Afrika

Massensterben in kolonialen Konzentrationslagern

Wandgemälde zur Befreiung Nambias durch die deutschen Kolonialherren in Windhoek
In Südafrika gab es während der Kolonialzeit Arbeitslager. © Imago / IPON
Jonas Kreienbaum im Gespräch mit Ernst Rommeney · 28.03.2015
In den Arbeitslagern der Kolonialmächte in Afrika starben Tausende der Internierten durch Krankheiten und Gewalt. Jonas Kreienbaum fragt in seinem Buch "Ein trauriges Fiasko": Wie ähnlich sind diese Lager zu den KZs der Nazis?
"Die ganze Sache war ein trauriges Fiasko", gestand Sir Alfred Milner am 8. Dezember 1901 in einem vertraulichen Brief an den liberalen Politiker Richard Haldane. Milner, als britischer High Commissioner der wohl mächtigste Zivilist in Südafrika, hatte in den vorangegangenen Wochen alles versucht, um das Massensterben in den kolonialen Konzentrationslagern aufzuhalten, bedeutete dies doch – so seine Befürchtung – ein ernsthaftes Problem für die Ökonomie der Kolonie.
Die Politik der Kolonialmächte bedeutete für Tausende Internierte der Lager in Südafrika und Deutsch-Südwestafrika den Tod, manche verloren binnen weniger Wochen ihre gesamte Familie, die Überlebenden wurden durch die Erfahrung von Deportation, Mangel, Krankheiten, Gewalt und Tod traumatisiert.
Jonas Kreienbaum: "Ein trauriges Fiasko"
Jonas Kreienbaum: "Ein trauriges Fiasko"© Promo
Ein Fiasko im Sinne von Misserfolg oder Reinfall waren die Konzentrationslager auch aus der Perspektive der Kolonisierer, denn in keinem der Fälle, die Jonas Kreienbaum untersucht, war das Massensterben der Internierten beabsichtigt. Die Lager waren nicht als Vernichtungslager geplant; sie dienten der Kontrolle der kolonisierten Bevölkerung und damit der effektiven staatlichen Durchdringung der Kolonie, sie fungierten als Haftstätten und Stätten der Erziehung und vor allem der Arbeitskräftebeschaffung.
Kontrovers diskutiertes Forschungsfeld
Jonas Kreienbaum stößt mit seiner Untersuchung der kolonialen Konzentrationslager im südlichen Afrika in ein derzeit intensiv und kontrovers diskutiertes Forschungsfeld vor, das sich vornehmlich um die Frage dreht, ob von einer Kontinuität der kolonialen Lager unter deutscher Herrschaft in Südwestafrika bis zu den nationalsozialistischen Lagern des NS-Regimes auszugehen ist.
Anhand verschiedener Kriterien, wie der Interniertenzahlen, der Arbeit im Lager, der Zwangsarbeit für andere Institutionen oder der Sterblichkeit und planmäßigen Vernichtung, vergleicht er die kolonialen und nationalsozialistischen Lager und stellt eindeutig fest, dass die Unterschiede in hohem Maße überwiegen; allein die Ausnutzung der Arbeitskraft als eine zentrale Funktion der Lager scheint vergleichbar.
Der Primärzweck der kolonialen Lager war ein militärischer, indem sie die Guerillakriege durch eine Konzentration und damit Kontrollierbarkeit der Bevölkerung zu beenden helfen sollten. Intentionale Vernichtung gab es in den kolonialen Lagern nicht. Die vielfache Einrichtung von Konzentrationslagern um 1900 war (auch) ein Produkt von transnationalen Austauschprozessen, die die Konzentrationspolitiken allerdings im Zusammenspiel der strukturellen Faktoren vor Ort, der lokalen Traditionen und einer geteilten "kolonialen Kultur" beeinflussten. Dieses Zusammenspiel ist in der Forschung bislang nicht berücksichtigt worden.

Jonas Kreienbaum: Ein trauriges Fiasko. Koloniale Konzentrationslager im südlichen Afrika, 1900-1908
Hamburger Edition
300 Seiten, 28,00 Euro

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