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US-Strafzölle
"Ein Handelskrieg wäre schlimm für uns alle"

Im Streit um Strafzölle zwischen den USA und der EU hat Elmar Brok (CDU) zum Einlenken aufgerufen. "Wir hoffen, dass in den Gesprächen noch Vernunft einkehrt", sagte Brok im Dlf. Die EU sei als Handelsmacht stärker als die Vereinigten Staaten von Amerika und allein deswegen nicht wehrlos.

Elmar Brok im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 08.03.2018
    Elmar Brok (CDU), Mitglied der Europäischen Parlaments
    Elmar Brok (CDU), Mitglied der Europäischen Parlaments (Kay Nietfeld/dpa)
    Tobias Armbrüster: Es kracht in diesen Tagen ganz gehörig zwischen Brüssel und Washington. Donald Trump hat Strafzölle angekündigt, erst auf Aluminium und auf Stahl, dann auch auf Autos. Die EU hat gestern in Brüssel Gegenschritte angekündigt und jetzt kommt aus Washington die Nachricht, die Strafzölle aus den USA, die könnten schon heute konkret werden und es könnte auch Ausnahmen geben für bestimmte Länder, die Zugeständnisse machen.
    Einer, der diesen Handelsstreit schon längere Zeit beobachtet, ist der CDU-Politiker Elmar Brok. Er ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Europäischen Parlaments. Ich hatte vor dieser Sendung Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, und zwar zunächst über die angekündigten Strafzölle der EU, von denen wir gestern gehört haben, Strafzölle auf amerikanischen Whisky und auf amerikanische Erdnussbutter. Frage an Elmar Brok: Will die EU diesen Streit jetzt weiter anheizen?
    Elmar Brok: Nein. Ich glaube, es sind ja Wirtschaftsfaktoren, die nicht so besonders wichtig sind, sondern sie sollen Nadelstiche sein. Mit Whisky ist Jack Daniels gemeint aus Tennessee; das ist der Wahlkreis von Paul Ryan, der sich jetzt schon gegen die Strafzölle geäußert hat. Und so hat man hier Bereiche, symbolische Bereiche ausgesucht, die ihnen Schwierigkeiten machen in Gebieten, die insbesondere Trump-hörig sind, oder Abgeordneten, die besonders Trump-hörig sind.
    "Wichtig zu zeigen, dass die gesamte EU reagiert"
    Armbrüster: Aber wäre es nicht klüger gewesen, zumindest zunächst mal ein bisschen noch abzuwarten, bevor man schon selber mit Ideen über Strafzölle ankommt?
    Brok: Nun, man hat gesagt, wenn ihr das macht, machen wir. Das ist ja nicht der Beginn der Geschichte. Darüber wird ja debattiert seit November spätestens, dass dieses passiert, und intern wussten die Amerikaner, dass das passieren würde. Und ich glaube, es ist auch wichtig, dass man ihnen zeigt, dass die gesamte Europäische Union reagiert. Wenn es gegen deutschen Stahl geht, muss Amerika wissen, die gesamte Europäische Union ist dann der Ansprechpartner, der dann auch handelt. Deswegen ist dies der Versuch, mit symbolkräftigen Bereichen, Spitzen, auch Agrarprodukte von Florida und so weiter, da deutlich zu machen, überleg' es Dir noch mal.
    Armbrüster: Aber die USA wissen natürlich auch genau, wen sie mit Strafzöllen auf Autos treffen, nämlich vor allem Deutschland. Da sind die Amerikaner ja auch nicht auf den Kopf gefallen.
    Brok: Ja sicher! Aber dann werden sie wiederum mit der gesamten Europäischen Union es zu tun haben, denn auch die Italiener exportieren viele Autos und die Franzosen sind inzwischen auch gut. Und es trifft inzwischen auch die Engländer in der Zwischenzeit, solange sie noch Mitglied der Europäischen Union sind, auf die es dann auch geht, und da können sie keine Ausnahmen machen, so dass sie dann wiederum es mit der gesamten Europäischen Union zu tun haben. Die Europäische Union ist als Handelsmacht stärker als die Vereinigten Staaten von Amerika und deswegen sollten wir, glaube ich, zeigen, dass wir handlungsfähig sind, dass wir nicht wehrlos sind. Aber man sollte versuchen, es nicht hochzuschaukeln, und wir hoffen, dass in den Gesprächen dann doch noch Vernunft einkehrt. Und wenn ich sehe, dass der Wirtschaftsberater geht, dass wichtige Abgeordnete, Fachleute in den USA sagen, das ist nicht gut für Amerika, dann hoffen wir, dass man hier wieder zusammenkommt und miteinander reden kann.
    "Trump wollte nicht gegen China alleine vorgehen"
    Armbrüster: Hätte die EU diesen ganzen Streit denn nicht eigentlich vorhersehen können?
