Abrechnung mit der Bush-Regierung

Rezensiert von Thomas Kroll · 17.08.2006
Die ehemalige US-Außenministerin schreibt in ihrem Buch "Der Mächtige und der Allmächtige" über die Position Amerikas in der Welt und die Rolle von Religion und Moral bei der Außenpolitik der USA. Hierbei geht sie hart mit dem Präsidenten George W. Bush ins Gericht und plädiert für eine Säkularisierung der amerikanischen Mission für Freiheit und Demokratie.
Der Titel des Buchs spielt zweifelsohne an auf den derzeitigen Präsidenten der Vereinigten Staaten, auf George W. Bush. Der hat einmal bekundet: "Ich glaube, Gott will, dass ich Präsident werde." Über das spezielle Verhältnis Bushs zu Gott, dem Allmächtigen, erfährt man nicht allzu viel. Albrights Buch ist keine Abhandlung über die praktische Frömmigkeit des mächtigsten Präsidenten der Erde, sondern, dem Untertitel gemäß, eine gut 300-seitige Reflexion über "Gott, Amerika und die Weltpolitik".

Das Buch, zu dem Albrights Ex-Chef Bill Clinton ein Vorwort beigesteuert hat, gliedert sich in drei Teile. Der erste ist mit "Gott, Freiheit, Vaterland" überschrieben. Darin geht es um die Position Amerikas in der Welt und "die Rolle von Religion und Moral bei der Gestaltung der amerikanischen Außenpolitik in Gegenwart und Vergangenheit." Vietnamkrieg und die Unterstützung des Schahs von Persien sind zwei der Beispiele. Parallel dazu kommt in Albrights Ausführungen immer wieder die inneramerikanische Spaltung zum Vorschein, eine Art Kulturkampf, der die amerikanische Politik stark beeinflusst: Hier die konservativen, religiösen Fundamentalisten, insbesondere die christliche Rechte, dort die liberale, meist säkulare Linke.

Der zweite Teil, "Kreuz, Halbmond und Stern" übertitelt, konzentriert sich "auf das gestörte Verhältnis zwischen dem Islam und dem Westen." Zunächst gibt Madeleine Albright eine Nachhilfestunde in Sachen Islamkunde, dann beleuchtet sie Kapitel um Kapitel die aktuellen Konfliktfelder: Israel und Palästina, Irak und Iran und viele andere mehr.

Dabei stellt die ehemalige Außenministerin jeweils die historische Entwicklung der gegenwärtigen Sackgassen dar, beleuchtet mitunter, durchaus selbstkritisch, ihren politischen Beitrag dazu und analysiert die aktuelle Außenpolitik der USA. Bisweilen geht Albright dabei mit George W. Bush hart ins Gericht, recht deutlich etwa im Blick auf den Irak-Krieg und dessen ungeplante Folgen.

Der dritte Teil bietet "Abschließende Bemerkungen", darunter sieben praktische Überlegungen, eher Handlungsanweisungen, "die – wenn auch nicht der Weisheit letzter Schluss – zumindest vor törichten Fehlern bewahren können."

Madeleine Albright bekennt: "Ich bin eine von Hoffnungen erfüllte Christin, aber auch eine unvollkommene, eine Christin mit Zweifeln." Sie wurde in römisch-katholischer Tradition erzogen und hat später ihre jüdischen Wurzeln entdeckt. Drei ihrer Großeltern und zahlreiche Verwandte sind im Holocaust umgekommen.

Im Bereich der Politik gilt für die ehemalige Außenministerin der USA: "Religion spielt bei der Motivation von Menschen eine große Rolle und formt ihre Vorstellungen von Gerechtigkeit und korrektem Verhalten." Daher bedarf eine gute (Außen )Politik nicht nur der Beratung in Wirtschafts- oder Sicherheitsfragen. Amerikanische Politiker sollten auch "möglichst viel über Religion wissen und dieses Wissen in ihre Strategien einbauen."

Die Folge muss, ja darf keine "glaubensbasierte Diplomatie" sein. Vielmehr plädiert Albright, die an der Trennung von Staat und Kirche unbedingt festhält, letztlich für eine Säkularisierung der amerikanischen Mission für Freiheit und Demokratie, bei der den unterschiedlichen Ausfaltungen von Religion jeweils Rechnung zu tragen ist.

Für Amerikaner bietet das Buch gewiss eine Menge Zünd und Diskussionsstoff. Deutschen Lesern hilft es, die gegenwärtige Lage der amerikanischen Nation besser zu verstehen, da die Lektüre ein differenzierteres Bild vermittelt als die üblichen Schwarz-Weiß-Skizzen, denen man im Alltag begegnet. Überdies lässt es den gewichtigen politischen Einfluss religiöser Strömungen, nicht nur in den USA, erkennen.

Das kenntnisreiche, erfahrungsgesättigte, ehrliche und daher lesenswerte Buch ist all jenen Menschen gewidmet "die als Bürger ihres Landes und Anhänger ihrer Religion die Freiheit verteidigen, sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen und gegen Ignoranz und Armut kämpfen." Damit kommt zweierlei zum Ausdruck, der Adressatenkreis potentieller Leser, aber auch eine Art Minimalkonsens – pragmatisch gesehen der kleinste gemeinsame Nenner, der im politischen Dialog der Kulturen und Religionen zu erreichen ist. Das mag wie eine Plattitüde klingen. Dennoch: Was Albright hier anspricht und in ihrem Buch gewissermaßen durchkaut, ist ein wichtiges, wenn nicht das weltpolitische Ziel. Die gegenwärtigen Terrorgefahren haben erneut die Dringlichkeit verdeutlicht, sich dafür einzusetzen.


Madeleine K. Albright:
Der Mächtige und der Allmächtige. Gott, Amerika und die Weltpolitik

Übersetzt von Maria Zybak und Reinhard Kreissl
Droemer Verlag, München 2006
362 Seiten, 19,90 Euro