Airport Magdeburg-Cochstedt

Provinzflughafen soll Drohnen-Testzentrum werden

03:09 Minuten
Tower auf dem insolventen Flughafen Magdeburg-Cochstect
Der Tower auf dem insolventen Flughafen Magdeburg-Cochstedt steht verloren in der Landschaft. © Deutschlandradio / Christoph Richter
Von Christoph Richter · 23.04.2019
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Für den insolventen Flughafen Magdeburg-Cochstedt gibt es Pläne: Das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum will dort ein Drohnen-Forschungszentrum aufbauen. Bis Ende April muss die Entscheidung fallen, sonst wird das Bauwerk zur Investruine.
Mitten auf einem Feld, auf halber Strecke zwischen Magdeburg und dem Harz liegt der Flughafen Magdeburg-Cochstedt. Kürzel: CSO. Der Tower ist mit modernster Technik ausgestattet. Gegenüber steht der Terminal mit zwei Check-in-Schaltern. Doch kein Mensch ist zu sehen. Am Rand des Rollfelds lehnt ein altes Flughafenschild, eine Gangway rostet vor sich hin. Lediglich Raben kreisen wild krächzend über die Startbahnen.
"Es ist von Anfang an klar gewesen, dass wir hier einen langen Atem brauchen. Und wir die Chance von Cochstedt erst in der Zukunft sehen, wenn der Standort Berlin sich entwickelt hat. Weil die gesamte Branche, sowohl Cargo als auch Passagierluftfahrt trifft ihre Entscheidung erst, wenn BER fertig ist."
So erklärte 2013 Geschäftsführer Uwe Hädicke von der FMC Flughafengesellschaft CSO Airport Holding GmbH. 2010 hatte man den Flughafen vom Land Sachsen-Anhalt übernommen. Drei Jahre landeten und starteten hier Chartermaschinen der Billigfluggesellschaft Ryanair. Dann war Schluss. 2016 wurde Insolvenz angemeldet.

Bundestag bewilligt 57 Millionen Euro

Nun könnte Bewegung auf den verwaisten Flugplatz kommen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt - kurz DLR - plant den Aufbau eines Nationalen Test- und Entwicklungszentrums für unbemannte Flugsysteme in Cochstedt bei Magdeburg. Es gebe hierfür "national, wie international einen großen Bedarf". So heißt es zumindest beim DLR in einer E-Mail, reden möchten man mit uns aber nicht.
Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat dem DLR für das Projekt Magdeburg-Cochstedt insgesamt 57 Millionen Euro zugesagt. Guter Plan, wäre da nicht noch ein Hindernis. Denn das Land Sachsen-Anhalt muss zuerst den Flugplatz vom Insolvenzverwalter zurückkaufen.
"Über die Verhandlungen wird man vernünftigerweise zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen. Wichtig ist, dass wir zu einem Ergebnis kommen. Und ich setze große Hoffnungen darauf, dass das auch gelingen wird."

Die Verhandlungen gestalten sich zäh, gesteht Sozialdemokrat Armin Willingmann. Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister. Denn seitdem die Pläne, aber auch die Summen des Bundes öffentlich sind, wolle der Insolvenzverwalter einen möglichst hohen Preis für den Pleite-Flughafen rausschlagen.
Leere Piste auf dem insolventen Flughafen Magdeburg-Cochstect. 
Auf dem insolventen Flughafen Magdeburg-Cochstedt starten und landen keine Flugzeuge mehr. © Deutschlandradio / Christoph Richter
Die Investorensuche scheiterte immer wieder, für eine gute Million Euro hat eine dänische Betreibergesellschaft den Flughafen einst erworben. Jetzt will man sich die Investitionen durch das Land Sachsen-Anhalt vergolden lassen. Hinter den Kulissen ist von einem unteren zweistelligen Millionenbetrag die Rede, die man vom Land Sachsen-Anhalt will.
"Man sollte in der Politik meistens optimistisch sein. Und ganz konkret und da wir alle ein großes Interesse daran haben, dass dieses Projekt erfolgreich abgeschlossen wird, würde ich den Daumen mal nach oben zeigen."
Rund 60 Millionen Euro hat der Ausbau des ehemaligen sowjetischen Militärflughafens nach dem Abzug der Roten Armee dem Steuerzahler gekostet. Auch wenn man zwischenzeitlich einen privaten Betreiber gefunden hatte, blieb Sachsen-Anhalts einziger internationaler Flugplatz - wie es großspurig heute noch heißt - ein Sorgenkind. Weshalb man nun große Hoffnungen in die neuen Pläne setzt, übrigens über alle Parteigrenzen hinweg. Sagt Armin Willingmann, der nicht nur Wirtschafts-, sondern auch Wissenschaftsminister in Sachsen-Anhalt ist.
"Wir sind ja durch den Koalitionsvertrag des Bundes durchaus froher Hoffnung, dass Bundeseinrichtungen auch Forschungseinrichtungen nach Sachsen-Anhalt, auch nach Ostdeutschland kommen. Und das wäre ein erstes Beispiel, an dem wir deutlich machen können, das tatsächlich eine Einrichtung mit internationalem Bekanntheitsgrad, mit außerordentlich hohem wissenschaftlichen Anspruch eine solche Stelle hier in den neuen Ländern ansiedelt. Und wenn das der Flughafen Magdeburg-Cochstedt ist, dann ist das eine außerordentlich schöne Entwicklung."
Ähnlich sieht es grüne Haushaltsexperte und Landespolitiker Olaf Meister: "Es geht ja auch um die Frage, was kann ich für den ländlichen Raum tun, wie entwickle ich das. Und dann wäre das an einer kleinen Stelle im ländlichen Raum tatsächlich ein bedeutsamer Schritt."
Konkret geht es um den Salzlandkreis, der zwischen dem Harz und Magdeburg liegt. Nach einem Ranking des Berlin-Instituts für Demografie - ein Think-Tank, der sich mit Fragen regionaler und demografischer Veränderung beschäftigt - gehört diese Region zu einer der wirtschaftlich am wenigsten entwickelten in Deutschland. Von daher könne die Entscheidung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt gerade dort ein Forschungszentrum zu etablieren, eine riesige Chance sein, ergänzt noch Olaf Meister.
Für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt ist Magdeburg-Cochstedt kein Neuland, seit mehr als 15 Jahren nutze man den Flugplatz bereits für Hubschrauberflüge zur Erprobung lärmarmer Anflüge und Lärmmessflüge, wie es heißt. Jetzt soll noch das Test- und Entwicklungszentrum für Drohnen dazu kommen.
Nach Angaben einer Marktstudie des Verbands Unbemannte Luftfahrt kann die Branche zuversichtlich in die Zukunft blicken, von einem Milliardengeschäft ist die Rede. Ob in der Landwirtschaft, in der Logistikbranche oder beim Rettungsdienst: Vor allem im kommerziellen Bereich werde die Zahl der Drohnen massiv zunehmen. Daher komme auch der Forschung und Entwicklung eine große Aufgabe zu, heißt es.

