"Aida" in Düsseldorf

Weg mit dem Plunder!

Der Regisseur Philipp Himmelmann
Der Regisseur Philipp Himmelmann © dpa / picture alliance / Claudia Esch-Kenkel
Von Ulrike Gondorf  · 28.11.2014
Richtige Menschen in einer realen Welt: Philipp Himmelmann verzichtet in seiner Düsseldorfer Inszenierung von Verdis "Aida" auf altägyptischen Plunder. Doch die musikalische Inszenierung bleibt hinter ihren Möglichkeiten - und die Sängerbesetzung enttäuscht.
Wenn der Vorhang aufgeht im Düsseldorfer Opernhaus, glaubt man, Giuseppe Verdis "Aida" wäre die Fortsetzung von Viscontis Film "Der Leopard": Ein üppiges herrschaftliches Interieur mit schweren Plüschmöbeln, einem Flügel und einem Wald aus Zimmerpalmen. Darin bewegen sich Damen in dunklen, bestickten Samtroben und Herren in Frack und Uniform. Oder im Habit höherer Geistlichkeit. (Und die Perfektion dieser Kostüme von Gesine Völlm würde durchaus auch im Film bestehen.) Servieren muss ein Dienstmädchen in Schürze und Häubchen: Aida.
In diesem Ambiente lassen Regisseur Philipp Himmelmann und Bühnenbildner Johannes Leiacker die Geschichte vielversprechend beginnen. Richtige Menschen in einer realen Welt, kein altägyptischer Plunder. Gleich die erste Szene ist stark. Statt in den dritten Rang singt Radames seine berühmte Arie von der "holden Aida" direkt an seine Geliebte - ein euphorischer und vollkommen wirklichkeitsfremder Schwärmer kämpft um die Aufmerksamkeit einer Frau, die ihn zwar liebt, aber auch weiß, wie wenig diesem Glück zu trauen ist.
Die Liebe gerät in die Maschinerie einer Staatsmacht
Wenn mit der Königstocher Amneris das Liebes- und Eifersuchtsdreieck komplett wird, steigt die Spannung weiter. Beobachtung, Machtspiele, heimliche Verständigungen und Zärtlichkeiten, die subtilen Demütigungen, die Aida durchschaut und doch ertragen muss – das ist psychologisch genaues und gut gespieltes Theater. Aber dieses Kammerspiel ist nur der eine Teil von Verdis "Aida", vielleicht der interessantere, sicher der allzu oft vernachlässigte. Aber seine Brisanz gewinnt das ganze Werk erst aus der Verquickung von Privat und Öffentlich. Es ist ein persönlicher Konflikt, aber diese Liebe gerät in die Maschinerie einer Staatsmacht. Da setzt Verdi an, und da scheitert die Inszenierung von Philipp Himmelmann.
Statt der einschüchternden Rituale der Macht gibt es in dieser "Aida" nur Stehpartys im Salon, statt der unheiligen Allianz von Staat und Kirche einen soignierten Herrn im Kardinalsornat, dem sich die Damen reihum auf den Schoß setzen. Statt der elektrisierenden Propaganda eines totalitären Staates eine dröge Endloszeremonie, in der Särge auf die Bühne getragen werden. Der Krieg ist schlimm und fordert Opfer - aber das ist eine Binsenweisheit. Wirklich schrecklich wird es erst, wenn eigentlich alle - auch die Zuschauer - begeistert mitmachen wollen beim Triumphmarsch. Und diese Falle hat Verdi komponiert.
Düsseldorfer Symphoniker zeigen wenig Sinn für die subtile Klanglichkeit
Das szenische Konzept dieses Abends kommt da nicht auf Augenhöhe mit dem Komponisten, die musikalische Realisierung bleibt womöglich noch weiter zurück. Der Generalmusikdirektor Axel Kober und die Düsseldorfer Symphoniker zeigen wenig Sinn für die subtile Klanglichkeit und den atmosphärischen Farbenreichtum, die Verdi hier entwickelt. Alles klingt wuchtig, durchgängig zu laut, es gibt kein Relief, keine musikalische Dramaturgie.
Und die Sängerbesetzung ist auch enttäuschend für ein Haus von der Größe der Deutschen Oper am Rhein. Die Partien sind alle aus dem Ensemble besetzt, aber da bleiben vor allem bei den drei Protagonisten Morenike Fadayomi (Aida), Susan McLean (Amneris) und Sergej Khomov (Radames) doch viele Wünsche offen. Alle geraten stimmlich an die Grenzen und müssen immer wieder mit Kraftaufwand fehlende Substanz kompensieren, kämpfen mit der Intonation, mogeln sich durch mit viel Vibrato und Verfärbungen, und etliche Phrasen entgleisen auch einfach unschön. Im weitaus kleineren Bonn hat man kürzlich ein deutlich besseres "Aida"-Ensemble gehört.
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