Afrikanisch-deutsche Geschichte

Chrissy liebt Abdoul

Abdoul und Chrissy haben sich gefunden.
Abdoul und Chrissy haben sich gefunden. © picture alliance / dpa / Chad Ehlers
Von Nathalie Nad-Abonji · 17.12.2015
Zwei die aus Welten kommen, die verschiedener nicht sein könnten, lernen sich kennen und spüren, dass sie füreinander bestimmt sind. Abdoul, Flüchtling aus Mauretanien und Chrissy, behütete Beamtentochter aus Mecklenburg - die Geschichte über eine Liebe mit Hindernissen.
Chrissy: "Groß, ja groß. Muskulös. Braune Kulleraugen, volle Lippen, ne süße Zahnlücke. Eine sehr, sehr große Nase. Oder eine breite Nase. Winzige Ohren (lacht) Recht großen Kopf. Große Hände, sehr große Hände. So würde ich ihn beschreiben..."
Abdoul: "Sie ist unkompliziert. Sie hat viel Charakter. Und das mag ich an Frauen. Wenn sie nein sagt, meint sie nein. Und du wirst es nicht ändern..... Sehr lieb....Weich. Aber eben auch mit einem starken Charakter."
Chrissy: "Seine Entspanntheit! Er nimmt einem so den Wind aus den Segeln......dass wir alles viel mehr genießen und wenn wir fünf Minuten zu spät kommen, dann ist es so. Damit komme ich sehr gut durchs Leben."
Abdoul: "Jeden Tag denke ich an unsere Begegnung. Das gibt mir Kraft. Bei uns sagt man, gute Gedanken ziehen Gutes an. Das erste Mal bin ich Chrissy in der Disco begegnet. Gegen vier Uhr morgens. Ich war mit einem Freund dort. Und sie mit einer Freundin. Mein Freund hat mit ihrer Freundin getanzt. Ich habe dann Chrissy zum Tanzen aufgefordert."
Chrissy: "Dann haben wir ein, zwei Lieder getanzt und dann wollte meine Freundin los. Dann sind wir auch gegangen, mit den beiden quasi im Schlepptau, sind wir zum Bäcker gegangen."
Abdoul: "Auf dem Weg zu Bäckerei haben wir viel geredet. Dann habe ich sie nach Hause gebracht. Kann ich dich wiedersehen, habe ich gefragt. Sie sagte ja. Wenn du mich treffen möchtest, dann wieder dort, wo wir uns begegnet sind."
Chrissy: "Und dann hat er mich nach der Telefonnummer gefragt und ich habe gesagt, ne, die möchte ich nicht geben die Männer sind ja da immer recht forsch und wollen die Telefonnummer haben und sind dann solche Pfeifen."
Zehn Tage später war ich noch in einem anderen Tanzclub und da war er dann auch wieder. Da habe ich erst mal so getan, als würde ich ihn nicht erkennen und habe gewartet, bis er wieder auf mich zugekommen ist.
Abdoul: "Wir haben wieder getanzt, geredet. Gegen drei Uhr früh wollte ich dann zurück ins Asylbewerberheim. Wir haben uns so verquatscht, dass ich meinen Zug verpasst habe.
In derselben Woche hat sie mir dann ihre Telefonnummer gegeben. Von da an haben wir uns regelmäßig gesprochen und auch geschrieben."
Chrissy: "Dann haben wir uns die erste Zeit relativ oft bei mir getroffen. Und gekocht und so ...das kann er halt (lacht) Er hat immer seine ganze Mühe und ewig viel Zeit dafür investiert und so hatten wir dann viel Zeit uns kennenzulernen. Durch viel reden und essen. Nicht die großen Aktivitäten unternommen, sondern sich miteinander beschäftigt."
Zwei Jahre später, in ihrer gemeinsamen Küche unter dem Dach eines Plattenbaus. Der Blick aus dem Fenster geht hinaus, über die Landeshauptstadt Schwerin hinweg, auf die weiten Felder Mecklenburgs.
Es ist früher Nachmittag.
