Klimawandel

Große Zukunft für Agrocomia-Palme?

Illegale Abholzung des Regenwaldes auf Sumatra/Indonesien von November 2011.
Abholzungen des Regenwaldes verstärken den Klimawandel © picture alliance / dpa / WWF-Indonesia
Thomas Hilger im Gespräch mit Liane von Billerbeck  · 09.09.2016
Die Agrocomia-Palme gehört zu den vernachlässigten Kulturpflanzen. Dabei könnte sie eine interessante Alternative zu anderen Biopflanzen sein, deren Abbau den Klimawandel beschleunigt.
Der Agrarexperte Thomas Hilger beklagt eine Einseitigkeit des Ölmarktes, der vor allem auf die afrikanische Ölpalme setze. Sie werde seit mehr als hundert Jahren intensiv genutzt. Zu der Zurückhaltung gegenüber Alternativen sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter an der Universität Hohenheim, der seit Jahren über die Agrocomia forscht: "Momentan gibt es nicht sehr großes Interesse, da etwas auszuweiten." Hilger hat gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern ein Verfahren entwickelt, dass ein schnelleres Keimen der Agrocomia ermöglicht.

Geschmack wie bei Paranüssen

"Der Vorteil von dieser Palme ist, dass sie eben nicht nur in bestimmten Standorten vorkommt, wie zum Beispiel tropischer Regenwald", sagt Hilger. Sie wachse auch in subtropischen Gegenden. Die Agrocomia-Palme sei vielseitig nutzbar, sagt Hilger. Die Früchte der Pflanze und deren Samen könnten genutzt werden, um Öl zu gewinnen. Andere Teile seien für Tier und Mensch essbar. Den Geschmack der Samen vergleicht Hilger mit dem von Paranüssen.

Mangelnde Vielfalt

"Vier Nutzpflanzen machen im Prinzip unseren gesamten Kalorienbedarf aus", sagt Hilger. Früher seien das wesentlich mehr Pflanzen gewesen. "Diese Verarmung, die ist dann natürlich problematisch in Bezug auf Anpassung an Klimawandel." Sie sei auch schwierig, wenn bestimmte Krankheitserreger auftauchten, die zu Ernährungskatastrophen führen könnten. Hilger hofft deshalb, dass die Agrocomia als mögliche Alternative noch eine große Zukunft vor sich haben könnte.

Das Interview im Wortlaut:

Liane von Billerbeck: Man nennt sie Bio-Pflanzen, aber man holzt dafür massenhaft Regenwälder ab. Ob es nun um den Anbau von Mais oder Zuckerrohr, um die Afrikanische Palme oder um Raps geht, all diese Stoffe, die dann gegessen, auf die Haut geschmiert oder im Tank verbrannt werden. Doch der ökologische Schaden ist beträchtlich, ja dramatisch, der Klimawandel nimmt zu. Dabei gäbe es Alternativen, eine Pflanze namens Agrocomia. Wenn Sie davon noch nicht gehört haben, die wird in Süd- und Mittelamerika durchaus angebaut und könnte auch hier eine Pflanze der Zukunft sein. Thomas Hilger ist Agrarexperte, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hohenheim und befasst sich seit 2009 mit der Agrocomia-Palme. Schönen guten Tag!
Thomas H. Hilger: Hallo, Frau von Billerbeck!
von Billerbeck: Eine Pflanzengattung namens Agrocomia. Was ist das Besondere an ihr?
Hilger: Es ist nicht nur so, dass man die ölhaltigen Früchte von dieser Pflanze nutzen kann, sondern Sie können im Prinzip auch den Wachstumspunkt, wo diese Blätter der Palme herauskommen, den können Sie auch als Gemüse essen. Mit den Blättern könnten wir heute auch noch, das wird auch gern von Wiederkäuern gegessen. Und so gibt es noch eine Reihe von Möglichkeiten, die Pflanze zu nutzen. Wir haben an der Frucht zwei Bereiche, einmal das Fruchtfleisch, aus dem man Öl gewinnen kann, und dann hat die Pflanze einen Samen und den Samen können wir ebenfalls für die Ölgewinnung nutzen.
Wenn Sie so einen Samen von dieser Agrocomia-Palme essen würden, dann können Sie sich das vom Geschmack her so vorstellen wie Paranüsse, die ja auch aus Südamerika beziehungsweise aus dem Regenwald kommen. Der Vorteil von dieser Palme ist, dass sie eben nicht nur in besonderen, bestimmten Standorten vorkommt wie jetzt zum Beispiel tropischer Regenwald, sie geht dann eben auch sehr stark in die subtropischen Regionen hinein, sodass man sie vielleicht gut und gerne zwischen etwa so 20., 23., vielleicht auch 25. Grad nördlich, südlicher Breite anbauen kann.

