"About a Girl" und "Coconut Hero"

Lebensmüde Teenager im Kino

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Alex Ozerov als Mike in einer Szene des Films "Coconut Hero". © Majestic / dpa
Von Noemi Schneider · 11.08.2015
Zwei Jugendfilme auf der Kinoleinwand - und beide handeln vom Tod, genauer: von der Todessehnsucht. Warum Mark Monheims "About a Girl" zum Aus-dem-Fenster-springen ist, "Coconut Hero" dagegen großes Coming-of-Age-Kino, erklärt Filmkritikerin Noemi Schneider.
Filmausschnitt "Coconut Hero": "Wir sagen Lebwohl zu unserem Sohn und Mitschüler, eine Blume, die nie hätte gepflanzt werden dürfen kehrt zurück in die Erde. / Das sind nur fünf Zeilen? Sieben kosten genau so viel?"
Der 16-jährige lebensmüde Mike Tyson lebt mit seiner alleinerziehenden Mutter in einem namenlosen Kaff mitten in den kanadischen Wäldern. Nachdem Mike seine eigene Todesanzeige aufgegeben hat, schreitet er zur Tat.
Filmausschnitt "Coconut Hero": (Schuss)
In "About a Girl" beschließt die 15-jährige Charleen ebenfalls zu Beginn des Films ihrem Leben ein Ende zu setzen.
Filmausschnitt "About a Girl": "Ich hab dich lieb Mama! / Bist Du schwanger? / Wenn man sich einmal für was entschieden hat, dann muss man es auch durchziehen. Ich bin konsequent in solchen Dingen. / Ah!!!"
Beide filmischen Suizidversuche misslingen.
Lebensmüde Teenager haben eine cineastische Tradition: Manchmal klappt es sogar mit dem Selbstmord wie in "The Virgin Suicides" oder "Was nützt die Liebe in Gedanken", in der Regel jedoch trifft der lebensmüde Teenager nach dem versuchten Suizid auf einen anderen Außenseiter und findet im Idealfall die große Liebe oder zumindest neuen Lebensmut wie in "A long way down" oder "Harold and Maude". Und nicht zu vergessen, natürlich ist der Soundtrack entscheidend.
"About a Girl" und "Coconut Hero" haben dasselbe Thema, unterscheiden sich allerdings vollkommen in Ansatz, Umsetzung und musikalischer Untermalung.
Umständliche Dialoge und klischeebeladen
Drehbuchautor und Regisseur Mark Monheim setzt in "About a Girl" ausschließlich auf, harmlos vor sich hinplätschernde Popmusik, obwohl Charleen ihr Zimmer mit Kurt Cobain, Janis Joplin, Amy Winehouse und Jim Morrison zu plakatiert hat, und lässt auf inhaltlicher Ebene des in umständlichen Dialogen erzählten Films, leider kein Klischee aus. Das reicht von Charleens überforderter, alleinerziehender Hippiemutter, die hässliche Haushaltsgegenstände auf Ebay verkauft und deren nervigen Biologie-Lehrer-Lebensgefährten, über die geliebte, fromme Oma bis zum durchgeknallten Therapeuten, der permanent Kuchen in sich hinein stopft und am liebsten mit seinem Papagei spricht.
Filmausschnitt "About a Girl": "Quacksalber! / Klappe Grodeck! Er hält sich für was ganz Besonderes! / Hältst du dich auch für was Besonderes? / Nein, wieso? / Na, ja, mit 15 kann man ne Menge Spaß haben, aber du möchtest lieber tot sein, findest du das normal?"
Im Wartezimmer des Therapeuten trifft Charleen dann auch auf ihren nerdigen Mitschüler Linus – und dreimal dürfen sie raten, wie es weitergeht? Genau. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten fahren die Beiden einander im Einkaufswagen spazieren, lassen Linus' Hamster in der Badewanne schwimmen, beleben ihn anschließend wieder und kommen sich auf einer idyllische Verkehrsinsel näher. Die 26-jährige Schauspielerin Jasna Fritzi Bauer spielt die, sich permanent selbst reflektierende 15-jährige Charleen, die der Drehbuchautor so wie es scheint am Reißbrett entworfen hat, da die Figur vollkommen unglaubhaft zusammengeschustert wirkt. Kurz: Ein Film zum aus dem Fenster springen.
Filmausschnitt "Cocnut Hero": "Ich dachte du wärst tot! / Nein. /Aber es stand in der Zeitung. Dein Anblick hat mich zu Tode erschreckt. Ich hätte nen Herzinfarkt kriegen können!"
Besonderer dramaturgischer Dreh
Florian Cossen und Elena von Saucken setzen in "Coconut Hero" auf Lakonie und einen besonderen dramaturgischen Dreh. Zu seiner großen Freude erfährt Mike nämlich im Krankenhaus, dass in seinem Kopf ein lebensbedrohlicher Tumor heranwächst, der schnellstmöglich operiert werden muss. Mike verschweigt diese Information seiner Mutter und meldet sich, um den Schein zu wahren, zur Therapie an. Dort begegnet er der ein paar Jahre älteren Gruppenleiterin, Miranda.
Filmausschnitt "Coconut Hero": "Kann ich dir helfen? / Ich, ich suche einen Kurs. / Den für neuen Lebensmut? / Woher weißt du das? / Nur geraten? / Ist da drin."
Florian Cossen und Elena von Saucken haben von Anfang an die goldene "Coming of Age-Film-Regel" – Weniger ist mehr – beherzigt. Der Film konzentriert sich auf seine Hauptfigur Mike, die der 24-jährige russischstämmige Kanadier Alex Ozerov, mit jener für die Pubertät so typischen Sprachlosigkeit, Verlorenheit und Radikalität ausstattet – eine Idealbesetzung. Von Anfang an hatten Cossen und von Saucken den Wunsch den Film mit einem englischsprachigen Ensemble in Kanada zu drehen, dass sie alles richtig gemacht haben, beweist nicht zuletzt die Tatsache, dass der Film in der deutschen Synchronfassung genauso gut funktioniert wie im Original.
Fazit: "Coconut Hero" ist großes universelles Coming-of-Age-Kino über Leben und Tod für Jung und Alt!
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