Abdoul arbeitet inzwischen als Altenpfleger-Helfer und Chrissy betreut in einer Notunterkunft Flüchtlinge. Sie ist 23. Er kennt sein genaues Alter nicht – schätzt aber, dass er Anfang 30 ist.
Couscous mit Mango ist mittlerweile Chrissys Lieblingsgericht
Beide haben heute noch nichts gegessen und sind hungrig. Abdoul möchte ein süßes Couscous-Gericht aus seiner Heimat Mauretanien kochen, mit Milch und einer frischen Mango. Mittlerweile ist es Chrissys Lieblingsessen.
Abdoul: "Mais c'est doux, doux, doux."
Chrissy: "Was heißt doux?"
Abdoul: "Hammerlecker."
Chrissy: "Alles klar."
Durch Abdoul hat sie eine völlig neue Küche kennengelernt, in der Hauptgerichte auch mal süß sein können, oder Hühnchen in einer Milchsauce gegessen werden.
Chrissy: "Was er in der Küche macht ist ja auch fernab von dem was ich kannte. Es fängt ja schon an damit, dass er Spaghetti und Eier zusammen kocht. Warum drei Herdplatten anmachen, wenn es auch mit einer funktioniert. Was machst du noch so komisches? Mittlerweile habe ich mich wahrscheinlich schon so daran gewöhnt, dass ich es gar nicht mehr so weiß. Aber am Anfang saß ich da und dachte, das funktioniert doch nie! Zum Beispiel: wenn eine Sauce übrigbleibt – Sauce in der Plastiktüte in den Tiefkühler. So einfrieren. Dafür braucht man weniger Platz, als in so einer Dose. So waren es die kleinen Sachen, die mich fasziniert haben."
Abdoul: "C'est parti..."
Chrissy: "Ich glaube, ich habe anderes Couscous gekauft. Ich war im Rewe."
Abdoul: "Wir haben doch noch altes Couscous."
Chrissy: "Ja, aber das war nur so ein bisschen. Da ..."
Abdoul: "O.k., gut gemacht. Ça prend maximum vingt minutes."
Chrissy: "Du brauchst immer länger!
Abdoul: "Nein, vingt minutes."
Chrissy: "Wir können ja mal auf die Uhr gucken: 42! 14 Uhr 42. Na los!"
Als die beiden sich 2013 kennen lernten, verständigten sie sich zunächst auf Englisch. Das war nicht immer einfach. Zumal beide gerne über die Macht des Geldes, eine bessere Welt und die große Politik philosophieren.
Abdoul: "Kannst du mir helfen?"
Chrissy: "Was kann ich denn machen?"
Abdoul: "Die Mango schneiden?"
Chrissy: "Ja, kannst du mir ein Messer geben?"
Abdoul: "Das kleine oder das große?"
Chrissy: "Das! Richtig. Kannst du mir ein Brett geben?"
Abdoul reicht Chrissy ein Brett und erzählt dabei, dass er sich in den verschiedenen Sprachen zu verlieren fürchtet. In sein Französisch mischt sich immer mehr deutsch. Seine Muttersprache Pulaar, spricht er nur ganz selten. Während er Milch und Joghurt in einem großen Topf verrührt, kommen Erinnerungen an seine Heimat hoch.
Abdoul: "Es riecht wie in meinem Dorf, wenn gemolken wird. Mein Volk, das sind die Peul – auf Deutsch Fulbe. Es sind Kuhhirten. Wir haben viel Milch und essen sehr fett."
Schwarzafrikaner werden von ihren Feldern vertrieben
Abdoul erzählt, wie er in der Familie seines Vaters aufwächst, mit vielen Tanten, Onkeln und deren Kinder unter einem Dach. Die Familie lebt an den Ufern des Senegals-Flusses. Die Wüste in seinem Land, sagt er, dehne sich mehr und mehr aus. Fruchtbares Land werde immer kostbarer. Deshalb würden Araber, Schwarzafrikaner wie Abdouls Familie, von den Flussufern mit ihren fruchtbaren Feldern vertreiben.
