Adrenalinschub

Abgetaucht unterm Kopfhörer - das kann brenzlig werden

Radfahrer mit Kopfhörer im Straßenverkehr
Unterwegs in zwei Welten: Ein Radfahrer mit Kopfhörern mitten im hektischen Straßenverkehr. © picture-alliance/ dpa / dpaweb
Von Christian Grasse · 10.08.2015
Unser Autor ist süchtig nach Podcasts: An die 100 hat er abonniert. Am liebsten hört er sie unterwegs im hektischen Stadtverkehr. Nicht ungefährlich! Neulich knallte ihm ein Unfall auf die Ohren.
Ja, ich weiß, Kopfhörer im Straßenverkehr, soll man nicht machen. Aber ich kann nichts dafür, ich bin süchtig. Süchtig nach Audio.
Wenn ich alleine unterwegs bin, sieht man mich eigentlich nie ohne Kopfhörer. Zu Fuß, auf dem Fahrrad, in der Bahn - irgendwann muss ich meine knapp 90 Podcast-Abos ja schließlich auch hören. Es gibt einfach zu viele gute Sendungen im Netz!
Podcasts in freier Wildbahn zu hören, kann jedoch brenzlich werden. Vor allem dann, wenn das Gehörte mit dem visuellen Eindruck kollidiert. So wie bei mir neulich, als ich auf dem Weg ins Büro war. Ich hörte ein SWR-Stück über die fortschreitende Digitalisierung des Menschen. Es ging um so genannte Blackboxes in Autos. Die analyisieren das Fahrverhalten und berechnen aus den Daten individuelle Versicherungsbeiträge.
Kopfhörer, die den Außenlärm komplett wegfiltern
Ich hatte meine Kopfhörer extra laut eingestellt, weil mich die Umgebungsgeräusche störten.
Mittlerweile gibt es ja sogar Kopfhörer, die den Außenlärm komplett wegfiltern können. Stichwort: Noice Cancellation. Genau so ein Ding hab' ich. Das ist übrigens auch praktisch, wenn man einfach mal seine Ruhe haben will.
Da stehe ich also am Straßenrand, schaue nach links, nach rechts, laufe zwischen zwei parkenden Autos los, um auf die andere Straßenseite zu gelangen und dann das …
In dem Augenblick dachte ich, das war's. Jetzt geht’s zu Ende! Ich zucke zusammen, gehe in die Knie, und lege instinktiv meine Arme an den Körper an, als würde mich das vor einem Zusammenstoß mit einem Auto schützen! Wie naiv doch unser Nervensystem ist. Alles ging blitzschnell, innerhalb von Sekundenbruchteilen.
Plötzlich hörte ich einen Crash - und dachte, es geht zu Ende
Aber keine Sorge, mir ist nichts passiert. Ich wurde reingelegt. Mein Gehirn hat mich ausgetrickst. Denn genau in dem Moment, in dem ich meinen Fuß auf die Straße setzte, ertönte im Podcast eine Aufnahme eines Autounfalls. Weil's so schön zum Thema passt, dachte sich der Autor wohl. Der Sound wirkte so realistisch, dass Ich dachte, von links käme tatsächlich ein PKW angerast, und würde in das parkende Fahrzeug neben mir knallen. Mein Puls raste wie verrückt.
Mein Gehirn hat einfach den visuellen Eindruck - Straße, Verkehr, Autos - mit dem verknüpft was ich hörte – Unfall-GERÄUSCH. Die widersprüchlichen Signale, die rein zufällig perfekt getimt waren, lösten eine Art Schockzustand aus. Ein riesiger, akustisch herbeigeführter Adrenalinausstoß. Sowas hatte ich noch nie erlebt.
Erst als ich sah, wie verwirrt mich die Menschen anschauten, die mir auf der Straße entgegenkamen, war mir klar, was da gerade wirklich passierte. Nämlich gar nichts. Ich muss unglaublich dämlich ausgesehen haben, wie ich da mitten auf der Straße scheinbar grundlos zusammenzuckte. Peinlich war das! Aber auch aufregend. Die Kraft von Sound werde ich wohl nie wieder unterschätzen.
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