Abschluss des Islam-Quintetts

17.03.2011
Tariq Ali hat ein Roman-Quintett geschrieben, um den Stereotypen über den Islam etwas entgegenzusetzen. "Die Nacht des Goldenen Schmetterlings" hat er nach den vier ersten Teilen, die in der Historie Pakistans spielten, in der Gegenwart angesiedelt.
"Als ich noch in Lahore lebte", lässt uns der Icherzähler Dara gleich zum Auftakt wissen, "hatte ich einen älteren Freund namens Plato, der mir einmal einen Gefallen erwies. In einem Anfall von jugendlichem Großmut versprach ich, ihm diesen mitsamt Zinsen zu vergelten, wann immer er meine Hilfe brauche." Nun, 45 Jahre später, ist dieser Moment gekommen: Plato, mittlerweile ein berühmter pakistanischer Maler, hat sich nach langen Jahren des Schweigens bei seinem Jugendfreund gemeldet, der mittlerweile in London lebt. Der Grund seines Anrufes: Dara soll ein Buch über Platos Leben schreiben – ein Buch über ein Leben, das sich dem Ende nähert.

"Die Nacht des Goldenen Schmetterlings" ist der letzte und abschließende Roman von Tariq Alis so genanntem Islam-Quintett, das der pakistanische Romancier und Journalist Anfang der 90er-Jahre zu schreiben begann, um dem stereotypen Image des Islams ein differenzierteres Bild entgegen zu setzen. Die ersten vier Bände spielten in der fernen Vergangenheit – sei es im maurischen Spanien zur Zeit der reconquista, sei im untergehenden Osmanische Reich. Jetzt wendet Tariq Ali sich der jüngeren Geschichte und der Gegenwart seines Heimatlandes Pakistan zu. Es ist – im Spiegel von Platos Leben – die Tragödie eines steten politischen Niedergangs. Träumten Plato und Dara Anfang der 60er Jahre noch von einer offenen und freien Gesellschaft, mussten sie nach und nach erkennen: die politische Klasse bleibt korrupt, die schleichende Islamisierung des Landes greift immer weiter um sich. Platos letztes Gemälde zeigt dementsprechend auch die "vier Krebsgeschwüre" des Vaterlands: die Mullahs, das Militär, Amerika, die Korruption.

Das ist schwere Kost. Tariq Ali verpackt seinen Stoff zwar in einer turbulent zwischen London, Paris und Karatschi hin und her wirbelnden Liebesgeschichte, die zugleich voll literarischer und tagesaktueller Anspielungen steckt. Doch die kunstvolle Maskerade dieses mit Stendhal und Diderot, mit Sufi-Weisheiten und Versen des Urdu-Poeten Faiz Ahmed Faiz gespickten Schelmenstücks kann nicht hinwegtäuschen, dass Ali sich stellenweise zu viel vorgenommen hat. Dem Roman mangelt es immer wieder an Stringenz. Wer nicht Kenner der Materie ist, wird manches schlicht nicht verstehen. Eines aber spürt man dennoch: Tariq Alis Roman ist eine zärtliche und zugleich bittere Huldigung an ein Land, das einst von einer Zukunft träumte, die es möglicherweise nie geben wird. Keine leichte Lektüre also, aber dennoch eine, die sich lohnt.

Besprochen von Claudia Kramatschek

Tariq Ali: Die Nacht des Goldenen Schmetterlings
Aus dem Englischen von Margarete Längsfeld
Heyne Verlag. München 2011
352 Seiten, 19,99 Euro