Präsident von Mauretanien, ist ein General, der 2014 unter dubiosen Umständen, wiedergewählt wurde.
Abdoul: "Der Präsident sagt, alle Schwarzafrikaner in Mauretanien haben keine Rechte. Auch keinen Pass. Das hat vor etwa 30 Jahren begonnen."
Abdoul gehört zu einer oppositionellen Bewegung, die sich gegen die Unterdrückung und vor allem gegen die Sklavenhaltung von Schwarzafrikanern wehrt. Denn obwohl offiziell verboten gibt in Mauretanien immer noch Sklaverei.
Von alledem hat Chrissy bei ihrer ersten Begegnung in der Disko keine Ahnung. Tags darauf sucht sie das Land erst mal auf der Karte. Sie weiß (bis dahin) nicht, dass Mauretanien in Westafrika am Atlantik liegt.
2013 flieht Abdoul nach Deutschland. Wie alle Mauretanier muss er seinen Asylantrag in Mecklenburg-Vorpommern stellen.
Als Chrissy sich in den Afrikaner verliebt, lebt er im Flüchtlingsheim und spricht kaum ein Wort Deutsch. Nicht gerade das, was sich Chrissys Eltern – beide Beamte - unter einer guten Partie vorstellen – das ist der Tochter bewusst.
Sie zögert sieben Monate, bis sie den Eltern vom Mann ihres Lebens erzählt.
Chrissy: "Meine Mutti, die ist fast aus den Latschen gekippt. Sie hatte alle Vorurteile: Religion, wie sieht es damit aus? Wie werden Frauen behandelt? Putzt er auch? Hat er einen HIV Test? Diese Palette.
Alle haben gesagt ich soll aufpassen. Haben alle gesagt. Alle. Freunde, Familie, Bekannte. Alle!"
Paul: "Hereinspaziert! Na, Süße? Na, mein Steppi, du siehst ja so schick aus."
Sonntagabend 18 Uhr, in einem anderen Stadtteil Schwerins. Die Einfamilienhäuser sind hier umgeben von gepflegten Gärten und verkehrsberuhigten Straßen mit Namen wie Tulpenweg, Rosenweg oder Lilienweg. In dieser behüteten Umgebung ist Chrissy aufgewachsen. Und hier leben ihre Eltern, Anja und Paul, noch immer.
Chrissy hebt den Topfdeckel: "Kartoffeln?"
Peter: "Steppi, du hast Wasser?"
Chrissy: "Und du hast gar nichts, Papa?"
Paul: "Doch, ich trinke mein Bierchen."
Chrissy: "Hast du das Gulasch heute gemacht?"
Paul: "Ne, Freitag. Freitag hatte ich ein bisschen Zeit und dann habe ich vorgekocht und habe nochmal alles eingefroren. Und jetzt rausgeholt."
Anja: "Steppi, Nudeln oder Kartoffeln?"
Abdoul: "Nudeln."
Tina: "500 Gramm."
Die Küche ist geräumig. Gleich rechts bei der Tür steht ein Holztisch, zur Hälfte eingerahmt von einer Eckbank aus demselben Holz.
Chrissy: "Schmeckt sehr gut Papa."
Abdoul: "Lecker."
Paul: "Bei Gulasch kann man ja nicht so viel verkehrt machen."
Abdoul: "Ich habe meine BKK Nummer bekommen."
Paul: "Krankenversicherung."
Anja: "Cool, hast du auch schon eine Karte?"
Abdoul: "Nein. Aber ich habe die Nummer."
Anja: "Gesetzlich krankenversichert – ganz wichtig."
Peter: "Steppi.....wow."
Anja: "... das sind hier Scheine. Bis deine Karte kommt, kannst du die zum Arzt mitnehmen."
Paul: "Aber auch das: schön abheften. Dokument, schön in den Ordner. Wichtig."
