Alice Munro und Georg Büchner in einer zweigeteilten Langen Nacht

12.10.2013
In Abänderung des Programms widmen wir der diesjährigen Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro die erste Stunde der "Langen Nacht". Im Anschluss folgt wie angekündigt die literarische Collage über Georg Büchner: "Ich habe darüber meine eigenen Gedanken".
Das Fortschreiten der Liebe!
Eine Lange Nacht über die kanadische Schriftstellerin Alice Munro

Von Anne Ipsen und Daniela Kletzke

Alice Munro kam 1931 im kanadischen 3000-Seelen-Städtchen Wingham zur Welt, am falschen Flussufer, wo illegal mit Alkohol gehandelt wurde und Kinder und Erwachsene gefährliche Kämpfe austrugen.

Auch alle späteren Stationen ihres Lebens - das Stummwerden in der Hausfrauenrolle, das Aufatmen und die Glücksuche der 70er-Jahre, Selbstbehauptung, Abschiede und Alter - hat sie kühn und mitfühlend in Short Stories beschrieben und dabei eine Geschichte der Gefühlslagen und Lebensumbrüche im 20. Jahrhundert geschaffen, auch eine Chronik der Aufbrüche von Frauen.

Mit archäologischer Lust und Präzision verfolgt sie Familiengeschichten bis in die Zeit der ersten weißen Siedler in Kanada zurück. Fast immer geht es dabei um Liebe, ihre Formen, Verwandlungen, ihren Verlust und ihr Fortwirken. Schriftstellerkollegen bewundern Alice Munro als Meisterin der kurzen Form.

In der "Langen Nacht" durchstreifen wir die Straßen von Munros Imagination. Es gibt kaum ein größeres Vergnügen, als die Handlungsreisenden, Schlachter, Bibliothekarinnen, verkrachten Ehepaare und trotzigen Kinder in den Hinterzimmern kennenzulernen.



"Ich habe darüber meine eigenen Gedanken"
Georg Büchner in einer Langen Nacht


Eine Collage aus Briefen, Dichtungen und Dokumenten gestaltet von Hans Bräunlich

Im Zentrum dieser "Langen Nacht" steht ein zweistündiges Büchner-Porträt: eine Art innere Autobiografie aus Briefen, dem dichterischen Werk und aus Zeitdokumenten über Büchner zu einer szenischen Collage gestaltet.

Vor 200 Jahren, am 17. Oktober 1813, wurde Georg Büchner geboren und starb, gerade mal 24-jährig, 1837. Doch welch ein Werk hat Georg Büchner in nur drei Jahren Arbeit hinterlassen: herausragende Theaterstücke wie "Dantons Tod", "Woyzeck" und "Leonce und Lena". Dazu die Novelle "Lenz" und die polemische Flugschrift "Der hessische Landbote". Viele Briefe sind überliefert, die seine Gedanken und Hoffnungen enthalten.

Die moderne deutsche Literatur ist ohne Georg Büchner nicht vorstellbar. Wohl auch deshalb trägt der wichtigste Literaturpreis für deutschsprachige Autorinnen und Autoren, verliehen von der Akademie für Sprache und Dichtkunst, seinen Namen. 1985 erhielt Heiner Müller den Büchner-Preis. In seiner Dankesrede sprach er von der immer noch "offenen Wunde Büchner".

Kaum ein anderer die Zeiten überdauernder Autor enthüllt mit derart gedanklicher Klarheit und poetischer Lakonie die Brutalität menschlicher und sozialer Widersprüche, wie Georg Büchner: "Was ist das, das in uns lügt, mordet, stiehlt?"

Aus urheberrechtlichen Gründen können wir diese Lange Nacht leider nicht zum Nachhören anbieten.