    Brok: Er war ja angekündigt. Aber wir haben ja auch Probleme mit Stahl: Das ist China. Trump wollte aber offensichtlich nicht gegen den Dumping-Stahl aus China alleine vorgehen, weil er es sich dann mit den Chinesen alleine verdorben hätte, sondern da hat er die Welt mit einbezogen, die hiermit gleichgesetzt werden mit den Chinesen, die in der Tat zu Dumping-Preisen auch nach Deutschland exportieren. Deswegen hätte man hier, glaube ich, deutlich machen müssen: Mr. Trump, nutze WTO-Regeln, mach‘ Dumping-Verfahren, wie die WTO das vorsieht, und dann kann man solche Maßnahmen gegen Länder angreifen und vornehmen und nicht einfach wild durch eigene Entscheidungen ohne Anerkennung internationaler Regeln so etwas zu tun.
    Armbrüster: Aber Donald Trump hat immer wieder gesagt, er will alles Mögliche tun, um diesen riesigen Überschuss, dieses riesige Handelsdefizit der USA abzubauen. Deshalb noch mal die Frage: War das nicht eigentlich ein Streit, den man hätte vorhersehen können, wenn Donald Trump so was schon im Wahlkampf vor fast zwei Jahren gesagt hat?
    Brok: Ja. Wir wollten deswegen ja auch das TTIP-Abkommen haben, um nichttarifäre Handelshemmnisse abzubauen, Zölle abzubauen. Auf diese Art und Weise hätten in vielen Bereichen die Amerikaner besseren Zugang auch zum europäischen Markt bekommen. Das heißt, das Instrument, das dafür auch vorgesehen war, hat er ja selbst abgelehnt.
    "Erschwernisse sind ja in niemandes Interesse"
    Armbrüster: Das heißt, wenn TTIP jetzt nicht kommt, dann lässt sich die EU auch auf einen Handelskrieg ein?
    Brok: Wir wollen ihn nicht vollziehen, aber wir wollen nicht allein Opfer sein. Es muss der anderen Seite klar sein, dass sie sich nicht allein auf Kosten eines Landes bedienen kann. Und Sie müssen ja sehen, dass in bestimmten Sektoren die Amerikaner ungeheure Vorteile haben. Wenn wir jetzt beispielsweise reagieren würden bei all den Technologieprodukten, von Google bis, oder hier Erschwernisse machen für Amazon, das ist ja in niemandes Interesse. Aber das würde erheblich den Amerikanern schaden, und das ist ohnehin ein Punkt. Wir haben ja auch die Fragen von Steuerschlupflöchern, zu wenige Steuerzahlungen durch solche amerikanischen Unternehmen in Europa. Das ist ja ein Thema für sich, das ja auch im Koalitionsvertrag drinsteht und wo wir etwas machen müssen. - Ein Handelskrieg wäre schlimm für uns alle.
    Armbrüster: Fakt ist aber auch, Herr Brok: Dieser ganze Streit hat ja seinen Ursprung darin, dass die Europäische Union dieses riesige Handelsdefizit überhaupt aufgebaut hat, dass die EU so viele Produkte in die USA exportiert und im Gegenzug nicht so viele Produkte aus den USA nach Europa reinlässt. Müsste die EU nicht eigentlich ein Interesse daran haben, selbst ein Interesse daran haben, dieses massive Ungleichgewicht abzubauen?
    Brok: Das wollten wir durch den TTIP-Vertrag machen. Aber wir lassen ja nun nahezu alles hier rein aus den Vereinigten Staaten von Amerika.
    Agrarbereich als Ausnahme
    Armbrüster: Aber brauchen wir denn wirklich ein Abkommen, um so einen Missstand zu beheben? Kann die EU da nicht von sich aus aktiv werden, zum Beispiel die Binnennachfrage innerhalb der Europäischen Union einfach stärken, ein bisschen weniger vom Export leben und mehr vom Warenaustausch innerhalb der EU selbst?
    Brok: Dieses ist eine Frage, die gerade Deutschland angeht. Das ist in den letzten zehn Jahren gestiegen. Aber es hat natürlich auch mit der Art von Produkten zu tun, die ein Land hat. Wir müssen sehen, dass in vielen Bereichen außer diesen Googles und diesen Technologiefragen amerikanische Produkte hier auf dem Markt nicht gefragt werden. Amerikanische Autos kauft keiner, der einen Mercedes oder einen Audi haben kann. Das hat damit zu tun und wir müssen sehen: Der einzige Bereich, wo wir strikt sind und vielleicht manchmal zu strikt, ist der Agrarbereich. Hier hätten wir bei den TTIP-Verhandlungen wirklich etwas machen können, um hier Maßnahmen wegzubringen. Aber wir müssen sehen, dass wir hier große Schwierigkeiten in unserer eigenen Bevölkerung haben. Das würde bedeuten Chlorhühnchen; darüber hat es schon oft Streit mit den Amerikanern gegeben. Das hätte aber nicht die ökonomische Dimension, um den Handelsbilanzüberschuss abzubauen. Der Überschuss Chinas zu den USA ist weit größer als das europäische.