Auch Drohnen machen Lärm

Der derzeit leer stehende Flughafen Magdeburg-Cochstedt biete beste Chancen. Das meint Thomas Mayer: Bauingenieur, Verkehrspilot und Geschäftsführer der Interessengemeinschaft der regionalen Flugplätze.
"Es wäre heute sicherlich falsch, einen Flughafen aus seiner tatsächlichen, luftverkehrlichen Möglichkeiten herauszunehmen. Das eine schließt ja das andere nicht aus."
Gemeint sind ein gemeinsamer Drohnen- und Flugbetrieb.
Magdeburg könne nichts Besseres passieren, ergänzt der aus Konstanz kommende Thomas Mayer noch. Damit bleibe der Flugplatz weiter im Netz. Und das sei eine Chance, um den Standort – neben den Drohnen-Testbetrieb – auch künftig zum Flugplatz für Elektro-Flugzeuge oder Flugtaxis zu machen, so Mayer weiter. Das sei keine ferne Utopie, sondern ist nahe Zukunft.
"Die Entwicklung der Luftfahrzeuge, insbesondere der kleineren autonomen Mobilität, Flugzeuge, die auf Elektro-Mobilität oder auf Hybrid-Antriebe setzen: Da sehe ich Potenzial für Cochstedt, das nicht genutzt wird."
Die Anwohner in der Region - im Salzlandkreis - sind sich noch unschlüssig, was ein Nationales Drohnen-Testzentrum in direkter Nachbarschaft wohl bedeutet. Stichwort: Lärmbelästigung.
"Ja, da müssen wir erst mal abwarten, es wird viel geunkt. Wir werden abwarten. Dann kann man immer noch sagen, es ist ein bisschen viel."
"Das müssen wir erst mal abwarten. Ich weiß noch, damals war das ein Russen-Flughafen und da haben wir manchmal nachts im Bett gestanden, so sind die hier drüber geflogen. Also das möchte ich nicht wieder haben."
Der Eingangsbereich auf dem insolventen Flughafen Magdeburg-Cochstedt
Der Eingangsbereich auf dem insolventen Flughafen Magdeburg-Cochstedt© Deutschlandradio / Christoph Richter
Beim Betrieb von Drohnen dreht sich heutzutage fast alles um Sicherheit. Das Thema Lärm kommt kaum vor. Obwohl handelsübliche Drohnen - je nach Flughöhe - Geräusche zwischen 40 und 100 Dezibel erzeugen.

Kaum Erfahrungswerte mit Drohnen

In Städten klagen Menschen vor allem darüber, dass zu viele Drohnen fliegen. Aber: Es gebe kaum Erfahrungswerte, gesteht Olaf Meister, grüner Landtagsabgeordneter im Magdeburger Landtag, Teil der schwarz-rot-grünen Regierungskoalition.
"Ja, das ist mir völlig unklar, wie die zukünftige Nutzung durch den Betreiber sein wird. Wie viele Drohnen sind das, in welchem Abstand fliegen die und zu welchen Zeiten. Das kann ich nicht seriös beantworten. Da muss man tatsächlich ein Auge drauf haben, das wir nicht den Bewohnern da unzumutbare Lasten auferlegen. Momentan klingt das nicht so."
Sachsen-Anhalt steht unter Druck. Denn bis zum 30. April müssen die Verhandlungen zwischen dem Land und dem Insolvenzbetreiber unter Dach und Fach sein. Dann läuft die Betriebsgenehmigung aus, so das Landesverwaltungsamt in Halle an der Saale. Danach wäre eine künftige Nutzung als Flughafen ausgeschlossen. Und zwar für immer. Das wäre dann – gesteht Landespolitiker Olaf Meister noch - ein Fiasko für Sachsen-Anhalt.
"Wenn der Flughafen seine Lizenz verlieren würde, dann haben wir da eine Investruine stehen. Für die es nicht wirklich eine sinnvolle Nutzung gibt."
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