Album "Shore" der Fleet Foxes

Überraschungsalbum ohne Überraschung

08:45 Minuten
Der Frontman der US-Band Fleet Foxes, Robin Pecknold, steht - eine Hand in der Tasche seiner Jeans - in einer Wiese, im Hintergrund Bäume, darüber blauer Himmel mit ein paar Wolken.
"Der Versuch einer Aneinanderreihung großformatiger Natur- und Stimmungsimpressionen", sagt Kritikerin Fanny Tanck über das neue Album der Fleet Foxes. © Emily Johnston
Fanny Tanck im Gespräch mit Oliver Schwesig · 23.09.2020
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Das vierte Album der US-Folk-Pop-Band Fleet Foxes kam für viele unerwartet - die Platte selbst sei jedoch wenig überraschend, sagt Kritikerin Fanny Tanck. Es gehe noch immer stark um Eskapismus. Trotzdem vermisse sie das Wiedererkennbare.
Die US-Band Fleet Foxes war in den Nullerjahren die Adresse für mehrstimmigen Folk-Pop gepaart mit psychedelischem Sound aus den 60ern - der Sound der Westküste der USA. Damit wurden die Fleet Foxes zu Vorreitern eines Folk-Revivals, das die alternative Popmusik bis heute prägt.
Für viele unerwartet haben nun die Fleet Foxes am Dienstag um 15.30 Uhr deutscher Zeit einen Stream ihres vierten Albums "Shore" veröffentlicht. Dazu gab es noch einen Film, ebenfalls mit dem Titel "Shore". Das Album wurde als ganz besondere Überraschung angekündigt.

Vielleicht zu perfekt

Eine wirkliche Überraschung sei es aber nicht, sagt Musikkritikerin Fanny Tanck. Musikalisch habe es sie nicht überzeugt. "Es gibt zwar durchaus schöne Momente und auch gute Ideen, vor allem im zweiten Teil des 15 Songs starken Albums. Es gibt aber nur wenige wirklich herausragende Songs oder mitreißende Melodien – also weniger zumindest als früher bei den Fleet Foxes."
Dieses Album solle jedoch auch keine Hit-Platte im herkömmlichen Sinn sein, so Tanck. "Es ist ja eher der Versuch einer Aneinanderreihung großformatiger Natur- und Stimmungsimpressionen." Aber klanglich sei vieles so überfrachtet, dass es stellenweise auch anstrengend werde.
Die Produktion sei geschliffen und perfekt, zu perfekt vielleicht, so Tanck. "Aber ich vermisse etwas Entschiedenes an diesen Songs. Ich vermisse die Band darin, das Wiedererkennbare, Fertiggedachte an den Fleet Foxes."
"Trotzdem ist das Album dort am besten, wo es songwriter-mäßiger wird und nicht dort, wo es mit großen Gesten aufwartet. Denn diese mäandernden Wellenbewegungen tragen am Ende nicht über ein ganzes Album."

Vom Zeitgeist geprägt

Außerdem sei das Album ein "Zeitgeist-Album". Mit ihren ersten Platten hätten die Fleet Foxes den Zeitgeist geprägt. Jetzt finde sie es schade, so Tanck, "dass sie sich diesem Sound hingegeben haben, den jetzt alle machen. Das ist die Idee von Psychedelia in 2020, da stimmen die Harmonien, aber da ist kein Geheimnis."
Statt wie anderen Bands, die sich heute deutlich etwa gegen Trump, das Patriarchat oder Rassismus verorten, gehe es den Fleet Foxes nach wie vor am ehesten um Eskapismus und um eine Art der Naturerfahrung, die sehr hippiesk ist, sagt Fanny Tanck. Wie ihre Vorbilder aus den 60ern sähen sie sich "als kleine unbedeutende Kreaturen im Angesicht der mächtigen, gewaltigen aber auch betörenden Natur".
Musik müsse nicht immer eine Botschaft transportieren, erklärt Tanck. Sie müsse aber ihre Hörerinnen und Hörer immer irgendwie verändern. Ihr Fazit: "Diese Platte ist an ihren besten Stellen das Resultat der Suche nach einer neuen Identität als Band, die aber noch nicht abgeschlossen ist."
(abr)
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