Heute nennen sie ihn Steppi
Seit Chrissy und ihre Schwester, die heute ausnahmsweise mal fehlt, ausgezogen sind, ist das gemeinsame Essen am Sonntagabend ein fester Termin. Auch um ernstes zu besprechen. Wie damals im Frühjahr 2014, als der Vater von Chrissys Liebe zu Abdoul erfährt. Den Spitznamen "Steppi" von Steppkes, was so viel wie pfiffiger Junge bedeutet, gibt Paul dem Schwarzafrikaner erst später. Heute nennen ihn in der Familie und im Freundeskreis alle so.
Paul: "Als meine Töchter mir das gesagt haben, dass Chrissy jetzt den Steppi als Freund hat, das war ja eine hochspannende Geschichte! Das war ja auch beim Familienessen. Meine große Tochter war an dem Abend besonders puschelig. Ich dachte, die hat ja was. Aber ich dachte zuerst, es geht um sie. Aber es ging gar nicht um sie. Sie sagte, unsere Chrissy, die hat einen Freund. Ich sagte, das ist ja toll. Schön. Wo denn und wie kennengelernt? Da sagte Chrissy im Studentenclub () das war ja früher auch (lacht) mein Terrain gewesen, als ich Student war und viele, viele schöne Erlebnisse und dann fragte ich, na was studiert denn Steppi? Na ja, sagte Bine, meine große Tochter, du Papa, das ist ein bisschen anders......() Aber () ich würde die Unwahrheit sagen: ich habe mich erst mal erschrocken. Ich habe mich erschrocken."
Anja: "Ich habe anfangs drei Minuten ohne Luft zu holen gesprochen. Genau aus diesem Grund: schwarz, Mann, Moslem. Meine erste Bemerkung war dann auch noch: und was ist mit der Gesundheit?"
Paul: "Meine erste Assoziation ist gewesen, dass das kompliziert wird. Das wusste ich vom ersten Moment an. Zu dem damaligen Zeitpunkt habe ich mir gesagt, oh Gott, wenn deine Tochter jetzt mit einem Schwarzafrikaner spazieren geht: Hauptsache, die bekommen nicht ein paar vor die Nuss."
Steppi spürt bisweilen selbst, dass er in Schwerins Straßen die Blicke auf sich zieht. In Mecklenburg-Vorpommern machen Migranten gerade mal zwei ein halb Prozent der Bevölkerung aus. Und die wenigsten von ihnen sind schwarz.
Paul: "Es gehörten auch schlaflose Nächte dazu, das sage ich ganz offen. Jeder der Kinder hat, möchte für seine Kinder das Beste. Was das Beste ist, müssen letztlich die Kinder selber entscheiden. Aber als Eltern überlegt man ja trotzdem immer mit und dass meine Chrissy so einen komplizierten Weg geht, zu dem damaligen Zeitpunkt. Da mussten wir uns auch erst mal sortieren und ich hatte für mich auch noch gar keinen Plan."
...und ich bin jemand, der immer ganz gerne einen Plan hat und den musste ich mir erst mal erarbeiten. Und der Plan war wirklich der, dass ich den Steppi kennenlernen wollte.
Abdoul: "Sie hat ihren Vater angerufen und gesagt, dass wir vorbeikommen. Wir sind zum Bahnhof gefahren und haben da auf den Bus gewartet. Den ersten haben wir auf jeden Fall vorbeifahren lassen, ohne einzusteigen. Wir waren sehr nervös. In den zweiten sind wird dann eingestiegen. Das war ein spezieller Moment. Aber wenn du liebst, musst du diese Liebe leben."
Chrissy: "Tür auf. Dann haben wir uns in den Garten gesetzt. Steppi war so schüchtern, dass er sich kaum getraut hat ein Stück Kuchen zu essen. Papi hat in zwanzig Minuten zwei Bier getrunken (lacht). Dann sind wir nach einer halben Stunde auch schon wieder los. Papa hat ja gesagt, er möchte nur mal gucken. Das war ein Sonntag."
Paul: "Und mir war völlig klar, dass sie schon längere Zeit zusammen sind und dass Chrissy genau weiß, was sie will."
