia und Blackberry, denn diese Hersteller kämpfen derzeit ebenfalls mit Marktanteilverlusten. Andreas Seeger von Areamobile schließt nicht aus, dass ihnen "Windows Phone 7" gefährlich werden könnte.

Doch ob Microsoft mit seinem neuen mobilen Betriebssystem wirklich Erfolg haben wird, entscheidet letztlich der Nutzer. Am 21. Oktober kommen die Geräte in den Handel.