Adonis-Laudator zum Remarque-Friedenspreisträger

"Bestimmte Aussagen einfach stehen lassen"

Der syrische Poet und Essayist Adonis alias Ali Ahmed Said Esber, aufgenommen 2013
Der syrische Poet und Essayist Adonis alias Ali Ahmed Said Esber © imago/GlobalImagens
Daniel Gerlach im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 13.11.2015
Die Stadt Osnabrück möchte dem syrischen Dichter Adonis den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis verleihen. Doch die Kritik daran reißt nicht ab und die Preisverleihung wurde verschoben. Der als Laudator vorgesehene Journalist Daniel Gerlach verteidigt nun die Entscheidung der Jury.
Seit Wochen reißt die Kritik an der Stadt Osnabrück nicht ab, die dem syrischen Dichter Adonis den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis verleihen will. Die Stadt musste die Preisverleihung, die eigentlich für den 20. November 2015 geplant war, auf das Frühjahr 2016 verschieben. Wegen der Kritik war es nicht möglich, eine angemessene Preisverleihung zu organisieren, hieß es von Seiten der Stadt.
Einige Landsleute werfen Adonis eine zu große Nähe zum Assad-Regime vor. "Das ist eine schlichte Verleumdung", sagte Jury-Mitglied Johano Strasser im Deutschlandfunk. Wie man auf den Gedanken kommen könne, diesen Dichter mit Erich Maria Remarque in Verbindung zu bringen, fragte sich wiederum der in Berlin lebende irakische Schriftsteller Najem Wali fassungslos im Deutschlandradio Kultur. Auch im aktuellen "Spiegel" hat der irakische Schriftsteller Najem Wali neue Vorwürfe gegen Adonis erhoben und die Jury aufgefordert, über die Entscheidung noch einmal "grundsätzlich nachzudenken". Er wirft Adonis Nähe zum politischen Extremismus und religiösen Fundamentalismus vor.
Kritik beziehe sich auf einige wenige Aussagen
Daniel Gerlach, Chefredakteur der Zeitschrift "Zenith", der am 20. November die Laudatio auf Adonis hätte halten sollen, verteidigt im Deutschlandradio Kultur die Entscheidung der Jury.
Er verspricht aber auch, sich in seiner Laudatio kritisch mit Adonis auseinander zu setzen. "Die Diskussion ist meiner Meinung nach etwas aus dem Ruder gelaufen", sagt Gerlach. Er wirft den Kritikern vor, sich nicht intensiv genug mit dem Werk Adonis' auseinandergesetzt zu haben, denn die Kritik beziehe sich nur auf einige wenige kontroverse Aussagen.
Symptom der Sprachlosigkeit zwischen den Welten
Außerdem seien die Aussagen von Adonis, die nun so sehr kritisiert würden, teilweise mehrere Jahrzehnte alt. "Dann dürften wir uns heute auch nicht mehr mit intellektuellen Größen wie Michel Foucault oder dem kürzlich verstorbenen Helmut Schmidt vollauf identifizieren!", sagt Gerlach. Was man nun mit Adonis erlebe, sei eine Sprachlosigkeit zwischen dem Westen und der arabischen Welt.
Adonis sei ein Mystiker und kein Politiker, gibt Gerlach zu bedenken. "Ein Mystiker schaut auf die Seele der Dinge", sagt Gerlach. "Man kann von ihm nicht erwarten, in jeder Hinsicht sauber zu argumentieren." Es wäre eine versöhnliche Geste, bestimmte Aussagen einfach stehen zu lassen", meint er.
Daniel Gerlach, Chefredakteur der Zeitschrift "Zenith"
Daniel Gerlach, Chefredakteur der Zeitschrift "Zenith"© Zenith

Hören Sie das Gespräch mit Daniel Gerlach in der Sendung "Fazit" am Freitag, den 13.11. ab 23.05 Uhr. Am Mittwoch, den 18.11. kommt in der "Lesart" der Remarque-Preisträger Adonis selbst zu Wort.

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