Alles außer Religion

Arabische Bücher kaufen bei einer Tasse Tee

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Zu sehen sind Regale voller Bücher. In dem Raum ist auch ein Birkenstamm als Dekoration aufgestellt. Ein Mann sortiert Bücher in einen Schrank.
Die Berliner Buchhandlung für arabischsprachige Literatur Khan Aljanub (= Herberge des Südens) importiert Bücher aus Kairo und Beirut. © Deutschlandradio / Étienne Roeder
Von Étienne Roeder · 11.02.2021
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Romane, Ratgeber, Kinderbücher: Die Berliner Buchhandlung Khan Aljanub ist eine Oase für arabische Neuerscheinungen. Nicht im Angebot sind religiöse Bücher, denn die gebe es auch anderswo, meint Gründer Fadi Abdelnour.
Es ist wie der Eintritt in eine andere Zeit. In einem Hinterhof der vielbefahrenen Potsdamer Straße in Berlins Zentrum, unweit des Potsdamer Platzes, steht ein altes, zweigeschossiges Fachwerkhaus.
Im Erdgeschoss dieses architektonischen Reliktes aus einer Zeit, als in den Hinterhöfen noch Nutzvieh gehalten wurde, stapeln sich heute bis unter die Decke Bücher. Arabische Bücher. Hinter der Wand sind Schritte auf einer alten Holztreppe zu hören...
"Herr Abdelnour, hallo. Schönen guten Tag."
"Guten Tag!"
Fadi Abdelnour, kommt gerade aus seinem Atelier im zweiten Stock, wo er als Grafiker arbeitet und zeigt auf den kleinen idyllischen Innenhof.
"Wir haben hier auch, wenn sie die Kälte überleben, zwei Feigen. Aber auch Wein..."

Nachfrage nach arabischsprachiger Literatur

Seit knapp einem halben Jahr gibt es die arabische Buchhandlung Khan Aljanub. Khan, das ist ein altes persisches Wort für Herberge oder Markt. Und genau dieser Markt an arabischen Büchern, den gibt es in Berlin praktisch nicht. Das wollten Abdelnour und seine Mitstreiter*innen Rasha Hilwi und Mohammad Rabie ändern.
"Ja, man kommt an gute arabische Bücher hier einfach nicht ran. Das Angebot ist gering. Warum gibt es in Berlin eigentlich keine ordentliche Buchhandlung, arabische Buchhandlung? Und dann habe ich gesagt: Na, dann lass uns eine aufmachen."
Dass der Bedarf dafür groß ist, wusste der gebürtige Palästinenser Abdelnour durch eigene Erfahrung.
"Ich habe in Berlin zum Beispiel viele Freunde, die auf Arabisch schreiben und in der arabischen Welt veröffentlichen, und ich komme an deren Bücher nicht heran. Und genau, so kam die Idee."

Raum für Kinder- und Jugendbücher

Seit Abdelnour Vater ist, wurde die Frage für ihn immer drängender.
"Wir haben von Freunden, die gerade in Beirut waren, ein Geschenk bekommen. Die haben zwei Bücher mitgebracht, die waren so wunderschön. Da habe ich mich gefragt: Warum kann ich solche Bücher für meine Tochter hier nicht bekommen?"
Für Kinder und Jugendliche gibt es im Khan Aljanub daher einen eigenen Raum mit Spielecke. Aus französischen Weinkisten können sie sich eines der unzähligen, bunten Exemplare nehmen und auf einem gemütlichen, hellbraunen Ledersofa lesen, während die Eltern von Abdelnour beraten werden.
Die Bücher importiert er aus Beirut und Kairo, wo Literatur aus der ganzen arabischen Welt schon seit langem verlegt und vertrieben wird, wie ein altes Sprichwort verdeutlicht: "Kairo schreibt, Beirut druckt und Bagdad liest."
Bagdad habe eine ganze Straße, in der nur Bücher verkauft werden. Und Kairo und Beirut waren historisch die ersten Städte in der arabischen Welt, in denen Druckerzeugnisse entstanden, die in die gesamte Region exportiert wurden.
Nach Verzögerungen durch die Pandemie und die Explosion im Beiruter Hafen kommen sie nun endlich auch nach Berlin.
Im Laden gibt es auch einige Übersetzungen ins Deutsche und Englische, vor allem die Klassiker - große Poeten wie Mahmoud Darwisch oder den Nobelpreisträger Najib Mahfouz. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf arabischen Neuerscheinungen, Ratgebern, Kunst- und kulturwissenschaftlichen Zeitschriften, Sachbüchern und Romanen.
"Wir bekommen auch ganz viele Anfragen nach religiösen Bücher, aber meines Wissens gibt es mehrere Orte, wo man solche Bücher bekommt. Aber die Bücher, die wir haben, die gibt’ s kaum woanders."

Leser aus Syrien, Libanon, Palästina, Jordanien oder Ägypten

Was die Leser*innen jedoch genau wollen, das sei für ihn noch immer terra incognita, sagt Abdelnour.
"Die arabischen Leser hier sind eine Mischung aus verschiedenen Ländern, sie sind zum großen Teil auch jung, und man kann die nicht wirklich einordnen. Es gibt natürlich viele Syrer, aber es gibt auch viele Expats aus Libanon, Palästina, Jordanien, Ägypten. Und da sind wir dabei, den Markt zu erforschen.
Manches ist und bleibt klassisch und funktioniert immer, wie der Tee, den Fadi Abdelnour Gästen einschenkt. Mir empfiehlt er einen gar nicht klassischen, aber ortsbezogenen Text von Rasha Abbas, der auf Deutsch im Mikrotext Verlag erschienen ist.
Auszug auf Deutsch:
Geschäfte, Cafés und Bars schließen reihenweise und hinterlassen menschenleere Straßen und volle Einkaufszentren. All das konnte nur eines bedeuten. Die Hipster Apokalypse ist nah!
Das Spektrum ist also groß. Und bald, im postpandemischen Frühjahr sollen auch Lesungen und ein Leseclub für Jugendliche dazu kommen. Wenn dann hoffentlich die Feigenbäume das Hinterhofjuwel in einen zauberhaften Ort verwandeln, an dem sich Menschen verschiedenster Kulturkreise treffen und begegnen können.
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