Albin Lee Meldaus Album "About You"

Tagebuch eines empfindsamen Romantikers

Musiker Albin Lee Meldau sitzt rauchend vor einer offen Tür.
Albin Lee Meldau: Seine erste Platte war von Bob Marley. © Fredrik Skogkvist
Albin Lee Meldau im Gespräch mit Oliver Schwesig · 28.05.2018
Albin Lee Meldau wurde mit Songs von Bob Marley in Süd-London groß. Er spielte auf der Straße, auf Hochzeiten und Beerdigungen und findet, Tanzen auf der Bühne muss sein. Sein Debütalbum handelt von Trennungsschmerz und Liebe – und bringt viele tolle Pop-Songs.
Oliver Schwesig: Ich möchte zunächst einmal Ihre Sozialisation abklopfen. Ich habe gelesen, dass Sie zum einen Hochzeitssänger waren und auch früher Soul in einer Kirche gesungen haben. Stimmt das?

Albin Lee Meldau: Ja, das stimmt. Ich hatte eine Band, ‚The Magnolia‘, es gibt sie immer noch und man kann sie über die üblichen Plattformen hören. Wir begannen damit, als ich so 21, 22 Jahre alt war, und machten das einige Jahre. Unsere Musik lag so zwischen Sam Cook und Bob Dylan. Ja, das war eine großartige Zeit in meinem Leben, das war, als ich ‚cool‘ war.

Schwesig: Wie hat Sie das auf die Sängerkarriere vorbereitet?

Meldau: Auf der Straße Musik zu spielen, auf Hochzeiten zu spielen, auf Beerdigungen so viel zu spielen, wie es nur geht, das bereitet einen natürlich vor. Ich bin jetzt 30 Jahre alt und mache nun seit ungefähr zehn Jahren professionell Musik, da steckt eine Menge Übung drin. Und ich staune, wenn ich sehe, dass viele Musiker sehr jung bei Plattenfirmen unter Vertrag kommen und dort mit Leuten zusammenarbeiten sollen, die doppelt so alt sind wie sie. Ich meine, wenn du 22 bist: welcher 22-jährige Mann hat schon eine Geschichte zu erzählen? Worüber soll er denn schreiben? Wie soll er dazu in der Lage sein?

Ich hatte das Glück, bereits lange im Musikgeschäft zu sein, obwohl ich immer noch ziemlich jung bin. Meine Mutter, Annika Blennerhed, ist eine Musiklehrerin und zugleich eine Sängerin, eine Jazzsängerin genauer gesagt. Mein Vater macht Lichtregie beim Theater und ist ebenfalls Sänger. So hatte ich mein ganzes Leben lang eine musikalische Erziehung.

Meine Mutter ist dem Vater von David Beckham sehr ähnlich. Wir hatten einen kleinen Fernseher im Schrank und wenn ich nicht Trompete gespielt oder gesungen habe, konnte ich nicht das tun, was ich unbedingt wollte. Es war so ähnlich wie in der Schule: Bevor ich meine Hausaufgaben nicht gemacht hatte, durfte ich Samstag oder Sonntag keinen Fußball gucken! Damals war ich wirklich verärgert. Ich dachte, es sei unfair. Aber jetzt bin ich glücklich darüber, denn das verschaffte mir eine wirklich lange Ausbildung! Und der einzige Tipp, den ich für denjenigen habe, der es im Musikbusiness zu etwas bringen will, ist: Verbringe deine Zeit weniger bei Instagram, investiere deine Zeit lieber in das Schreiben und Performen deiner Songs. <h2 class="js-ui-collapse-content" data-bind-basic="invoke:$ctrl._textelementText();type:html;sync:$ctx.Text">Bob Marley-Platte vom Vater</h2> Schwesig: Ein guter Tipp. Ich habe im Internet in einem Porträt über Sie erfahren, ihr großer Held sei Bob Marley. Warum?

