Alle Kraft dem Schauspiel

Von Nicole Maisch · 29.05.2007
Seit der großen UFA-Zeit gab es nur wenige deutschsprachige Filmkünstler, denen eine internationale Karriere gelang. Romy Schneider gehörte zu ihnen. Sie drehte in halb Europa und in Hollywood.
"Ich war die Prinzessin nicht nur vor der Kamera. Ich war dauernd die Prinzessin. Ich war fast sieben Jahre lang Prinzessin. Aber dann wollte ich es halt eines Tages nicht mehr sein."

Fast ein Jahrzehnt nach der Sissi-Trilogie hatte Romy Schneider noch immer ein zwiespältiges Verhältnis zu der Rolle, die sie in den 50er Jahren berühmt werden ließ. 1972 erhielt die Schauspielerin die Gelegenheit, dieses erste Kapitel ihrer Karriere endgültig abzuschließen. Noch einmal schlüpfte sie in die Rolle der Kaiserin:

"Herrscher wie wir können keine Geschichte mehr machen. Wir sind nichts als Pomp."

Elisabeth und Sissi haben nichts gemein. Aus dem süßen Mädel ist eine Frau geworden: klarsichtig, klug, überlebenstüchtig. Zwischen der Trilogie und Viscontis "Ludwig II." liegen 15 Jahre und Romy Schneiders eigener Entwurf eines Künstlerdaseins.

1938 wurde Rosemarie Albach als Tochter des Schauspielerehepaars Wolf Albach-Retty und Magda Schneider in Wien geboren. Nach kurzer Kindheit gab sie schon mit 14 Jahren in "Wenn der weiße Flieder wieder blüht" ihr Debüt. Danach wurde aus Rosemarie "Romy" und aus der Internatsschülerin ein Leinwandprofi. Von Beginn an drehte das Mädchen zwei bis drei Filme im Jahr und wurde bereits 1955 mit "Sissi" zum Star. Der Film brachte in Deutschland mehr Zuschauer in die Kinos als der weltweite Kassenschlager "Vom Winde verweht". Doch schon bald versuchte Romy Schneider mit realistischeren Rollen in Filmen wie "Mädchen in Uniform" oder "Monpti" dem all zu braven Prinzessinnen-Bild entgegenzuwirken.

Bei allem Liebreiz, den sie auch in diesen Filmen verströmt - das Publikum war verstimmt. Denn tugendhaft sollte das Mädel sein und nur ein klein wenig kokett. Deshalb war schon ein Auftritt in Unterwäsche wie der in "Monpti" unverzeihlich.

Nach 17 Filmen, von denen unter filmkünstlerischen Aspekten keiner erwähnenswert ist, floh Romy Schneider ihr Image, ihre Familie und ihr Land. Im Alter von 20 Jahren hatte sie ihre erste Karriere bereits hinter sich. Die folgenreichste Begegnung ihrer zweiten war die mit Luchino Visconti. Unter seiner Regie gelang ihr mit dem Theaterstück "Schade, dass sie eine Hure ist" in Paris der Durchbruch. Für ihre Rolle lernte sie in wenigen Monaten perfekt Französisch, überwand ihre Bühnenangst und probte bis zur Ohnmacht. Die absolute Bereitschaft, alles aus sich herauszuholen, sich ganz in ihre Arbeit zu werfen, nahm in Frankreich sogar noch zu. Auf der Bühne wie auf der Leinwand überzeugte Romy Schneider mit der Unmittelbarkeit und Ungeschütztheit ihres Spiels. Doch was der Arbeit so sehr diente, war privat ein großer Mangel:

"Ich habe alles investiert, ich hab alles an Kraft und Nerven und Einsatz investiert, was ich investieren konnte. Ich hatte wirklich keine Kraft mehr am Schluss. Damit habe ich alles gesagt, ich war physisch und psychisch sehr müde","

sagt Romy Schneider nach den Dreharbeiten zu "Der Kommissar und das Mädchen". Für ihren Lieblingsregisseur Claude Sautet hatte sie sich insgesamt fünfmal alles abgerungen. Begonnen hatte diese Zusammenarbeit 1969 mit "Die Dinge des Lebens". Romy Schneider spielt in diesem Film Hélène, die junge Liebe eines Mannes, der an sein altes Leben gebunden bleibt:

""Wir haben keine Erinnerungen. Das ist für dich wie Leute, die kein Kind haben können, eine Niederlage. Aber ich kann es nicht ändern."

Die frühen 70er Jahre brachten der Arbeitswütigen den zweiten Höhepunkt ihrer Karriere. Meist verkörperte sie Frauen wie Hélène: wissend und erotisch, leidensfähig und stark, doch ohne Einfluss. Die Mittdreißigerin spielte auf hohem Niveau - und wurde wieder festgelegt. Nicht das brave Mädel haftete ihr nun an, sondern die tapfer Leidende. Dieses Mal aber kamen sich Rolle und Wirklichkeit gefährlich nah. Denn Romy Schneider blieb auch privat seltsam machtlos. Alice Schwarzer:

"Das ist das, was Romy so interessant macht. Dieses ganz harte Nebeneinander von hoher Begabung und Stärke und abgründigen Komplexen und Verletzlichkeiten und Masochismus und so weiter."

Um die Tiefen ihres Lebens besser zu ertragen, griff die Schauspielerin regelmäßig zu Alkohol und Tabletten. Doch am Ende siegte der Schmerz: die letzte, größte Wunde, der Unfalltod ihres Sohnes, nahm ihr die Überlebenskraft, die sie all ihren Kinofiguren zu schenken wusste. Am 29. Mai 1982 starb Romy Schneider 43-jährig an Herzversagen.