Einseitigkeit des Ölmarktes

von Billerbeck: Nun haben Sie meinen Gaumen schon gekitzelt, als Sie gesagt haben, das schmeckt da wie Paranüsse. Aber die Frage, die sich mir natürlich stellt: Warum wissen wir so wenig über diese Agrocomia-Pflanze? Sie forschen ja da schon seit 2009 dran, warum wird die noch so wenig genutzt oder warum ist das hier so wenig bekannt?
Hilger: Ich denke, es ist vielleicht auch eine Einseitigkeit des Ölmarkts und natürlich hat die Afrikanische Ölpalme den Vorteil, dass sie seit über 100 Jahren intensiv genutzt wird. 1911 hat ein Engländer namens William Lavern eine Konzession bekommen für Zaire, was dann im Prinzip ja dann auch so im zentralafrikanischen Raum ist, und dort hat im Prinzip dann auch der große Anbau von dieser Afrikanischen Ölpalme angebaut, der sich dann natürlich aufgrund der Erträge sehr stark ausgebreitet hat in den feucht-heißen Tropen.
von Billerbeck: Sie forschen ja seit Jahren daran und haben an der Uni Hohenheim zusammen mit der Katholischen Universität Paraguay ein Verfahren entwickelt, dass die Pflanze schneller keimt. Sie braucht dafür bis zu fünf Jahre ohne Ihr Verfahren. Warum ist trotzdem da noch nicht mehr passiert? Gibt es da Lobby-Interessen, die verhindern, dass diese Agrocomia eben vielerorts oder an mehreren Orten angebaut wird?
Hilger: Momentan gibt es nicht sehr großes Interesse, da etwas auszuweiten. Das liegt sicherlich daran, dass eben die Ölindustrie einfach auch an diesem relativ günstigen Produkt festhält, eben Afrikanische Ölpalme. Wir haben versucht vor einiger Zeit, ein größeres Forschungsprojekt in Südamerika zu lancieren, auch eben mit unseren Partnern in Paraguay, aber auch mit brasilianischen Partnern.
Wir sind dann irgendwie leider zwar positiv begutachtet worden von dem Forschungsansatz, den wir gehen wollten, aber wir haben irgendwie relativ teuer das Ganze angeboten, weil wir letztendlich die gesamte Wertschöpfungskette analysieren wollten, und da gab es dann nicht genügend Mittel, um das dann eben entsprechend durchzuführen. Und da ist es eben halt schade, dass man sich ein bisschen diese Chance verbaut, vielleicht auch Alternativen zu eben den herkömmlichen Ölpflanzen zu schaffen, die ebenfalls relativ gut auch vom Ertrag sein können. Und bei der Agrocomia liegen wir zwar deutlich noch unter den Werten der Afrikanischen Ölpalme, aber man muss dabei bedenken, dass das eine Wildpflanze ist, das heißt, sie ist überhaupt noch nicht züchterisch bearbeitet. Und mit den heutigen Methoden könnte man da sicherlich etwas stärker arbeiten.
Sie müssen auch überlegen, dass Ölfabriken, die dann die Afrikanische Ölpalme verarbeiten, das sind relativ große Flächen, die dann im Umfeld von der Ölfabrik angelegt werden müssen, weil das Problem auch bei der Afrikanischen Ölpalme ist, dass Sie die dann innerhalb von einem Tag verarbeiten müssen. Und das heißt im Prinzip, die Anfahrt zu der Fabrik muss entsprechend kurz sein. Und dieses Problem hätten wir bei der Agrocomia beispielsweise nicht, weil wir da auch eine längere Lagerfähigkeit der Frucht haben.

Weniger Vielfalt an Kulturpflanzen

von Billerbeck: Das klingt danach, als muss da komplett umgesteuert werden. Ich vermute mal, dass diese Agrocomia nicht die einzige Pflanze ist, die eine vernachlässigte Kulturpflanze ist, die man nutzen könnte, um zum Beispiel die Dinge zu erhalten, die Sie vorhin erwähnt haben, zu produzieren, und auch um also den Klimawandel ein bisschen einzudämmen, weil man eben diese Pflanzen, die den Klimawandel befördern und dafür der Regenwald abgeholzt wird, nicht mehr benötigt.
Hilger: Wir leben heute vielleicht – das klingt jetzt ein bisschen überspitzt –, vier Nutzpflanzen machen im Prinzip unseren gesamten Kalorienbedarf aus, während, sagen wir mal, in früheren Zeiten …
von Billerbeck: Waren das 500.
Hilger: … waren das wesentlich mehr Pflanzen. Und diese Verarmung, die ist natürlich dann auch problematisch in Bezug auf Anpassung an Klimawandel, die ist auch problematisch in dem Moment, wo eben bestimmte Krankheitserreger durchbrechen können, dass es dann auch zu größeren Ernährungskatastrophen kommen kann.
von Billerbeck: Thomas Hilger war das, Agrarexperte von der Universität Hohenheim, über Agrocomia, die Pflanze, die ganz sicher eine gute Zukunft hat. Wir hoffen’s! Ich danke Ihnen schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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