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Tourismus
Spanien profitiert vom Terror in anderen Ländern

Die Besucherzahlen in Spanien steigen weiter kräftig, wie schon im letzten Jahr, nur die Einnahmen stagnieren. Der Grund sind die "Billigtouristen", die vor der Terrorgefahr in Ländern wie Tunesien und der Türkei nach Spanien fliehen. Darum sollen nun hochwertigere Angebote für zahlungskräftigere Gäste entstehen. Eine Sorge bleibt: Auch Spanien ist vor Terroranschlägen nicht gefeit.

Von Hans-Günther Kellner | 22.04.2016
    Blick auf den gut besuchten Strand der Ortschaft Calella de Palafrugell an der Costa Brava (Spanien).
    Dicht an dicht, Touristen drängen sich am Strand der Ortschaft Calella de Palafrugell an der Costa Brava (dpa / picture alliance / Roland Holschneider)
    Die Schlangen vor den Pinakotheken in der berühmten Museumsmeile am Paseo del Prado in Madrid werden immer länger, dabei könnte man die Eintrittskarten inzwischen im Internet auch schon von Hamburg oder London aus buchen. Gerade außerhalb der Hauptsaison sind leicht per Flugzeug zu erreichende spanische Städte wie Sevilla und Madrid ein beliebtes Ziel für einen Kurztrip. Im Sommer verlagert sich das das Geschäft allerdings, sagt Alfonso del Poyo, Vizechef der spanischen Hotelkette Meliá
    "Madrid muss jede Nacht 66.000 Hotelbetten füllen. Das ist mehr als in vielen anderen Städten Europas - und das muss man erst mal schaffen. Im Sommer bleiben die Geschäftskunden aus, und die Sommerurlauber interessieren sich auch mehr für die Strände. Gut, unsere Gäste interessieren sich zunehmend für das kulturelle Angebot. Doch diese vielen Übernachtungsmöglichkeiten bekommt man ohne Kongresse und Messen im Juli und August nicht voll. Aber es wird besser."
    "Wir rechnen mit einem sehr guten Sommergeschäft"
    Während in den Städten dann einige Betten leer bleiben, macht sich del Poyo um die Strandhotels seiner Kette hingegen weniger Sorgen:
    "Wir rechnen mit einem sehr guten Sommergeschäft. Die Buchungen sind deutlich besser als im letzten Jahr, gerade was die Strände angeht, die Küste, die Balearen, die Kanarischen Inseln. Es wird ganz sicher ein gutes Geschäft."
    Eine ähnliche Entwicklung erwartet auch der Branchenverband Exceltur. Denn zu Beginn des Jahres gab es schon wieder einen neuen Besucherrekord. Mehr als 41 Millionen Übernachtungen zählten die Hotels im ersten Quartal, das sind noch einmal 12,5 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum letzten Jahres. Allerdings: Die Einnahmen steigen nicht im gleichen Maße – und das trotz steigender Preise. Die Touristen lassen also weniger Geld im Land. José Luis Zoreda von Exceltur appelliert an die Politik und die Branche:
    "Es reicht nicht, den Leuten anzubieten, sie sollen nach Spanien kommen und hier ihr Handtuch am Strand ausbreiten. Dieses Angebot haben andere auch, und die sind billiger. Diesen Wettbewerb halten wir nicht aus, unsere Kosten sind nicht viel niedriger als die in Deutschland. Wir brauchen ein qualitativ hochwertigeres Angebot. Wie sollen wir sonst unsere Mitbürger davon überzeugen, dass es sich lohnt, die Nachteile, die der Tourismus auch mit sich bringt, in Kauf zu nehmen?"
    Weniger Gäste, aber höhere Einnahmen
    Damit meint der Verbandssprecher: mehr hochwertige Gastronomie als billige Vollpension, mehr Kultur als nur Sonne und Strand. Dafür brauche Spanier nicht so viele, dafür aber zahlungskräftigere Gäste. Denn in vielen Städten sind die Einheimischen die Urlauberflut zunehmend leid. In Barcelona gibt es immer wieder Graffiti gegen Touristen, die Stadtverwaltung hat sogar schon ein Moratorium für neue Appartements und Hotels eingerichtet. Zudem mag Spanien für viele Touristen ein wunderschönes Urlaubsland sein. Doch viele kommen, weil sie es vor allem für besonders sicher halten:
    "Es gibt immer ein Aber: Diese gute Entwicklung haben wir in erster Linie dank der Sicherheitslage nicht nur Ländern wie der Türkei, Ägypten oder Tunesien, sondern auch europäischen Städten wie Paris oder Brüssel zu verdanken. Das führt viele Touristen in unser Land. Wenn wir uns die Statistiken ansehen, haben die Türkei und Tunesien im ersten Quartal 800.000 Urlauber verloren. Die sind zu uns gekommen."
    Doch auch in Spanien gibt es Sorgen um die Sicherheit: Vergangenes Jahr landete ein Schnellboot aus Marokko mitten am Tag an einem belebten Strand in Andalusien und lud eine Ladung Haschisch ab. Die spanischen Behörden waren alarmiert. Wie konnte das engmaschige elektronische Überwachungssystem dieses Boot übersehen haben? Spanische Medien warfen die Frage auf, ob nicht genauso gut Terroristen mit Kalaschnikows an Land hätten gehen können. Das Innenministerium arbeitet jeden Sommer einen besonderen Sicherheitsplan für die Strände aus. Eine 100-prozentige Sicherheit kann es aber tatsächlich nicht geben, weiß auch José Luis Zoreda von Exceltur:
    "Wir können natürlich auch selbst Opfer solcher Verrückten werden. Jederzeit. Wir dürfen uns jetzt also nicht darauf ausruhen, dass jetzt Leute zu uns kommen, weil es ihnen in anderen Ländern zu unsicher geworden ist. Dieser Wind kann sich ja auch gegen uns drehen, ein solches Unglück auch auf spanischem Boden geschehen. Natürlich sind unsere Sicherheitskräfte gut. Aber wir können uns nicht allein darauf verlassen."
    Horrormeldungen über Blutbäder am Strand wie jüngst aus deutschen Medien bezeichnen die Behörden als Spekulationen ohne seriöse Grundlage. Offiziell will das Innenministerium solche Meldungen auch nicht kommentieren.