Meldau: Oh ja, ich bin Bob Marley Fan! Mein Vater gab mir die "Kaya"-Platte. Er kommt aus London und spielte seinerzeit viel Reggae, Ska und Punkrock. Er hatte eine gute Band mit dem Namen ‚Gang Orchestra‘ und spielte Reggae mein ganzes Leben lang. Jeden Tag Reggae zu hören, das hat mich sehr stark geprägt. Ich kann mir inzwischen den Luxus nicht mehr leisten, so viel Musik zu hören wie damals, weil ich arbeiten und meine eigenen Sachen vorbereiten muss. Aber wenn ich mal wieder die Gelegenheit habe, Musik zu hören – was so mit das Letzte ist, wonach mir ist, wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme – dann sind es die guten, alten Klassiker aus meiner Kindheit. Und meine erste Platte war "Kaya" von Bob Marley. Die Beatles und Bob Marley haben hunderte, aberhunderte gute Songs geschrieben. Der Unterschied zwischen Bob Marley und den Beatles ist jedoch, dass Bob Marley keine Songs hat, die schlecht sind.

Schwesig: Aber Reggae in Vollzeit zu spielen, wie Bob Marley, das wollten Sie dann doch nicht?

Meldau: Nein, für mich war Reggae meine erste Liebe, weil mein Vater aus London kommt. Für jemanden, der aus Süd-London kommt, ist Reggae so ähnlich wie Chicken Curry, das in der Gegend so etwas wie ein Nationalgericht ist. Reggae ist etwas, das mir in die Wiege gelegt wurde. Er war meine Jugendliebe und meine ersten Schallplatten, die mir etwas bedeuteten: Reggae-Platten. Aber heutzutage höre ich Blues, ich höre Soul, und ich sehe da keinen echten Unterschied. Mit der Musik verhält es sich so ähnlich wie mit einem Eintopf. Ein italienischer Eintopf und ein indischer Eintopf sind genau das Gleiche, bis auf die unterschiedlichen Gewürze.

Schwesig: Ihren Gesang erlebt man immer als sehr emotional und unglaublich aufgewühlt. Wie entstehen diese aufgewühlten Lieder? <h2 class="js-ui-collapse-content" data-bind-basic="invoke:$ctrl._textelementText();type:html;sync:$ctx.Text">Trennungsalbum eines Hoffnungslosen</h2> Meldau: Nun, es handelt sich hier um das Tagebuch eines 27-jährigen, hypersensitiven, hoffnungslosen Romantikers. Es ist ein Trennungsalbum und, wie ich bereits sagte, bin ich mit dem Theater aufgewachsen – eines Tages wollte auch ich sehr gerne Schauspieler werden. Auf der Bühne zu stehen, hat viel mit Schauspielerei zu tun. Seit meiner Jugend, als ich wirklich noch sehr klein war, musste ich neben meinem Vater am Lichtmischpult sitzen und vier Stunden lang Hamlet zuschauen. Wenn man das dann jedes Wochenende macht, prägt das einen natürlich.

Der beste Live-Act, den ich gesehen habe, ist vielleicht Screamin Jay Hawkings. Ich liebe den theatralischen Aspekt darin. Ich meine, man kann sich an seinen Nr. 1 Hits messen lassen, aber wenn du nur nicht viel mehr als deine Haare zu bieten hast, kannst du froh sein… Ich meine, was ist der Unterschied zwischen Oasis und all den anderen Bands – er ist lustig, er ist ein großer Act. So glaube ich, dass das 90 Prozent des ganzen Live-‚Geschäfts‘ ausmacht.

Ich schaue mir zwar auch Bands an, die regungslos dastehen, aber die heißen dann Bob Dylan. Man muss als Musiker sehr, sehr gut sein, wenn man auf der Bühne keine Show haben will. Und ich möchte, wie ich sagte, ein Schauspieler sein. Schauspielernd, mit meinen Bewegungen und meinem Tanzen zeigen, um was es in der Geschichte geht, das ist ein Teil des ganzen Unternehmens – es ist etwas Ehrwürdiges.

