Alan Posener zum Anschlag auf David Amess

"Terror ist Terror"

06:30 Minuten
Eine Frau legt einen Blumenstrauss zum Gedenken an David Amess vor die Belfairs Methodist Church in Essex, UK. 15. Oktober 2021.
Blumen zum Gedenken an David Amess: Der mutmaßliche islamistische Hintergrund des Attentäters schlägt in den sozialen Medien Wellen. © imago / Zuma Press / Yui Mok
Alan Posener im Gespräch mit Jana Münkel · 16.10.2021
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Islamistischer und rechtsextremistischer Terror gefährdeten die Demokratie gleichermaßen, sagt der Journalist Alan Posener. Entsprechend dürfe man sich als Demokrat nicht dazu verführen lassen, auf einem Auge blind zu sein.
Nach ersten Ermittlungen der britischen Polizei könnte der tödliche Angriff auf den britischen Tory-Abgeordneten David Amess während einer Bürgersprechstunde in Essex einen islamistischen Hintergrund gehabt haben.
In den sozialen Netzwerken schlägt das die üblichen Wellen von Wir-haben-es-doch-gewusst-und-die-Medien-haben-es-mal-wieder-verschwiegen:
"Kein Wort zum Täter, aber der Mord erinnere an den Angriff auf eine Parlamentarierin durch einen Rechtsextremisten. Journalism at its worst", heißt es etwa auf Twitter. Oder: "Da die Tagesschau es mal wieder nicht erwähnen will: Ein Somalier hat Tory-Abgeordneten Sir David Amess in einer Kirche mit einem Messer getötet."

"Aufatmen, wenn es 'nur' ein Rechtsextremist ist"

Werden terroristische Anschläge so gewissermaßen für einen Kulturkampf instrumentalisiert? Gegen den "Staatsfunk", vermeintlich "links-grün versiffte" Medien oder – nach Terrorakten von Rechtsextremisten –, um eine Verharmlosung des Rechtsterrorismus durch Staat und Behörden anzuprangern?
"Man hört, ein junger Mann hat etwas getan, schon geht auf der einen Seite der Social Media hoch: Ach! Wieder die Religion des Friedens, der Islam", beschreibt der "Welt"-Kolumnist Alan Posener seine Beobachtungen aus der Social-Media-Welt.
"Und bei denjenigen, die wie ich für Zuwanderung sind und für eine offene Gesellschaft, geht hoch: Hoffentlich ist es kein Islamist. Fast möchte man aufatmen, wenn es ‚nur‘ ein Rechtsextremist ist."
Aber das sei Unsinn, sagt Posener. Für falsch hält er es auch, wenn umgekehrt etwa türkischstämmige Künstlerinnen beklagten, dass der Name des von Islamisten getöteten Lehres Samuel Paty bekannt sei, die Namen der vom rechtsextremistischen NSU ermordeten Menschen dagegen weit weniger präsent seien:
Zwar seien die Ermittler im NSU-FAll anfangs auf dem rechten Auge blind gewesen, räumt der Journalist ein. Aber: "Nachdem es endlich aufgeflogen war, da wurden - ich war damals selbst im Bundestag - die Angehörigen der Opfer vom damaligen Bundespräsidenten Wulf empfagen", betont Posener.
"Ich fürchte, da tappen diese Künstlerinnen genau in diese Falle 'ja, auf die zeigt man'!"

Auf keinem Auge blind sein

Als Demokrat dürfe man sich nicht dazu verführen lassen, "auf dem rechten, linken oder welchem Auge auch immer blind zu sein", mahnt Posener. Denn sowohl Rechtsextremisten als auch Islamisten – und, so der Journalist – bis zu einem gewissen Grad auch Linksextremisten gefährdeten die Demokratie gleichermaßen.
"Ich finde: Terror ist Terror. Und die Motive dafür sind zweitrangig."

Der deutsch-britische Journalist Alan Posener wurde in London geboren und wuchs in Malaysia und Berlin auf. Er war zunächst Lehrer und machte sich als pointierter Kommentator und Blogger einen Namen. Als Autor schreibt er für die "Welt". Posener hat zahlreiche Bücher geschrieben, darunter "Imperium der Zukunft – Warum Europa Weltmacht werden muss" (Pantheon 2007) und "Benedikts Kreuzzug: Der Kampf des Vatikans gegen die moderne Gesellschaft" (Ullstein 2009).

Die gesamte Sendung "Der Tag mit Alan Posener" hier zum Nachhören: [AUDIO]