Ägyptens "Comedy-Partei"

Mit Humor durch die Krise

Ein Mitglied von Al Hezb El Comedy steht auf der Bühne.
Al Hezb El Comedy – Ägyptens "Comedy"-Partei. © Al Hezb El Comedy
Von Cornelia Wegerhoff · 29.10.2018
Die Unterdrückung der ägyptischen Zivilgesellschaft ist massiv. So wurden seit 2017 viele Internetseiten blockiert und ägyptische Journalisten inhaftiert. Eine Gruppe junger Ägypter versucht, unter diesen Umständen den Humor zu bewahren: mit ihrer "Comedy-Partei".
Comedian Ahmed Essam geht es wie fast allen jungen Ägyptern: Weil er noch nicht verheiratet ist, wohnt er immer noch bei seinen Eltern. So ist es hier Sitte. Aber zu Hause sollte auf keinen Fall jemand wissen, dass Ahmed raucht wie ein Schlot: "Deshalb hab ich meine Zigaretten in meiner Jackentasche versteckt. Einzeln. Aber Baba will mich unbedingt umarmen, wenn ich nach Hause komme. Dabei hab ich gerade noch schnell eine geraucht. Das riecht der doch!!! Okay… ich lass jetzt immer einen fahren, wenn ich reinkomme."
Ägyptens Generationenkonflikt und ein Lösungsansatz, der zum Himmel stinkt: ein Lacher. Ahmed Essam gehört zum Ensemble von "Al Hesb el Comedy", zu Deutsch die "Comedy-Partei". Hashem El Garhy hat sie vor sieben Jahren gegründet: "Al Hesb el Comedy ist die erste Plattform für Stand-Up-Comedy in Ägypten. Der Name entstand 2011 in der Zeit der ägyptischen Revolution. Da hat irgendwie jeder eine Partei gegründet. Und da haben wir gesagt: 'Wo ist die Partei, die Späße darüber macht?' Uns geht es darum, dass man die Dinge nicht so ernst nehmen soll. Wir wollen die Leute wieder zum Lachen bringen. Der Slogan der Comedy-Partei lautet: Mach dich locker, komm runter! Chill mal!"

Politische Witze? - Verkneifen sie sich lieber

Und das ist dringend nötig: Die Wirtschaftskrise lastet schwer auf den Ägyptern. Und auch die politische Lage am Nil ist angespannt. Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi regiert seit 2013 mit harter Hand. Da ist vielen das Lachen vergangen. Der berühmteste Comedian Ägyptens zum Beispiel, Bassem Youssef, lebt mittlerweile aus Sicherheitsgründen in den USA im Exil. In seiner wöchentlichen Fernsehshow hatte er vorher ein Millionenpublikum mit politischen Witzen begeistert. Die verkneifen sich Hashem El Garhy und seine Kollegen jetzt lieber:
"Hier in Ägypten hat jeder bei der Revolution an die große Freiheit gedacht. Aber wir sind hier nicht in den USA oder in einem anderen westlichen Staat, der diese Freiheit hat, die sich schon über 200, 300 Jahre entwickelt hat, die Demokratie, die dort herrscht. Da kann man über den Präsidenten spotten und geht nicht ins Gefängnis dafür. Die haben keine Probleme, weil es Redefreiheit gibt. Aber ich weiß genau, dass ich besser nicht über Politik reden sollte, nicht über Religion und nicht über Sex. Aber ich will diese Art der Unterhaltungsindustrie hier aufbauen. Und da kann ich nicht sagen: 'Ja, Jungs, redet über alles, was ihr wollt, denn dann bekomme ich Schwierigkeiten und mein Traum hat sich erledigt." Denn obwohl sie die Tabu-Themen aussparen, sind die Komiker erfolgreich. Es gibt genügend Alltagsthemen, über die sich die Comedy-Partei lustig machen kann: das Verkehrschaos in Kairo, das Müll-Problem, Beziehungsfragen..."

Frauen bei der Comedy-Partei? - Immerhin drei

Bernadette Nabil ist Mutter eines Sechsjährigen und gibt die komischsten Beispiele dafür, wie andere Eltern mit ihrem Nachwuchs in Dutzi-Dutzi-Sprache kommunizieren. Wie können Kinder die ernst nehmen, fragt sich die Komikerin trocken. Dass Bernadette Nabil als Frau Witze reißt, ist in Ägypten keineswegs selbstverständlich, gibt sie nach ihrem Auftritt zu:"Bei Hesb el Comedy sind wir Frauen gerade 'mal zu dritt. Da ist dieses Stereotyp, dass nur die Typen lustig sind. Und die Mädchen sind dazu da, gut auszusehen. Ich habe den Eindruck, dass die Leute genau aufpassen: Was sagt sie wohl? Ist die lustig? Mich motiviert das. Ich mache das wirklich gerne."
Auch mit Comedy könne man die Gesellschaft verändern, ist Hashem El Garhy überzeugt: "Wann hat man die höchste Aufmerksamkeit? Nach einem Lacher. Denn danach wollen die Leute noch mehr hören."
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