    Armbrüster: Wir sind auf einmal alle sehr empfindlich, wenn es um Strafzölle geht, die gegen uns, gegen die Europäische Union verhängt werden. Andererseits kann man ja auch sagen, die EU selbst tritt auf dem Weltmarkt auch teilweise sehr rigoros auf, etwa wenn es um Handelsbeschränkungen mit ärmeren Ländern Afrikas geht. Messen wir da nicht eigentlich mit zweierlei Maß?
    Brok: Wir haben immer – und das ist wohl der einzige Bereich – mit Afrika den Bereich der Agrarpolitik, wo es immer noch nicht offene Weltmärkte gibt. Das ist zweifelsohne so. Aber das ist ja im Volumen nicht das Entscheidende, was diese großen Defizite ausmacht.
    "Deutschland darf nicht abhängig sein von Agrarprodukten aus Australien"
    Armbrüster: Das heißt, da schützt sich die EU mit solchen Handelsbeschränkungen?
    Brok: Da schützen sich im Agrarbereich mehr oder weniger alle. Das hat auch damit zu tun, dass man geordnete Kulturlandschaften behalten möchte und dass man auch eine eigene Ernährungsbasis behalten möchte. Ich möchte nicht, dass Deutschland abhängig ist von Agrarprodukten aus Australien und Neuseeland in Zeiten von Krisen. Deswegen ist Agrarpolitik immer etwas anderes. Aber ich glaube, hier könnte man sehr viel mehr machen, wenn bei den Standards Vergleichbarkeit ist. Es ist schwierig, was Nahrungsmittelsicherheit angeht, Umweltschutz und so weiter, gerade bei Agrarprodukten das zu machen. Da ist ja auch ein hohes Maß an Sensibilität unserer eigenen Bevölkerung, dies zu machen. Aber ich glaube, dass man da sehr viel mehr machen kann, indem man überzeugt. Aber wir müssen auch sehen, dass wo die Standards gleich sind – und beim Stahl haben wir keine unterschiedlichen Standards – man nur verbieten darf, wenn man Dumping-Preise macht, und diese Dumping-Preise aus Deutschland existieren nicht. Deswegen ist das nach WTO-Regeln rechtswidrig.
    Armbrüster: Da würden Ihnen jetzt viele Wirtschaftswissenschaftler widersprechen und sagen, natürlich haben wir in Deutschland ein Lohndumping erlebt in den vergangenen Jahren, vor allen Dingen durch die große Zurückhaltung bei der Lohnentwicklung.
    Brok: Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass der deutsche Lohn für Stahlarbeiter geringer ist als der amerikanische Lohn für Stahlarbeiter. Ich glaube, an der Stelle haben wir keinen Unterschied. Das wäre ja die Vergleichbarkeit, dass wir durch geringe Lohnzahlungen Wettbewerbsverzerrungen im Stahlsektor haben. Ich glaube, das ist eine Frage insgesamt, aber da holt ja auch inzwischen der Arbeitsmarkt auf. Wenn ich die letzten Tarifverträge ansehe, findet hier die Angleichung statt. Und dass wir in Deutschland vielleicht so klug gewesen sind, dass wir immer die Beziehungen von Produktivität und Löhnen gehabt haben, ist vielleicht einer der Gründe für unsere Stärke.
    "Wenn ich sein Ego beobachte, habe ich Angst"
    Armbrüster: Wie gesagt, viele Wirtschaftswissenschaftler würden sagen, da hinken wir Jahre hinterher. Trotzdem noch zum Schluss die Frage: Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass dieser Handelskrieg jetzt tatsächlich eintritt, dass der kommt?
    Brok: Ich habe große Befürchtungen, weil Präsident Trump das zu seiner eigenen Frage gemacht hat, und wenn ich sein Ego beobachte, habe ich Angst, dass er die Kurve kriegt. Aber ich hoffe, dass wir schnell zwischen der Europäischen Union und den USA, aber vielleicht anderen noch dabei reden, wie man Derartiges in den Griff bekommen kann, und dass wir wieder deutlich machen, es müssen die Regeln des Handels gelten, und gemeinsam müssen wir dann wegen Ihrer Frage zu Afrika auch bereit sein, für Afrika sehr viel sowohl handelspolitisch zu tun als auch auf andere Art und Weise. Die Amerikaner haben jetzt ihre Entwicklungshilfe für Afrika um 50 Prozent gekürzt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.