Abrechnung mit Asien

15.10.2013
Im aufstrebenden Asien haben Ratgeberbücher, die Geld und Karriere versprechen, Konjunktur. Mit einem solchen Buch wird Mohsin Hamids Protagonist vom armen Jungen aus dem Slum zum Unternehmer. Hamids Roman ist eine beißende Satire auf den globalen Raubtierkapitalismus.
Viele Jahre lang lebte und arbeitete der in Lahore geborene und aufgewachsene Autor Mohsin Hamid in New York – bis das World Trade Center am 11. September 2001 einstürzte. Plötzlich galt auch er, ein erfolgreicher Harvard-Absolvent, aufgrund seiner muslimischen Herkunft als verdächtig. Aus dieser Erfahrung entstand sein Roman "Der Fundamentalist, der keiner sein wollte". Mohsin Hamid aber ging zurück nach Lahore. Dort hatte bereits sein erster Roman "Nachtschmetterlinge" gespielt. Darin schildert er den Kampf ums Überleben in einer Welt, in der die Klimaanlage als Zeichen gesellschaftlicher Distinktion gilt.

Auch sein neuer Roman spielt in Asien – in jenem neuen Asien, das mit Wirtschaftswachstum und Erfolgs-Stories prahlt. Doch mit eben diesem Asien rechnet Hamids Roman – eine beißende Satire –in bitterböser Weise ab. Dazu bedient er sich eines literarischen Tricks: Sein Roman hat die Form jener Ratgeberbücher, die nun auch die Buchläden in Asien überschwemmen. Versprochen werden schnelles Geld, schneller Erfolg, schneller Aufstieg auf der Karriereleiter.

In diesem Fall ist der Adressat ein Junge, der im dörflichen Elend eines asiatischen Slums zur Welt gekommen ist, wo die Hoffnung, stinkreich zu werden, erst einmal wie blanker Hohn erscheinen mag, und wo Krankheiten die Regel sind, da Wasser eine Mangelware ist. Doch in kühnen Schritten, angeleitet von den Vorgaben des Ratgebers, den wir, zusammen mit dem Jungen, in Händen halten, wird aus dem Habenichts ein Mann von Rang und Macht.

Hamids Roman kennt keine Empathie
Seine Familie zieht in die Stadt; dort lernt der Junge lesen und schreiben. Schließlich steigt er im vorangeschrittenen Alter mit einer eigenen Firma in das hart umkämpfte Geschäft mit Tafelwasser ein – aufgrund der wachsenden Mittelschicht ein florierender Markt. Das Wasser, das er anbietet, ist selbstredend ein betrügerisches Produkt. Denn Empathie kennt weder Hamids Held – noch Hamids in schnoddrig-kühlem Ton gehaltener Roman - von Eike Schönfeld brillant übersetzt. Am Ende fällt der skrupellose Tycoon, der sich aus tiefstem Dreck hochgearbeitet hat, ebenso tief wie sein Aufstieg rasant war. Einst fruchtbares Land hat sich in eine ausgedörrte Großbaustelle verwandelt.

Und letztlich erodiert – auch davon handelt der Roman – eine ganze Gesellschaft. Mohsin Hamid, der sein komplexes Thema mittels erfahrungsgesättigter, dichter Miniaturszenen in eine rasante und äußerst eingängige Story verpackt hat, zeigt: Bauwut oder Bestechungsgelder, fatale Landnahme oder die Wirtschaftsmacht des Militärs sind eine Seite des globalen Raubtierkapitalismus. Die andere Seite ist die wachsende Migration, die gewachsene soziale Strukturen zunichte macht. Deswegen darf der Held das Mädchen, das er liebt, nicht wirklich bekommen. Deswegen muss sie, die sich für ein besseres Leben als Model prostituiert, ihn vergessen. Dass die Hauptfigur am Ende ihres Lebens dann doch ein kleines Stückchen Liebe erhält, ist also immerhin ein versöhnliches Ende für diesen durch und durch grimmigen Roman.

Besprochen von Claudia Kramatschek

Mohsin Hamid: So wirst du stinkreich im boomenden Asien. Roman
aus dem Englischen von Eike Schönfeld
Dumont Verlag, Köln 2013
224 Seiten, 18,99 Euro