Abdoul: "Ich kannte ihre Eltern gerade mal drei Tage, da bekam ich den negativen Asylbescheid. Ich sprach kaum ein Wort Deutsch. Guten Tag, das konnte ich."
Chrissy: "Es war ein Brief. Steppi muss bis Ende Mai Deutschland verlassen......das stand da drin....das war.....dafür gibt es keine Worte."
Abdoul: "Ich war hilflos, hatte keinen Plan. Ich wusste, ich muss das Land verlassen und ich war bereit dazu."
Chrissy: "Das habe ich dann einen Tag später auch meinen Eltern erzählt."
Anja und Paul ist klar, dass dieser Brief nicht nur Abdoul trifft, sondern auch ihre Tochter unglücklich macht.
Chrissy: "Meine Eltern hatten, als dieser negative Asylbescheid kam, sofort reagiert und haben Steppi einen Sprachkurs finanziert. Das war für Steppi eine unglaubliche Situation. Warum bekommt er auf einmal 'support'? er hat noch nie Support bekommen! Das waren alles ganz schön emotionale, zusammenschweißende und unbeschreibliche Erfahrungen, die man da in den Monaten gesammelt hat. Oder Wochen..."
Doch dann wird das, was vorher ein Problem war – nämlich, dass Abdoul keinen Pass besitzt – zu seinem Glück. Ohne gültige Dokumente keine Abschiebung. Die Ausländerbehörde setzt die Abschiebung aus und erteilt dem Afrikaner eine Duldung.
Zurück an den Esstisch der Familie, am Sonntagabend.
Hautnah zu erleben wie ein geduldeter Flüchtling in Deutschland lebt, verändert Anja und Pauls Sicht auf die Flüchtlingspolitik.
Anja: "Zu hören, dass er keinen Anspruch auf einen Integrationskurs, auf so einen Deutschkurs hat, da habe ich gedacht, das geht doch gar nicht. () Das fand ich schlimm."
Paul: "Wir beide sind ja dann auch los zu verschiedenen Ämtern gemeinsam. Da habe ich dann auch gemerkt, wenn jemand der sprachlich noch nicht so weit ist, wie schwierig das ist, sich mit den Kollegen und Sachbearbeitern zu verständigen. Wie schwierig das ist, alleine bestimmte Ämter zu finden oder bestimmte Ansprechpartner zu finden. Formulare auszufüllen. Bestimmte Angaben zur Person zu machen, die man nicht hat."
Anja: "Und auch, dass viele so lange gar nicht arbeiten dürfen. Das war mir auch nicht klar."
Als ihnen Steppis schwierige Lage bewusst wird, setzen Chrissis Eltern alle Hebel in Bewegung, um Steppi zu unterstützen. Pauls Vorbehalte gegenüber dem Mauretanier scheinen mit einmal verschwunden.
Paul: "Was diese Barrieren angeht oder die Fragen, kann ich nur sagen, dass ich selber überrascht bin, wie schnell auch ich mich eingekriegt habe."
Chrissys Eltern sind gut vernetzt und kennen eine Menge Leute in der Stadt. Sie bezahlen Abdoul nicht nur den Intergrationskurs und helfen den beiden bei der Suche nach einer gemeinsamen Wohnung. Sie besorgen Abdoul auch einen Praktikumsplatz als Altenpfleger-Helfer. Sein respektvoller Umgang mit alten Menschen kommt gut an, in der Demenz-Wohngemeinschaft. Der Pflegedienst stellt ihn (nach dem Praktikum) ein. Damit ist der Flüchtling nicht mehr auf Sozialleistungen angewiesen.
Anja: "So Steppi, erzähl: wie war deine erste Arbeitswoche?"
Peter: "Du musst aber erst aufessen."
Abdoul: "Ich war ein bisschen aufgeregt, aber es hat gut geklappt. Heute habe ich einen Kuchen gebracht. Aber nicht alleine (lacht)."
Paul: "Wurde das ein Kuchen und kein Gulasch?" (alle lachen).
Abdoul: "Ich hatte Angst, das kloppt nicht."
