Abgeschoben aus den USA

"Sie haben mich geschnappt und deportiert"

Hunderte Menschen demonstrieren am 16. Februar 2017 in Detroit, Michigan, als Teil der landesweiten Proteste "A Day Without Immigrants"
Hunderte Menschen demonstrieren am 16. Februar 2017 in Detroit, Michigan, als Teil der landesweiten Proteste "A Day Without Immigrants" © dpa-Bildfunk / Detroit News / Todd Mcinturf
Von Anne-Katrin Mellmann · 30.03.2017
Für viele Migranten endet der "american dream" mit Abschiebung. In der Amtszeit von US-Präsident Obama wurden etwa 2,8 Millionen Menschen deportiert. Donald Trump will noch mehr Migranten ohne gültige Papiere rauswerfen. Doch Mexiko ist mit den Rückkehrern überfordert.
Die Grenze zwischen Mexiko und den USA ist über 3000 Kilometer lang, von der Baja California am Pazifik bis zum Golf von Mexiko. Geschichtlich war lange umstritten, welche Region zu welchem Land gehört. Präsident Trump gewann die Wahl unter anderem mit dem Versprechen, eine Mauer zu errichten, um illegale Immigration aus Lateinamerika zu stoppen. Eine Mauer durch Wüsten, Gebirge und am Rio Grande.
Während die Kultur an beiden Seiten der Grenze stark mittelamerikanisch geprägt ist, halten viele Menschen auf der US-Seite die Maßnahmen der neuen Regierung für angemessen. Schleuser auf der anderen Seite machen große Geschäfte mit Mittelamerikanern, die unbedingt in das Land der vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten gelangen wollen.
Auf dem Weg durch Regionen, die von Drogenkartellen beherrscht werden, sterben Flüchtlinge. Hilfsorganisationen bemühen sich, illegale Einwanderer vor der Abschiebung zu bewahren. Polizei und Grenzschutz erhalten zusätzliche Kompetenzen bei der Ausweisung. Selbst Anhänger des Präsidenten entlang der Grenze sagen: Die Mauer und Massenausweisung der Illegalen ist ein wirtschaftliches, kulturelles und gesellschaftliches Desaster.
Auf einem Wegweiser vor einer Palme stehen die Worte "Mexiko Only - No USA Return".
Zurück nach Mexiko: Die neue US-Regierung will viele Illegale abschieben© AFP/Sandy Huffaker

Manuskript zum Beitrag:
Abend für Abend füllt sich die Migrantenherberge im Grenzort Nuevo Laredo: mit Kubanern, die festhängen, seit die USA ihnen kein Asyl mehr geben, und mit Abgeschobenen wie Luis López. Nach 29 Jahren wurde der Mexikaner aus dem Land seiner Träume ausgewiesen. Bei sich hat der 48-Jährige nur, was er am Leibe trägt: karierte Shorts, Shirt und Turnschuhe.
"Sie haben mich erwischt, als ich in Las Vegas mit dem Fahrrad auf einem Fußweg fuhr. Weil ich keine Aufenthaltspapiere hatte, kam ich für sechs Monate ins Gefängnis. Sie nennen es Gewahrsam, aber man sitzt da mit gewöhnlichen Kriminellen ein. Ich habe meine Abschiebung beschleunigt, weil ich es nicht mehr aushielt. Es gibt Leute, die jahrelang einsitzen, während sie um ihre Aufenthaltserlaubnis streiten."

Tausende Migranten arbeiten in Billiglohnbetrieben

Luis hat in den USA einen minderjährigen Sohn zurückgelassen, der hat die US-Staatsbürgerschaft. Deshalb will der Technische Zeichner in Nuevo Laredo arbeiten, bis er genug Geld hat, um zu seiner Familie zurückzukehren. Dafür muss er einem Schleuser mehrere tausend Dollar bezahlen. Aber gut dotierte Jobs sind in Mexiko Mangelware. Tausende Migranten, die in der Grenzregion hängen geblieben sind, arbeiten in Billiglohnbetrieben, den "maquilas", häufig für nicht mehr als 50 Dollar pro Woche. Carlos Montoya, Chef eines ganzen Maquila-Parks, sieht schwarz für die vielen Abgeschobenen, sollte US-Präsident Trump seine Drohungen wahr machen und massenhaft Mexikaner und Mittelamerikaner ohne Papiere rauswerfen:
"Die Abgeschobenen sind ein Problem: Sie werden angestellt, ausgebildet, aber dann versuchen sie wieder über die Grenze zu gehen. Ihr Arbeitsplatz muss dann neu besetzt werden, mit Leuten die man wieder anlernen muss. Das wirkt sich ganz klar negativ auf die Produktivität des Unternehmens aus. Bislang sehen wir noch keine Notwendigkeit für ein spezielles Rückkehrer-Programm. Wir wissen ja noch nicht, wann die Deportationen beginnen."
Massenabschiebungen gibt es bisher nicht. Überhaupt seien die Zahlen nicht gestiegen, melden die mexikanischen Migrationsbehörden. Dem widerspricht Alvaro Arcepas, Mitarbeiter einer Menschenrechtsorganisation, am Grenzübergang von Reynosa.

"Derzeit kommen täglich 150 Menschen, früher 60"

Obwohl Abkommen zwischen Mexiko und den USA vorsehen, dass im Dunkeln nicht abgeschoben werden soll, fahren Nacht für Nacht die Busse vor. Arce empfängt die Rückkehrer mit Essen und Rechtsberatung.
"Die Deportationen finden mitten in der Nacht statt. Ich vermute, damit weder Medien noch die Anwohner etwas merken. Derzeit kommen täglich 150 Menschen, früher 60. Die Herbergen reichen nicht aus. Wir werden gravierende Probleme bekommen, weil es zu wenig Hilfe gibt. Das führt automatisch zu Kriminalität. Sie werden stehlen müssen, um essen zu können. Einfach aus ihrer Notlage heraus – das bedeutet nicht, dass sie schlechte Menschen sind. Weder die Bundes- noch die Landesregierung sind darauf eingestellt. Sie haben weder Hilfe noch Arbeit für all diese Menschen."
Rückkehrerprogramme hat Mexiko nicht, für Massenabschiebungen ist nicht vorgesorgt. Nichtregierungsorganisationen und die Herbergen der Kirche kümmern sich um das wachsende Problem. In den USA verschärfe sich die Haltung gegenüber Migranten ohne Papiere, berichten Betroffene in der kirchlichen Notunterkunft:
"Ich heiße Arturo Varajas und komme aus New Jersey. Sie haben mich geschnappt und deportiert. Polizisten hielten mich wegen einer defekten Lampe an meinem Auto an, sahen eine Bierdose im Wagen und nahmen mich mit. Das war vor einer Woche. Weil ich schon einmal deportiert worden war, machten sie kurzen Prozess. Anderthalb Jahre lang habe ich vergeblich für meine Aufenthaltserlaubnis gestritten. Ich habe drei minderjährige Kinder, die in den USA geboren sind."
Der Politikwechsel ist noch nicht statistisch festzumachen, aber die Migranten in den USA bekommen ihn zu spüren. Sie haben Angst, dass ihre Familien auseinander gerissen werden, so wie die von Arturo Varajas. Berechtigte Angst.
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