Ich bin sehr leicht gelangweilt. Ich mag Salif Keita und Youssou N’Dour, ich mag es, wenn sie Überschläge auf der Bühne machen. Das ist Reggae. Bob Marley ist der beste Live-Act, der je existierte. Und ich kopiere meine Helden: Elvis, die Rolling Stones – sie alle bewegen sich. Schau dir Michael Jackson, schau dir Prince an, wen auch immer, so möchte ich auch sein. <h2 class="js-ui-collapse-content" data-bind-basic="invoke:$ctrl._textelementText();type:html;sync:$ctx.Text">Songs aufbereiten wie im Tagebuch, wie im Journalismus</h2> Schwesig: Wo finden Sie die Geschichten der Songs? Wie entstehen die bei Ihnen?

Meldau: Ich bekomme meine Inspirationen von überall her. Ich versuche meine Musik so aufzubereiten wie in einem Tagebuch, wie im Journalismus. Die meisten Songs auf dem Album handeln von Trennungsschmerz und Liebesgeschichten, wie bei jedem anderen 27-jährigen Mann, den das Selbstmitleid quält. Aber dann gibt es auch Stücke, die wie journalistische Tagebucheinträge sind. Wie Schnipsel aus meinem Leben, dem Leben meiner Freunde oder der Leute, mit denen ich Musik mache. Ein Song heißt "Singoalla", der von mir handelt, wie ich die Straßen in Spanien entlang gehe und dann stehen bleibe, um darüber nachzudenken, dass es doch eigentlich immer so ist, dass arme Menschen deshalb so nett sind, weil sie keine Vorstellung vom Kapitalismus haben. Ein anderer Song von mir ist "6th Street". Er handelt von mir auf dem South-By-Southwest Festival, wie ich von dort nach Hause gehe und in eine Massenpanik gerate, weil ein Typ mit einem Messer auf die Leute eingestochen hat. Also es sind Schnipsel und Geschichten aus meinem Leben…

Schwesig: Wie ist das heute, trotz ihre jungen Alters: Fällt Ihnen das Schreiben von Songs jetzt leichter, für das neue Album beispielsweise?

Meldau: Ich kann mich so glücklich schätzen, dass ich im Leben die Gelegenheit habe, mit nahezu jedem arbeiten zu können, mit dem ich arbeiten will. Als ich anfing, war der erste Song, den ich als Co-Writer schrieb "Before & After" mit Jimmy Napes, dem britischen Songwriter, der ein sehr bekanntes Genie ist. Danach ging es so weiter und ich arbeitete mit jedem.

Also, wenn du in der Welt herumkommst und all diese fantastischen Songschreiber triffst, dann nimmst du immer etwas mit, wenn du nur etwas Verstand hast. Du wirst immer besser und ich habe inzwischen verschiedene Arbeitsweisen drauf. Aber das ist wie überall im Journalismus: Vorbereitung, harte Arbeit, viel Nachdenken, man muss sich wirklich hinsetzen und viel überlegen, noch bevor man ins Studio geht. Deshalb hat man kaum noch Freizeit. Und deshalb gehen auch viele unter, weil sie es sich nicht mehr erlauben können, sich einen Tag frei zu nehmen, auch wenn sie mal die Zeit dazu hätten.

Also das ist es im Wesentlichen: du musst dein Tagebuch immer weiter schreiben. Ich habe zum Glück kein Problem damit, an meinem Tagebuch zu schreiben. Also: einen guten Song zu schreiben, ist natürlich nicht leicht, aber überhaupt einen Song hinzukriegen, ist mit dieser Hilfe – die Hälfte der Arbeit ist dann bereits getan – leicht.

Die Leute in Amerika, mit denen ich arbeitete, haben zwei Sessions am Tag. Sie schreiben zwei Songs am Tag. Ein Woche hat sieben Tage. So machen die das: Schuften, schuften, schuften. So etwas wie "kreative Krise" gibt es dort nicht und das ist auch der Grund, warum ich es so mag: sie gehen ganz anders an die Arbeit heran und sie arbeiten zweimal so hart wie wir. Und das ist auch der Grund, warum sie uns voraus sind.

Schwesig: Handwerk wird also groß geschrieben bei Albin Lee Meldau. Das hört man auf seinem neuen Album mit tollen Soul-Pop-Songs. Albin Lee Meldau, danke für den Besuch. Albin Lee Meldaus Debütalbum "About You" erscheint am 1. Juni