Anja korrigiert: "Das klappt nicht, klappt nicht kloppt."
Abdoul: "Klappt. Aber es hat gut geklappt."
Der Afrikaner ist in Mecklenburg angekommen.
Paul: "Für Anja und mich war das, dass wir uns mit Steppi verständigen können, mit ihm reden können, dass ich mit ihm auch mal alleine reden kann....von Mann zu Mann, ganz, ganz doll wichtig."
Was, wenn Abdoul abgeschoben wird?
Zum Beispiel vor ein paar Wochen, als Abdoul bei Chrissys Vater, ganz nach alter Deutscher Sitte, um die Hand seiner Tochter anhält. Aus Mauretanien kennt er diese Tradition nicht, aber er weiß, dass sie Chrissy wichtig ist. Und tatsächlich: der Vater, genießt den Augenblick.
Paul: "Na ja, da habe ich mich erst mal sehr wichtig hingesetzt (lacht) drei Mal durchgeatmet und gesagt, das entscheidende ist, dass ihr euch liebt und wenn das hinhaut, ist das alles in Ordnung. Chrissys Mutter, hat auch nichts gegen eine Hochzeit einzuwenden."
Anja: "An dieses Thema 'Moslem' habe ich persönlich einen Haken gemacht, als wir Im Ramadan bei Tageslicht Gulasch gegessen haben. Weil da ist ja auch Schwein drin. Steppi hat seine Religion, aber wir haben sehr schnell erlebt, dass sie nicht im Vordergrund steht."
Ein paar Tage später, im Plattenbauviertel der Stadt. Zu Hause bei Chrissy und Abdoul. Eine Freundin ist zu besuch. Sie essen wieder Lassé, das süße Couscous Gericht aus Mauretanien.
Abdoul: "In Foulaa, wenn etwas lecker ist sagt man 'nouilli'."
Marie: "Sag' nochmal!"
Abdoul: "Nouilli."
Chrissy scherzhaft: "Ist doch ganz einfach! Oourillloi."
Abdoul korrigiert: "Nouilli. Das ist lecker."
Marie: "Ok."
Völlig unerwartet bricht Chrissy am Wohnzimmertisch in Tränen aus. Sie macht sich große Sorgen, dass die aktuelle Flüchtlingsdebatte ihr gemeinsames Schicksal beeinflussen könnte. Was, wenn Abdoul doch noch abgeschoben wird? Sie hat den Eindruck, die Gesetze ändern sich täglich. Die beiden möchten schnell heiraten. Für eine Heirat aber, braucht Abdoul einen Pass. Den hat er noch immer nicht. Und wenn er einen hätte, könnte das erst recht zum Problem werden.
Chrissy: "Weil sobald ein Reisepass da ist, kann abgeschoben werden. Und das wäre eigentlich das Schlimmste, was passieren könnte: wenn man uns trennt."
Noch gibt es keine Lösung für dieses Dilemma. In den nächsten Tagen werden sie sich bei verschiedenen Anwälten erkundigen und Ämter abklappern.
Chrissy: "Was Probleme sind, habe ich quasi erst jetzt kennengelernt. () Das ist so. Was ich damals als Problem empfand, das ist mittlerweile lächerlich."
So verschieden die Welten auch sind, aus denen Chrissy und Abdoul kommen – ihre Zukunftswünsche sind es nicht.
Abdoul: "In zehn Jahren werden wir in einem mecklenburgischen Dörfchen leben. Vielleicht mit Tieren. Wir sprechen oft davon. Kinder. Viele. Ich scherze. Ich wünsche mir nur ein oder zwei Kinder. Ein richtiges Leben. Mit einem Häuschen auf dem Land. Mit Tomaten im Garten. Ein normales Leben eben. Das ist unser Traum. Und wir sprechen sehr oft darüber."
Chrissy: "Ich gehe halt nicht mehr alleine, sondern mich hat jemand im Arm. Das ist ein schönes Gefühlt. Und ich glaube nicht, dass jemand anderes das wieder einnehmen könnte."
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