Albrecht von Lucke zur Habermas-Kritik

"Nicht satisfaktionsfähig"

Jürgen Habermas, deutscher Philosoph, spricht am 4.7.2018 im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin. Habermas erhielt den deutsch-französischen Medienpreis.
Der Philosoph Jürgen Habermas spricht in Berlin bei der Verleihung des deutsch-französischen Medienpreises an ihn. © picture alliance / dpa / Arne Immanuel Bänsch
Moderation: Korbinian Frenzel · 06.07.2018
Justemilieu, Establishment, mitverantwortlich für den Rechtsruck: harte Worte des Schriftstellers Joachim Lottmann in der "Welt" zur Verleihung des Großen Medienpreises an Jürgen Habermas. "Unsäglich" findet das der Publizist Albrecht von Lucke.
Viel Lob gab es für die Rede Jürgen Habermas' anlässlich der Verleihung des Großen Deutsch-Französischen Medienpreises. Aber auch harsche Kritik: "Voilà: das Establishment. Hierhin verirrt sich in hundert Jahren kein AfD-Wähler. Im Saal sitzt die geistige Elite Deutschlands und Frankreichs. Die Reaktion. Das Justemilieu. Der Geist, der seit fünfzig Jahren die Bundesrepublik dominiert." So kommentierte der Schriftsteller Joachim Lottmann in der Zeitung "Die Welt" den Auftritt Habermas' und warf dabei die Frage auf, ob Habermas nicht sogar Mitverantwortung für den Rechtsruck trage, den Deutschland derzeit erlebt.

"Ein unsäglicher Text"

Ein unsäglicher Text, meint der Politikwissenschaftler und Publizist Albrecht von Lucke. Lottmann arbeite "mit allen Invektiven des Ressentiments", beispielsweise indem er Habermas in eine Reihe mit Günter Grass stelle, "der ja bekanntlich lange Zeit uns nicht mitgeteilt hat, dass er SS-Mitglied war", so der langjährige Redakteur der "Blätter für deutsche und internationale Politik".
"Lottmann macht Habermas quasi zum Nazi und er stellt es dar, als würde gewissermaßen die ewige Nacherzählung, das ewige Wiedergutmachen dazu führen, dass diese Generation Habermas nicht in der Lage wäre – und jetzt kommt der entscheidende Punkt, sich den wirklichen Fragen der Welt überhaupt zu stellen."
Der Publizist, Politikwissenschaftler und Jurist Albrecht von Lucke, aufgenommen am 24.03.2013 in Köln (Nordrhein-Westfalen). Foto: Horst Galuschka
Albrecht von Lucke© dpa Fotograf:Horst Galuschka
Personen wie Lottmann, seien "eigentlich nicht satisfaktionsfähig" angesichts von Habermas, der sich 70 Jahre lang an der Frage Europas abgearbeitet habe. "Jetzt tritt Herr Lottmann an als Vertreter einer vermeintlich nicht zu hörenden Stimme", so von Lucke. Für ihn klinge das ironisch angesichts der Tatsache, dass die Zeitungen des Springer-Konzerns, darunter auch die "Welt" seit Wochen gegen die Vorstellung eines solidarischen Europas geschossen hätten. "Diese Vorstellung, er wäre hier der Vertreter eines rebellischen Geistes, des Anti-Establishments, ist eine solche Fehldarstellung." Vielmehr gehe es hier um eine ganze harte Auseinandersetzung um eine mehr europäische oder mehr nationale Ausrichtung. "Das ist die Kampfanordnung."
(uko)

Die gesamte Sendung "Der Tag mit Albrecht von Lucke" können Sie hier nachhören: Audio Player

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