Alben von "Tunng", "B.C. Camplight" und "Clueso"

Pastorale Elektroklänge und Musik gegen Traumata

Tunng - die britische Folktronic-Band bei einem Konzert am 26.04.2010 im Knust in Hamburg. | Verwendung weltweit
Tunng - Konzert am 26.04.2010 in Hamburg © Jazz Archiv Hamburg/dpa
Von Oliver Schwesig  · 24.08.2018
Das Album "Songs you make at night" der britischen Band "Tunng" sollte man nur im Dunkeln hören, der US-Amerikaner B.C. Camplight hat mit "Deportation blues" schlimme Erfahrungen verarbeitet und wenn es um deutsche Liedermacher geht, könne aktuell nur einer überzeugen, so unser Kritiker.
Folktronica ist ein furchtbarer Begriff. Blöderweise umschreibt er ziemlich gut, was die britische Band Tunng so für Musik macht. Das Pastorale trifft auf elektronische Schaltungen. In diesem Spannungsfeld bewegen sich auch die Songs auf ihrem neuen Album "Songs you make at night".
"Wenn ich für mich arbeite, pflücke ich die Klänge oft einfach aus der Luft", sagt Michael Lindsay, einer der Köpfe hinter Tunng, kürzlich bei einem Interview. Auf dem neuen Tunng-Album werden Lindsays gepflückte Sounds aber noch Songstrukturen unterworfen. Und aus verspielten Klangfolgen werden dann plötzlich ganz wunderbare Klanglandschaften, quasi vom Experiment zum Song.
Die Sache mit der Nacht im Albumtitel "Songs you make at night" darf man ruhig ernst nehmen. Diese nebelverhangenen wohlig-entschleunigten Stücke kann man wohl nur schreiben, wenn es richtig dunkel ist. Und genau dafür ist diese Musik auch gemacht. Hören Sie das Album auch nur bei ausgeschaltetem Licht.

Neues Album nach einem Trauma

Das Glück des Künstlers ist ja folgendes: Wenn das Leben einem schon ein paar Traumata hinwirft, dann ist man im besten Fall wenigstens in der Lage, daraus große Kunst zu machen. Der US-Amerikaner Brian Christinzio alias BC Camplight aus Philadelphia hat viele Jahre in Manchester gelebt, bis ihn plötzlich die britische Einwanderungsbehörde 2015 des Landes verwies. Aus dem Trauma hat er ein Album gemacht, das passenderweise "Deportation blues" heißt.
"I'm in a weird place now" - ich bin nun an einem schrägen Ort. An dem befand sich B.C. Camplight nach seiner überstürzten Rückkehr in die USA. So emotional zerrissen wie diese Zeit gewesen sein muss, so genial ist das musikalisch übertragen. Immer wieder brechen Keyboard-Kaskaden aus, reihen sich verirrte Sounds aneinander, fügen sich bewusst unpassende Harmoniefolgen hinzu. In den Texten ringt BC Camplight mit Trauer, Wut und Alleinsein. Als einer der wenigen legitimen Erben von Beach Boy Brian Wilson hört man bei Brian Christinzio aber immer auch die unbändige Kraft seines früheren Powerpops heraus.

Zerrissene Zeiten

Dieses Album von B.C. Camplight kann man als zerrissenes Statement zu unseren momentan zerrissenen Zeiten lesen. Die große Weltpolitik, die Menschen manchmal heimatlos macht, hat hier einen Musiker erwischt, der – wenn man das so sagen kann – vielleicht ungewollt ein politisches Popalbum gemacht hat. Toll.
Der deutsche Sänger und Songwriter Clueso.
Der deutsche Sänger und Songwriter Clueso.© Deutschlandradio / Kerstin Janse
Ich lass mal die Hosen runter: Zwischen den zahllosen jungen Deutsch-Poeten, Liedermachern und nachdenklichen Gitarrenschrammlern hab ich inzwischen den Überblick verloren. Und, ich bin nochmal ehrlich: Richtig umgehauen hat mich bislang kaum einer von denen. Mal zuviel Pennäler-Lyrik, mal zu seicht, mal nur ein paar schlaff hingespielte Akkorde, und dauernd so betroffen! Furchtbar. Kleine Ausnahme: Der Posterboy aus Erfurt, Clueso. "Handgepäck I" heißt seine neue Platte.
Das Album ist eigentlich eine Sammlung von liegengelassenen Stücken, die über die Jahre entstanden sind. Sie wollen zwar kein kohärentes Ganzes ergeben, aber sie zeigen einen Songwriter, der vorsichtig mit sich und dem plötzlichen Ruhm ringt; der glücklicherweise bescheiden genug ist, diesen Zweifel in ein paar schüttere Akkorde zu kleiden und der – hallo! – singen kann jenseits der üblichen nervenden Betroffenheit seiner Kollegen. Ohne Pathos und mit leichtem Soul. Clueso. Schön!
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